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Beitrag vom 09.09.2011
Alin Coen Band - Einer will immer mehr
Leonie Schwarzer
Mit der EP verkürzt die Band die Durststrecke bis zu ihrem zweiten Album, das voraussichtlich nächstes Jahr erscheinen soll. Durchdachte Texte und musikalisches Feingefühl zeichnen ihre Stücke aus.
Die "Alin Coen Band" wird uns in Zukunft häufiger begegnen, denn die vier MusikerInnen starten im Moment so richtig durch. Im April dieses Jahres erhielten sie den Deutschen Musikautorenpreis der Gema und schon Ende September vertritt die Band das Bundesland Thüringen beim "Bundesvision Song Contest" von Stefan Raab. Antreten werden sie mit "Ich war hier", einem wunderbar melancholischem Stück aus ihrem Debütalbum "Wer bist du".
Seit 2003 lebt Alin Coen, die Frontfrau der Band, in Weimar und hat dort ihren Bachelor in Umweltschutztechnik absolviert. Geboren ist sie 1987 in Hamburg als Tochter einer Deutschen und eines Mexikaners. Nach dem Abitur zog es Alin hinaus in die weite Welt und sie reiste durch Indien und Schweden. In Stockholm stand sie zum ersten Mal auf der Bühne und entdeckte dort ihr Talent zum Songschreiben und Musizieren. 2007 gründete sie in Weimar zusammen mit Jan Frisch, Philipp Martin und Fabian Stevens die "Alin Coen Band".
Mit ihren deutsch- und englischsprachigen Texten vertont die Band intime Gefühle und verpackt Seelenzustände in Musik. Zumeist singt sie vom Lieben, Loslassen und Sehnen, ohne dabei jedoch dick aufzutragen. Die Stücke nisten sich in unseren Gehörgang ein, doch nicht als nervige Ohrwürmer, sondern vielmehr als zart-schwebende Schmetterlinge, die dem Alltag Leichtigkeit verleihen. Gefühle, Empfindungen und Stimmungen, die sich sonst oftmals hinter Mauern aus Stress verstecken, bekommen Raum, um sich zu entfalten.
Alin Coen, die alle Songs selbst schreibt, erklärt ihren Schaffungsprozess so: "Eigentlich bin ich ein ausgeglichener Mensch. Aber Lust zu schreiben spüre vor allem dann, wenn Leidensdruck da ist." Diese Ehrlichkeit, von keinem Label aufgedrückt, dringt auch durch den CD-Player zu uns vor. Vor einigen Jahren gründete die Band einfach ihr eigenes Label "Pflanz einen Baum". Im Interview mit AVIVA-Berlin, anlässlich der Veröffentlichung ihres 2010 erschienenden Debütalbums, erklärt Alin Coen: "Der Name ist der Titel und Text eines Metal-Songs, den wir mal zum Spaß zusammen mit dem Lied "Augensalat" geschrieben haben. Dieser Name ist also aus einem Scherz heraus entstanden. Auf der anderen Seite gefällt mir aber auch, wie viel man in diese Worte hineindeuten kann."
Der Opener des Albums, "Einer will immer mehr", überrascht als ungewöhnliches Liebeslied. Alin Coen singt von ungleich verteilten Gefühlen: "Einer will immer mehr. Da wo Platz für dich wär` ist es leer." Songs vom unerfüllten Anschmachten füllen die CD-Regale, doch die Seite des zuviel Geliebten wird nur selten beleuchtet. Alin Coen gelingt es, dieses Bild genau nachzuzeichnen. "Deine Liebe bringt mich in Bedrängnis, mein Verantwortungsgefühl ist ein Gefängnis." Mit minimaler Instrumentierung bahnt sich das eindringliche Stück seinen Weg und findet die Worte, die uns oft fehlen. Ein Song, der verhalten, aber nicht schüchtern ist und mit sich mit klarer Stimme direkt ins Herz singt.
Auch die fünf anderen Songs der EP überzeugen durch lyrischen Folk-Pop und innige Textzeilen.
"Andere Hände" ist ein sehr ruhiges Gitarrenstück, das vom Loslassen handelt und jede/n von uns an vergangene Orte zurückführt.
Etwas rockiger und lauter wird´s mit "Hol mich ein". Mit voller Stimme singt die Frontfrau von einer enttäuschten Liebe: "Mein Herz übt Weitsprung, während deins noch etwas humpelt." Treffend beschreibt sie die Wut gegenüber einer machtlosen Ausgeliefertheit, die unerwiderte Liebe mit sich bringt.
Der Abschlusssong "Segelflieger" entlässt uns mit meditativen Klängen und ruhigem Chorgesang.
Live sollte mensch sich die Alin Coen Band auf keinen Fall entgehen lassen! Das Berliner Konzert im Heimathafen Neukölln am 08. September war restlos ausverkauft. Und das zu Recht: Umrahmt von Wallis Bird und der Newcomerin Elif, überzeugten die vier MusikerInnen mit zumeist ruhigen und melancholischen Stücken. Der Heimathafen, ein altes Theater mit viel Stuck und barocken Verzierungen, unterstrich die romantische Atmosphäre perfekt.
Alin Coen wirkte durch ihre sympathische Ausstrahlung völlig natürlich und die ZuhörerInnen freuten sich mit ihr, wenn sie immer wieder betonte, wie glücklich sie gerade sei. Die zart und zerbrechlich wirkende Sängerin hat auch live eine unglaubliche Kraft in der Stimme und präsentierte ein gemischtes Programm aus alten und neuen Songs. Mal spielte sie dabei Keyboard, dann zupfte sie wieder die Gitarre.
Ihre Stücke ergänzt Alin Coen durch ihre eigenen Erinnerungen und Erfahrungen. Jede, die schon einmal vor einer schwierigen Entscheidung gestanden hat, kennt das auch: Alle erteilen gute Ratschläge und trotzdem kommen immer mehr Zweifel auf, die Gedanken drehen sich im Kreis. Alin Coen bezeichnet das als "Gedankenkarussell", diesen Zustand verarbeitete sie in ihrem Song "Die Nähe". Fast jede/r aus dem ZuschauerInnenraum hat das selbst schon einmal erlebt und konnte sich deswegen so stark mit diesem Text identifizieren.
Alin Coen lebt ihre selbst geschriebenen Lyrics sichtbar auch auf der Bühne und berührt gerade dadurch die ZuhörerInnen. Von der Musik getrieben, lässt sie sich einfach fallen und taucht völlig in sie ein.
Mit "Hol mich ein" von ihrer neuen EP bewies die Band dann aber auch ihre rockig-laute Seite, bei der niemand mehr ruhig stehen bleiben konnte. Als Alin Coen "Ich war hier" ankündigte, das Stück mit dem die Band am 29. September beim Bundesvision Song Contest antritt, ging die Menge begeistert mit. Beinahe jede/r, ein buntes Publikum von jung bis alt, konnte den Song mitsingen.
Leider war das Konzert viel zu schnell vorbei. Nach "Das letzte Lied" verschwand die Band hinter der Bühne und der Applaus hallte ihnen noch lange nach.
AVIVA-Tipp: Die "Alin Coen Band" macht Musik, wie sie sein soll: Sie weckt auf, entführt, erinnert und hinterlässt Spuren. Musik, von der wir uns verstanden fühlen und mit der jede/r etwas Persönliches assoziiert. Eine vielversprechende Band, von der wir in Zukunft bestimmt noch einiges hören werden.
Alin Coen
Einer will immer mehr
Auf der digitalen Version der EP ist zusätzlich der Song "Ich war hier" von ihrem Debütalbum veröffentlicht, mit dem die Band beim "Bundesvision Song Contest" antreten wird.
Label: Pflanz einen Baum, VÖ: 16. September 2011
Alin Coen im Netz: www.alincoen.com
Weiterhören auf AVIVA-Berlin:
Alin Coen Band - Wer Bist Du
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin
Interview 2010 mit der Alin Coen Band