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Beitrag vom 25.05.2007
Blonde Redhead – 23
Tatjana Zilg
Dem New Yorker Trio gelang ein Richtungswechsel: Weniger Melancholie und Wehmut früherer Werke, sondern frische Energie, hypnotische NoWave-Sounds und geheimnisvolle Mystik zeichnen ihr 8. Album aus
Das Vorgänger-Album "Misery Is A Butterfly" ließ sie zu einer der unverwechselbarsten und speziellsten Bands ihrer Generation werden. Mit dem selbstbewussten, eindringlichen und fein nuancierten Sound begeisterten sie viele neue HörerInnen für sich.
Jetzt legen sie mit "23" endgültig das Gewand von bittersüßer Düsterkeit und Melancholie ab und widmen sich mit leichtfüßigen Elan mystischen Klang-Sphären, fein verwoben mit Pop- Essenzen, und verführerisch schönen, lebendigen Melodien.
Ihren Namen entliehen sie einem Song des New Yorker No Wave Künstler DNA, als sie sich vor über 10 Jahren in New York gründeten. Von Anfang an erwiesen sie sich als äußerst aufnahmefähig für die vielen Inspirationen, die ihnen in der zweitgrößten Stadt der Welt geboten wurden: Die quirlige Underground-Szene mit den unzähligen Bars, Clubs, Galerien, aber auch die große Auswahl an Kinofilmen der unterschiedlichsten Genres. Simone Pace, Amedeo Pace und Kazu Makino fanden einfach überall Ideen und Anregungen für einen Sound, der schon bald aus den vielen Neugründungen der turbulenten Musikszene herausstach. Ihr Talent blieb nicht lange unentdeckt. Steve Shelley von Sonic Youth signte sie für sein Smells Like Label. 1994 erschien das selbstbetitelte Debut. Später wechselten sie zu dem Chicagoer Label "Touch And Go". In Guy Picciotto, dem Sänger und Gitarristen von Fugazii, fanden sie einen neuen Produzenten, der mit ihnen 1997 "Fake Can Be Just As Good" veröffentlichte. Ein bizarr angelegtes Album, für dessen Lyrics sie sich von Paolo Pasolini inspirieren ließen.
Waren die ersten Releases alle noch eher chaotisch und querulant angelegt, besannen sie sich 2000 mit "Melody Of Certain Damaged Lemons" auf die Entwicklung von verzaubernd-schönen, leicht traurigen Melodien. Das wurde sofort mit einer höheren Resonanz beim Publikum und bei der Presse belohnt. Auch in Europa wurden sie zunehmend zum Insider-Tipp. 2003 folgte dann ihr erstes internationales Signing bei 4AD, dem UK-Label, das schon The Pixies, Cocteau Twins und Dead Can Dance unter Vertrag hatte. Mit "Misery Is A Butterfly" enttäuschten sie ihr neues Label keinesfalls – mit dem Album gelang ihnen furios ein erstklassiger Einstand.
Für "23" entschlossen sie sich, ohne Produzenten zu arbeiten und alle Fäden selbst in der Hand zu halten. Erfahrung hatten sie mittlerweile reichlich und in dem New Yorker Studio, wo sie vor langer Zeit "La Mia Vita Violenta" einspielten, feilten sie an ihrem Meisterwerk nach über zehnjährigen Band-Bestehen. Sie nutzten den Freiraum zu mehr Spontaneität und dem ausgiebigen Perfektionieren des eigenen Stils. Nur für "Silently" und "Top Ranking" holten sie sich für ein paar Tage den Produzenten Mitchell Froom, der schon mit dem American Music Club, Richard Thompson und Paul Mc Cartney zusammengearbeitet hat, ins Studio.
Mühelos gelingt Blonde Redhead ein tänzelnder Spagat zwischen impressionistischen und expressionistischen Tönen, Kazu´s mädchenhaft-kristalline Stimme flattert durch die sphärischen Songs wie ein schillernder Schmetterling. Dahinter verbergen sich anspruchsvolle, zynisch-bissige Lyrics, die viel weniger verträumt oder gar naiv sind als bei den manchmal engelsgleich hohen Gesang vermutet werden könnte. Mit "Dr. Strangeluv" widmen sie sich wieder einem der Kino-Zeitgeschichte entliehenen Motiv. Besser noch bekannt als "Dr.Seltsam" erzählt der Kultfilm über das Überleben vor und nach dem Atom-Krieg zu Zeiten der kalten Feindschaft zwischen den Weltmächten. Blonde Redhead verpacken ihre Mini-Hommage in eine bitterzarte Melodie und kurze, spielerisch paradoxe Lyrics.
In "SW" umhüllen sie die HörerInnen mit einem Kokon aus dynamischen Wechselgesängen von Kazu und ihrem Zwillingsbruder Amadeo, einer kaskadenartigen Synthie-Melodie und vorwärtstreibenden Beats. "Spring And By Summer Fall" greift das Duett-Tennisspiel zwischen femininen und maskulinen Vocals auf, ist aber ein klein wenig rock-orientierter, wenn es in schnellen Tempo mit sommerfrischen E-Gitarren-Riffs voranstürmt. "Silently" dagegen lädt mit seinen Pop-Beats und der eingängigen Hookline zum Einsatz für die Dancefloor-Beschallung ein.
AVIVA-Tipp: Surrealistisch bizarr erklingen die 10 Songs von "23" aus den Boxen, sphärisch, orchestral, sehr erfrischend und mit vorwärtsgetriebener Energie. Absolut stimmig zu der sportiven Lady auf dem Cover, die nur eine moderne Comic Art-Tennisspielerin wäre, hätte sie nicht vier Beine, wodurch die simple Figur zum postmodernen Fabelwesen wird und zum Blicke-fesselnden Hingucker.
Blonde Redhead im Web: www.blonderedhead23.com , www.blonde-redhead.com
Blonde Redhead
23
Label: 4AD/Beggars Group, VÖ April 2007
EAN: 0652637271720
17,49 Euro
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