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Beitrag vom 11.10.2013
Mary Ocher - Eden
Evelyn Gaida
Wut, Satire, Kompromisslosigkeit und diese furchtlos-beschwörerische Stimme zwischen ironischen Höhen und wild entschlossenen Tiefen: Die progressive Ausnahmekünstlerin aus Tel Aviv und Moskau...
... tritt auf ihrem zweiten Album "Eden" kein Haarbreit ihrer eigenen Song-Gesetze ab, sondern stattet sie mit komplexeren Melodien aus.
Im November sind sie live zu hören.
Mary Ochers Musik und Texte haben etwas von Huxley´s "Brave New World" auf Soma-Entzug. Um die Logik der Fremdbestimmung und des Krieges ad absurdum zu führen, benötigte die 26-jährige Wahlberlinerin auf ihrem Debüt-Album "war songs" keine komplizierten Auseinandersetzungen. Simple Aussagen wie "Don´t come running, / don´t be the brave, / you´re not the man they expect / to run to his grave" oder "If you want to die / this could be your lucky day, son" reichten vollkommen aus, um den vermeintlichen Glorienschein kriegerischen Heldentums verlöschen zu lassen.
Ihren musikalischen Stil eines versierten und experimentierfreudigen Dilettantismus, der geschrammelte Gitarren und Keyboards oft auszuquetschen scheint wie Obst, hat Ocher auf "Eden" weiter ausgefeilt und vervielfältigt: irgendwo zwischen Folk, Garagerock, sperrigem Keyboard-Sound, Klavierballade und Ambient. Die Welt hat sich seit "war songs" nicht zum Himmel auf Erden gewandelt und der Titel des neuen Werks ist sprichwörtlich für Ochers provokativ-sarkastische Konfrontation. Unbeirrbar verfährt die Musikerin, Video- und Performance-Künstlerin ebenso mit kulturellen Abziehbildern, die sie auch am eigenen Leib demontiert. Ocher trägt ihr wasserstoffblond gefärbtes Haar nicht zu haarspraygestählten Marilyn- oder Madonna-Locken gedreht, sondern meist betont unfrisiert und mit übergroßer Brille kombiniert. Auf enge (und exzentrische!) Kleidung verzichtet die Künstlerin demonstrativ nicht, auch ohne sich dem Salatblatt-Regime zu unterwerfen. Ochers Stil lässt durchdesignte Sexsymbole und Role Models aussehen wie Plastikpuppen.
"Wake Up", der Titel des ersten "Eden"-Songs, kann programmatisch gelesen werden, von Ocher leidenschaftlich-kraftvoll gesungen, während die Akustik-Gitarre zum Aufbruch tönt, ein bisschen wie im Western, mit einem Augenzwinkern. Ochers Stimme könnte KomapatientInnen aus dem Schlaf reißen: Mal schrille Avantgardekönigin, mal Himmelsbeschwörerin, Rebellin oder Melancholikerin, als führte sie eine Prozession stolz durch die Landschaften ihrer widerständigen Klanggestirne, die auf geheimnisvolle Weise auch melodisch sind. "No man´s man is no man´s servant" will der "Heartman" im dreckigen Garagenrock-Gewand uns glauben machen, "Familiy comes first and takes your life / (...) family came first and gave it to the law", heißt es im schleppenden Klavierstück "(As free as) The great outdoors". Kunstvoll und schwermütig lässt Ocher die künstliche "Android Sea" gläsern verlorene Synthie-Tränen schlucken und stimmt in "Thunderbird I-IV" das Oxymoron archaischer Sci-fi-Klagelieder an. Niemand sollte sich täuschen lassen: "Things are never coming easy / And when they are you know you´re in trouble."
AVIVA-Tipp: Mary Ochers "Eden" ist das Werk einer unerschrockenen Außenseiterin, die eine geborene Künstlerin ist: Unverwechselbar, mit machtvoller Stimme, ist ihre Musik von leidenschaftlicher Hellsicht, Unbestechlichkeit, Kreativität und viel schwarzem Humor geprägt, die für diese Welt unverzichtbar sind. Unverzichtbar sind sicher auch Ochers Live-Auftritte.
Mary Ocher
Eden
Label: Buback Tonträger, VÖ Juni 2013
Mary Ocher im Netz:
www.maryocher.com
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