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AVIVA-BERLIN.de im Oktober 2024 - Beitrag vom 09.11.2016


Agnes Obel - Citizen of glass
Silvy Pommerenke

Transzendent, sphärisch, wie von Elfen komponiert – so könnte die Musik der Wahlberlinerin Agnes Obel zusammengefasst werden. Auf ihrem dritten Album bleibt sie sich selbst treu und verleiht dem Herbst die richtige musikalische Note.




Die Dänin Agnes Obel zieht es 2005 nach Berlin, genauer nach Neukölln. Ihr Debutalbum von 2010 betitelt sie "Philharmonic" und gesteht in einem Interview: "Orchestrale Musik hat mich nie sonderlich interessiert - mich haben schon immer die einfachen, fast kindlichen Melodien am meisten angezogen." Dabei sind ihre Melodien weitaus mehr als einfach und kindlich. Sie ähneln eher einem meditativen Klangteppich, der sich offenbar auch gut für Werbung einsetzen lässt, wie ein deutsches Telekommunikationsunternehmen findet und den Song "Just So" einkauft. Obel ist inzwischen etwas genervt, damit immer wieder in Zusammenhang gebracht zu werden, ihrer Karriere hat es wohl kaum geschadet. Weltweit ausverkaufte Konzerte, ein zweites erfolgreiches Album (Aventine von 2013) und nun, drei Jahre später "Citizen of glass" (als Konsequenz der elektronischen Überwachung, der gläsernen Bürgerin, hat Obel – wie so viele - ihre Smartphone-Kamera überklebt). Ein Album mit dem Anspruch, fast ohne Schlaginstrumente auszukommen, dafür aber mit dem ungewöhnlichen Trautonium – einem Vorläufer des heutigen Synthesizers. Ergänzt durch Cello, Violine und Chor gleiten die Songs scheinbar ineinander über, tanzen zwischen Leichtigkeit und Schwere und tragen die HörerIn auf sphärischen Ebenen weit hinaus in den Himmel…

Beim genauen Hinhören ist es aber weitaus mehr als Klangteppich und ineinander verwobene Melodien. Jeder Song hat seinen ganz eigenen Cantus, seine ganz eigene Raffinesse. Gleich auf dem Opener "Stretch your eyes" scheint sich Agnes Obel ein vokales Duell mit den Streichern zu liefern. Musikalische Tupfer, gezupft, gestrichen bilden den Gegenpart zu ihrer fragilen Stimme. Bei "Familiar", wohl einem der schönsten Songs des Albums, lässt sie sich von einer männlichen Gegenstimme begleiten, auffangen, tragen (hier lohnt sich auch der Blick in das offizielle Musikvideo!) und es entsteht dadurch ein wunderschönes Duett, das wirklich traumhaft ist. "Golden green" geht für Obel´sche Verhältnisse sogar recht flott an den Start, aber natürlich bietet sich auch dieser Song nicht für eine Tanzeinlage an. Obels Musik ist für die Zweisamkeit bestimmt, für das Schwelgen in Erinnerungen oder um vom stressigen Alltag abzuschalten.

Wie sich diese leisen Töne mit einem live-Konzert vereinbaren lassen, macht neugierig. Überzeugen kann frau/man sich davon am 14. November 2016 im Berliner Admiralspalast und einen Tag später in der Münchener Theaterfabrik.

AVIVA-Tipp: Agnes Obel führt fort, was sie auf ihren ersten beiden Alben bereits initialisiert hat: melancholische Songs, die auf unbestimmte Art an Enya erinnern. Perfekte Herbstmusik, die sich mit fallendem Laub, frühem Dunkelwerden und in kuscheliger Decke eingehüllt harmonisch ergänzt.

Agnes Obel
Citizen of glass

Label: Play It Again Sam (rough trade)
VÖ: Oktober 2016

Agnes Obel im Netz: www.agnesobel.com

Weiterhören auf AVIVA-Berlin:

Aventine
Agnes Obel hat die Hürde des zweiten Albums mit Leichtigkeit genommen. Ihre Stimme passt sich den fein arrangierten Songs an, als sei sie ein weiteres Instrument. Atmosphärisch und berührend schaffen die Songs einen schnellen Zugang in Obels Welt. Ein Album, das nicht nur gespannt auf das weitere Schaffen der Künstlerin macht, sondern auch einen Einblick in die fantastischen Klangwelten ihrer Auftritte verschafft. (2013)

Philharmonics
Wer sich diesen Longplayer einmal angehört hat, kommt von Agnes Obels Musik nicht mehr los. Die Welt aus Schmachten und Sehnen, welche uns die Skandinavierin malt, ist gerade wegen ihrer bittersüßen Melancholie so entsetzlich bezaubernd. Nach diesem Debüt kann der Herbst getrost kommen – schließlich gibt eines keinen besseren Grund sich einzuschließen und in Schwermut zu baden, als richtig gute Musik. (2010)



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Beitrag vom 09.11.2016

Silvy Pommerenke