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Beitrag vom 07.09.2003
SHE-MALE TROUBLE im Interview
Marie-Louise Leinhos
SHE-MALE TROUBLE ist eine der ungewöhnlichsten Punkrock-Bands. Aus FEMALE TROUBLE entstanden, bunt zusammengewürfelt, mehrfach ausgetauscht, bringen sie nun ihr erstes Album auf den Markt.
Ihre Seele verschrieben sie eindeutig dem Punk n’ Roll. Nach Namenswechsel, diversen Umbesetzungen und der nicht immer sanften Konfrontation mit der Musikpresse überzeugen SHE-MALE TROUBLE mit ihrem neuen Album „Back From The Nitty Gritty“ nun alle ZweiflerInnen. Carol (Gesang) und Torsten (Bass) machen nicht den Eindruck, als ob sie ihre alte Band FEMALE TROUBLE verleugnen wollten. Ganz im Gegenteil, man habe „eine Menge aus den begangenen Fehlern gelernt.“ Dennoch setzen sie bei SHE-MALE TROUBLE heute ganz andere Akzente.
Für die Record-Release-Party am 13.09.2003 im SO36, zusammen mit Cellophane Suckers und Duckandcover stellen SHE-MALE TROUBLE 2 x 2 Freikarten zur Verfügung.
Hierzu ist folgende Frage zu beantworten:
Von wem stammt der Song „Venus“ im Original?
Schicken Sie die richtige Antwort bis zum 12.09.2003 an folgende E-Mail: gewinnspiel@aviva-berlin.de mit dem Betreff: SHE-MALE TROUBLE.
Viel Spaß beim Konzert!
AVIVA-Berlin: Ist es richtig, dass Ihr für die Produktion des letzten Albums drei Jahre gebraucht habt?
Torsten: Das Aufnehmen hat zwei Jahre gedauert, wir hatten zwischendrin eine Single veröffentlicht, auf der drei weitere Songs enthalten sind. Aber der Zeitraum kommt schon hin.
AVIVA-Berlin: Woran lag das? Wie oft habt Ihr in dieser Zeit die Tracklist verändert?
Torsten: Das hatte verschiedene Gründe. Wir haben sogar einen FEMALE TROUBLE Song mit auf „Back from the nitty gritty“ Album genommen. Es wurden so viele Songs geschrieben, dann verworfen und neue andere kamen hinzu. In dieser Zeit gab es auch jede Menge Umbesetzungen. Nach der EP „Burner“ stiegen der Drumer und der Gitarrist aus. Nico und Ari sind zu uns gestoßen. Wir mussten zwar nicht von Null starten, aber die neuen Einflüsse verarbeiten. Letztendlich haben vier der alten Songs den Weg auf das Album gefunden. Mit der Zeit wussten wir dann auch genauer, in welche Richtung es gehen sollte. Insgesamt schrieben wir für die Platte über 20 Songs.
AVIVA-Berlin: Wie wurde aus FEMALE TROUBLE, in der ja zu anfangs Frauen dominierten, SHEMALETROUBLE in ihrer jetzigen Besetzung?
Carol:Bei FEMALE TROUBLE haben lange drei Frauen und Torsten zusammengespielt. Die Mädels gingen nach und nach aus verschiedensten Gründen. Die eine wurde schwanger, die andere zog um, und es war eher Zufall, dass diese durch Männer ersetzt wurden. Eine geschlechtspezifische Kategorisierung der Band war nie gewollt.
Torsten: Es hat nie eine Rolle gespielt, ob eine Frau oder ein Mann bei uns in der Band spielt. Im Vordergrund stand, dass wir untereinander harmonieren und dass es vor allem auch musikalisch passt. Das hat zwar nicht immer funktioniert, aber bei FEMALE Trouble, als ich mit drei Frauen in einer Band spielte, stand immer die Freundschaft im Vordergrund. Wir waren sicherlich eine umstrittene Truppe.
AVIVA-Berlin: Inwiefern umstritten?
Torsten: Wir haben uns schon einige Gegner, u.a. auch in der Musikpresse erspielt. Gerade die meisten Journalisten waren sich einig, dass sie uns scheiße fanden.
AVIVA-Berlin: Wo seht Ihr nun die musikalischen Unterschiede von FEMALE TROUBLE zu SHE-MALE TROUBLE?
Carol: Eindeutig qualitativ. Erstmal muss man jeder Band zu gestehen, eine Entwicklung zu durchlaufen. Man lernt einfach immer mehr, im Zusammenspiel, als auch musikalisch. Bei FEMALE TROUBLE hatten wir einfach ein anderes Level als das, dass wir heute mit SHE-MALE TROUBLE erreicht haben. Uns wurden Welten eröffnet, die wir damals mit FEMALE TROUBLE nie betreten konnten, da wir zugegebenermaßen musikalisch schon vom Können her eingeschränkt waren. So hart wie es klingt, das muss man einfach mal so sagen. In der Neubesetzung schien auf einmal alles möglich, egal wie kompliziert. Bevor ich bei FEMALE TROUBLE angefangen habe zu singen, hatte ich keinerlei Banderfahrung. Wir dachten, wir könnten die Bühnen in unsere Proberäume verwandeln. Wir konnten nichts und spielten einfach drauf los. Das ist einmal witzig, ein zweites Mal lustig, aber anschließend ist es nur noch peinlich. So etwas würde ich nie wieder machen.
Torsten: Hinzu kommt auch, dass wir alle Fehler, die einer jungen Band unterlaufen können, gleich mit FEMALE TROUBLE auf den Platten gemacht haben. Mit fast jeder neuen Produktion liefen wir somit ins offene Messer. Die gesammelten negativen Erfahrungen setzen wir dann bei SHE-MALE TROUBLE positiv um. Eine Umbenennung war deswegen nötig, weil einige Leute FEMALE TROUBLE als Amazonenrock kategorisierten und wir so nicht gesehen werden wollten.
Dabei kam der Name FEMALE TROUBLE von einem John Waters Film. Spätestens, wenn Bands ihre Alben veröffentlichen und dadurch auch Kontakt zur Presse haben, ist Vorsicht geboten. Denn Presseleute, die einmal eine Band als schlecht empfanden, sind schwer zu bekehren.
AVIVA-Berlin: Wie entstehen die Songs? Zu Hause, im Proberaum oder beim Fahrradfahren?
Torsten: Die „Songsanschlepper“ sind André und ich. Über Monate basteln wir im Proberaum daran rum, bis wir mit dem Ergebnis zufrieden sind. Aber manchmal kommen auch die anderen Bandmitglieder mit neuen Ideen, Texten oder Riffs. Es gibt so gesehen keine Regeln. Auch nicht für die Dauer der Entstehung der Songs. Es wird so lange daran rumgefeilt, bis keiner mehr meckert.
AVIVA-Berlin: Habt Ihr den Albumtitel aufgrund Eurer Erfahrungen, die Ihr untereinander gemacht habt, gewählt?
Torsten: Eigentlich redet man nicht ja über Texte und Albumtitel, aber wir machen mal eine Ausnahme. Es gibt diesen Spruch „Down To The Nitty Gritty“, was soviel heißt wie „Einem Problem auf den Grund gehen“ und da wir einige Probleme bei der Entstehung des Albums hatten, sind wir sozusagen „Back FromThe Nitty Gritty“ also raus aus dem Tal der Probleme. Natürlich ist der Titel auch eine Anlehnung an alte Punkrockalben wie „Back from Samoa“.
AVIVA-Berlin: Zwar habt Ihr eine starke Anlehnung an Punkrock, distanziert euch aber von den Mainstreampunkrockbands wie Turbonegro, Gluecifer, den Backyard Babies oder den Hellacopters?
Torsten: Das ist unabsichtlich. Wir lieben Turbonegro und verehren insgesamt Scandinavian Punkrock. Vielleicht entstand der Eindruck dadurch, dass wir nicht wirklich ein Konzept für das Writing von Songs haben. Uns fallen die Ideen sozusagen vor die Füße. Natürlich hört man, dass wir Vorlieben für Rock n’Roll, Punkrock und Rock haben, aber es gibt kein wirkliches Konzept, einen Rocksong zu schreiben.
AVIVA-Berlin: Apropos Rock, ich habe gehört, dass Carol eine spezielle Vorliebe für Danko Jones hat?
Carol: Auf einem Festival in Ulm spielten wir mit ihnen. Ich hatte das aktuelle Album schon auf Platte gehört und fand es großartig. Fraglich war es für mich nur, ob man diesen monströsen Sound auch auf der Bühne nur mit Gitarre, Bass und Schlagzeug umsetzen kann. Als Danko auf die Bühne kam, und losrockte, überzeugte er mich völlig.
Torsten: Danko blieb auch mir in bester Erinnerung. Ich sah ihn per Zufall im „Wild at Heart“, da Freunde von mir bei der Vorband spielten. Ich kannte ihn nicht, und mir ging es ähnlich, er kam auf die Bühne und ich war platt. Um aber definitiv mal den Unterschied zwischen Danko Jones und uns klarzustellen, Danko ist uns im Tischfussball unterlegen, da sein Bassist diesbezüglich eine Niete ist.
AVIVA-Berlin: Wie kam es zu der gemeinsamen Tour mit den Peepshows? War das mit FEMALE oder SHE-MALE TROUBLE?
Carol: Mit SHE-MALE TROUBLE.
Torsten: Ja, wir hatten gerade unsere EP “Burner” herausgebracht. Um die Peepshows, die auch noch ganz frisch waren, ging das Gerücht um, es handle sich um Ex-Leute von Turbonegro. Ich rief sofort einen befreundeten Promoter an, der die Tour der Peepshows organisierte. Die Band war damit einverstanden, und so kam es, dass wir mit den schweißtreibenden Peepshows auf Tour gingen.
Carol: Das Tourleben gestaltete sich dann sehr lustig. Die Jungs von den Peepshows lagen dann den ganzen Tag auf dem Sofa rum und hatten dicke Lippen. Ich dachte zuerst, sie seien jeden Abend erneut in eine Schlägerei verwickelt, bis ich dann sah, dass sie sich immer etwas darunter schoben, was sehr merkwürdig aussah.
AVIVA-Berlin: Eine europaweite Tour ist geplant. Ihr seid also kurz vor dem internationalen Durchbruch?
Torsten: Na ja. Warten wir es ab.
Carol: Meist spielen wir ja mit befreundeten Bands, z.B. mit Dover und die ziehen sicherlich auch international ein paar Leute mehr an.
AVIVA-Berlin: Das Album ist ja nun auch schon ein paar Wochen draußen, wie ist die Resonanz darauf?
Torsten:Die Resonanz ist bis auf ein paar wenige Ausnahmen super.
Carol: Die Vorbehalte von Seiten der Musikpresse gegenüber FEMALE TROUBLE wirken sich immer noch auf die Bewertung des Albums von SHE-MALE TROUBLE aus. Ich finde es etwas schade, dass hier nicht stärker differenziert wird.
Torsten: Ja, das ist tatsächlich kurios, zumal all diese Leute schon die EP „Burner“ auf dem Tisch hatten, die eine mördergute Presse bekommen hat. Aber wir beklagen uns nicht wirklich.
AVIVA-Berlin: Ist auch ein Video in Planung?
Torsten: Leider spielen in dieser Entscheidung mehrere Faktoren eine große Rolle. Von dem Geld, daß wir für einen Videodreh ausgeben müssten, könnten wir ein halbes Album finanzieren. Die nächste Frage wäre, wer würde es überhaupt senden. Aber wenn ich entscheiden müsste, wurde ich zu „Ugly“ gerne ein Video drehen.
Carol: Wir müssten auf jeden Fall Leute dazuziehen, die davon Ahnung haben.
Torsten: Ich denke nicht, dass wir VIVA- oder MTV-tauglich sind. Vielleicht würden wir es um der Erfahrung willen tun, wenn wir die Möglichkeit dazu hätten, dies auch billig zu drehen. Aber dann mit einem Song, bei dem nicht unbedingt das hitpotenzial im Vordergrund steht, sondern den wir für richtig halten.
AVIVA-Berlin: Carol, singst Du eigentlich unter der Dusche?
Torsten: Die erste Frage müsste lauten, duscht Du?
Carol:In der Badewanne singe ich manchmal, aber nicht meine eigenen Sachen.
Torsten: Meist inspiriert durch ihre Tochter.
AVIVA-Berlin: Du hast eine Tochter? Wie alt ist sie und wie findet sie die Musik von SHE-MALE TROUBLE?
Carol: Sie ist 18 und hat wenig mit Punkrock zu tun, aber mittlerweile findet sie unsere Sachen ganz gut.
Torsten: Auf der Coverversion von Venus ist sie auch zu hören.
Lesen Sie auch die AVIVA-Rezension des Albums "Back From The Nitty Gritty".