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AVIVA-BERLIN.de im Oktober 2024 - Beitrag vom 30.06.2005


Revista Do Samba - Outras Bossas
Tatjana Zilg

Samba fern der Klischees bieten die drei MusikerInnen aus Sao Paulo. Die energiesprühenden und sehr rhythmischen Songs ihres zweiten Albums begeistern sofort in der ersten Minute des Hineinhörens.




Der CD-Titel ist etwas irreführend, denn es ist ein geschicktes Wortspiel, welches nur Brazil-InsiderInnen sofort verstehen werden. "Outras Bossa" ist keine Anlehnung an die jazzige Konkurrenz, dem Bossa Nova, sondern eine Reminzenz an die Historie des Samba. 1932 dichtete der Poet Noel Rosa, geschätzt für seine brillante Beobachtungsgabe und sozialkritische Schärfe, die Zeile: "Der Samba, leere Taschen und ´andre Beulen´ (outras bossas), das sind unsere Spezialitäten." Während seines Medizinstudiums hatte Rosa erfahren, dass zu früheren Zeiten eine gewisse beulenartige Stelle am Schädelknochen, die auf portugiesisch mit "bossa" bezeichnet wird, für das künstlerische Talent einer Person verantwortlich gemacht wurde. Mit seiner berühmten Zeile verursachte Rosa, dass fortan das Wörtchen "bossa" auf die Launen kreativer MusikerInnen angewandt wurde, wenn diese mit unorthodoxen Sing- und Spielweisen sowie genialen neuen Eingebungen auffielen.

Die Spezialität von Revista do Samba ist es, Samba als Musikstil zu präsentieren, der auf lebendige Weise alle Facetten brasilianischer Zeitgeschichte widerspiegelt. Das Spektrum der dreizehn Titel umfasst acht Jahrzehnte. "Filosofia" ist ein Titel, der 1933 von Noel Rosa geschrieben wurde. Zwischen den Zeilen finden sich Sticheleien gegen die Obrigkeit, die durch den fröhlichen Rhythmus entschärft werden. Noch ein wenig betagter ist "Tico-Tico no fubá" von 1917. Der rasante Beat des im Sprechgesang vorgetragenen Titels gilt als wegzeigender Vorläufer des Samba. Eine moderne Auseinandersetzung mit dem weltweit beliebten Musikstil ist "Samba dos Animais" von Jorge Mautner, in dem das Szenario einer Arche Noah beschrieben wird, wo Tiere und Menschen sich unterhalten können. Eine Eigenkomposition von Leticia Coura ist "A Chuva". Zu einem funkig angehauchten Soundtrack aus Ukele, Posaune und Perkussion beklagt sie sich in tragikomischer Weise über den Verlust von Identität und materiellen Gütern.

Das Trio setzt sich zusammen aus der charismatischen Sängerin Leticia Coura, dem Gitarristen und Komponisten Beto Bianchi und dem Perkussionisten Vitor da Trindade.
Sie alle sind künstlerisch sehr aktiv. Leticia Coura ist seit 15 Jahren als Musikerin, Schauspielerin und Komponistin an den unterschiedlichsten Projekten beteiligt gewesen. Beto Bianchi arbeitet in seiner Heimat und in Europa als Bühnenmusiker und Produzent für Ambient- und Multimedia-Projekte. Einen starken spirituellen Hintergrund hat Vitor Da Trinidade durch seine Einweihung in die Candomblé-Religion Brasiliens, die durch ihre farbige Götterwelt und den energiegeladenen Tänzen inzwischen auch in Europa bekannt ist. Der studierte Musikpädagoge lehrt heute auf vielen Festivals und in Workshops afro-brasilianischen Tanz und Perkussion.

AVIVA-Tipp: Jenseits vom kitschigen Strandurlaub-Feeling und aufgezwungener Fröhlichkeit ist das Album ein Muss für alle Fans brasilianischer Musik und empfehlenswert für jede/n, die/der ihr CD-Regal mit einem variationsreichen Mix aus den interessantesten Perlen der Sambawelt bereichern möchte.



Revista Do Samba - Outras Bossas

Label: Traumton Records. VÖ 20.06.2005
ISBN/EAN: 705304586624
19,99 Euro005112425808




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Beitrag vom 30.06.2005

AVIVA-Redaktion