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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 20.12.2005


Regy Clasen im Interview
Maren Westensee

Die Singersongwriterin aus Hamburg ist bekannt für deutsche, poetische Texte mit viel Gefühl. Ihre melodische Musik reicht von Pop über Soul zu chansonähnlichen Klängen. Wer sie einmal gehört hat,...




...weiß, wie viel Persönliches in ihr liegt. Regy Clasen stammt aus einer musikalischen Familie. Bereits als Kind trat sie auf Straßenfesten auf. 5 Jahre lang war Regy mit der A-capella-Band Five Live unterwegs. Außerdem sang die Hamburgerin im Background der Band Cultured Pearls und brachte zwei Alben heraus: 2000 das Debut "so nah", 2004 den Nachfolger "Wie tief ist das Wasser". Wir haben Regy nach ihrem Werdegang und ihren zukünftigen Plänen befragt.

AVIVA-Berlin: Dein Vorname ist ja eher ungewöhnlich. Wo kommt er eigentlich her?
Regy Clasen: Das ist mein Spitzname, den habe ich schon seit über 17 Jahren. Als Teenager war ich per Schüleraustausch in England, und dort haben sie mich Regy genannt, weil sie meinen richtigen Namen Regine nicht aussprechen konnten. Ich fand den Spitznamen toll und hab ihn mit nach Hause gebracht und behalten. Das ist jetzt kein Künstlername, sondern mein richtiger Name. Regine nennt mich heute kein Mensch mehr.

AVIVA-Berlin: In Deiner Kindheit hatte Deine Familie eine Art Hausband, und ihr habt zusammen musiziert. Was war das für Musik? Musiziert ihr noch zusammen?
Regy Clasen: Wir haben früher auf Straßenfesten zusammen gespielt, zu Hause, oder auf Geburtstagen. Das war fast schon Straßentheater bzw. Musiktheater mit Sketchen und Songs und einem Mix aus Jazz und Klassik. Es war aber keine feste Band, in der man probt und ein Repertoire hat. Wir haben ab und zu aus Spaß gespielt, wenn sich das ergeben hat. Eine Familiencombo gibt es nicht.
Mein Bruder spielt aber mit in der Band, und das ist auch total schön, weil es uns wieder sehr nahe gebracht hat. Meine Schwester Susanna Clasen ist auch eine ganz tolle Sängerin.

AVIVA-Berlin: Am 02.12.2005 erschien die CD "Hildegard Knef - Ihre Lieder sind anders", für die du dir das Lied "frag nicht, warum ich gehe" ausgesucht hast. Warum gerade dieses Lied?
Regy Clasen: Weil ich das schon kenne, seitdem ich ganz klein war. Meine Schwester Susanna war schon immer ein großer Hildegard Knef-Fan. Als Kinder haben wir die Platte mit dem Lied oft gehört. Es ist sehr kurz und sehr traurig, und hat mich immer total berührt, obwohl ich als Kind keine Ahnung hatte von Herzeleid und Liebeswehen.

AVIVA-Berlin: Wie kam es zu der Vertonung einiger Gedichtzeilen von Else Lasker-Schüler für die CD "ich träume so leise von dir". Hattest du da auch so viel Freiheit bei der Wahl des Liedes?
Regy Clasen: Ja, ziemlich. Ich habe 13 zur Auswahl bekommen und wurde gefragt, welche mir denn am besten gefallen. Dann habe ich sogar zwei der Songs eingesungen, "heimlich zur Nacht" und "Frühling". Ich fand beide sehr schön, aber "heimlich zur Nacht" paßte doch am besten, das wurde dann genommen.

AVIVA-Berlin: Liest du privat auch gerne Gedichte, oder hast du Lieblingsgedichte?
Regy Clasen: Eigentlich lese ich gar keine Gedichte. Früher habe ich ab und zu welche gelesen. Rilke mag ich sehr gerne. Was mich in der Schule mal sehr berührt hat, war "die Todesfuge" von Paul Celan. Während des Vorlesens musste ich weinen.
Irgendwie komme ich nicht auf den Gedanken, Gedichte zu lesen. Ich lese dann lieber Geschichten, die mich fesseln. Aber ich lege schon viel Wert auf Sprache. Wenn bei einem Buch nur die Story gut, es aber sonst schlecht geschrieben ist, bleib ich nicht lange dabei.

AVIVA-Berlin: Hast du selber auch schon Gedichte geschrieben?
Regy Clasen: Im Grunde habe ich damit als Teenager angefangen, bevor ich Songs geschrieben habe. Ich würde mich aber nicht trauen, die noch mal raus zu kramen. Die waren bestimmt richtig schlecht und ziemlich schwülstig, über die erste Liebe und so, als man dachte, man weiß alles über das Leben und die Liebe.

AVIVA-Berlin: Du hast das Musik-Kinderbuch "Die Geschichte vom Liederwald" aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt. Arbeitest du öfters als Übersetzerin? Hast du noch andere Jobs neben der Musik?
Regy Clasen: Ich habe immer schon davon geträumt, Übersetzerin zu sein, weil mir die englische Sprache so nahe steht. Ein Freund von mir hat dieses Kinderbuch geschrieben, das eine Geigenschule mit 24 witzigen kleinen Songs enthält. Er brauchte jemanden, der die übersetzt, und hat an mich gedacht. Es ist wirklich eine knifflige Aufgabe, den Inhalt so rüberzubringen, dass sich das Lied auch schön singen läßt, dass es sich auch noch reimt und in 8 Zeilen passt. Das ist viel schwieriger, als einen bloßen Text zu übersetzen, da der Rahmen sehr eng ist. Es hat aber tierisch Spaß gemacht. Es war wie ein Puzzle, für das ich die einzige mögliche Form finden muß. Meine kleinen Songtextchen haben ihm so gut gefallen, dass ich die ganze Geschichte übersetzen sollte. Das Buch kommt übrigens 2006 raus.

AVIVA-Berlin: Wie kommst du auf die Ideen für deine Songs? Sind erst die Texte da, oder die Melodie?
Regy Clasen: Beides zusammen. Es ist immer erst eine Kernidee, eine Textzeile oder auch zwei oder drei, und eine Art Fluß in den Sätzen, der eine Melodie schon fast beinhaltet. Dann spinne ich das Lied um diesen Kern herum und suche die Akkorde dazu, die auch schon irgendwo im Hinterkopf sind und nur ausgebuddelt werden müssen.

AVIVA-Berlin: Singst du in Deinen Songs von persönlichen Erfahrungen, oder sind es ausgedachte Geschichten?
Regy Clasen: Das sind alles selbst erlebte Dinge, sehr autobiografisch.

AVIVA-Berlin: Da bist du ja ganz schön mutig, wenn du so viel von Dir zeigst.
Regy Clasen: Das sagen einige Leute, dass das mutig sei, ich finde das gar nicht. Die Frage hat sich mir nie gestellt. Ich tue das einfach und merke auch, dass die Leute darauf gut reagieren. Dadurch entsteht eine besondere Atmosphäre auf meinen Konzerten. Die Menschen öffnen sich dann auch und weinen. Sie erkennen sich wieder und empfinden es als tröstend oder als animierend, wenn jemand sich so zeigt und sein Innerstes nach Außen kehrt. Ja, das ist sehr persönlich, aber ich habe gute Erfahrungen damit gemacht. Daher ist mir das auch in keinster Weise peinlich.

AVIVA-Berlin: Ein Lied auf deiner neuen CD heißt "Fischer, Fischer, wie tief ist das Wasser". Es gibt ja auch so ein Kinderspiel. Kennst du das noch von früher?
Regy Clasen: Ja, das haben wir auch gespielt, daher hab ich das auch entlehnt.

AVIVA-Berlin: Wie bist du auf die Idee gekommen, aus einem alten Kinderspiel ein Lied zu machen?
Regy Clasen: Das war eher umgekehrt. Ich hatte das Gefühl, an einer Klippe zu stehen, das Gefühl, hier geht es so nicht weiter, hier muß ich jetzt ins Ungewisse schwimmen, muß an ein anderes Ufer kommen. Das Bild hat sich in mir breit gemacht, und ich dachte, wie tief ist das Wasser, wie kommt man da rüber, und es klingelte. Das Spiel selbst kennen aber gar nicht so viele Leute. Wir haben es viel auf der Straße gespielt, als ich klein war.

AVIVA-Berlin: Hast du ein persönliches Lieblingslied deiner Songs?
Regy Clasen: Das ändert sich oft. Aber es gibt schon so ein paar, die besonders Spaß machen zu singen: "ich fahr zu dir", "kann ich bleiben (heute nacht)" natürlich, "Fischer, Fischer" ist ein Lieblingslied, aber eigentlich ist das echt schwer zu sagen.

AVIVA-Berlin: Wie ist das, wenn du deine Lieder hörst, wie fühlt sich das an? Legst du deine Lieder auch zu Hause auf?
Regy Clasen: Wenn ich meine Musik jemandem vorspiele, dann find ich das immer schön. Auch wenn sie irgendwo läuft, oder wenn Freunde mal aus Spaß meine CD einlegen, dann ist es mir nicht unangenehm. Ich lege sie aber nicht zu Hause auf, dazu kenne ich sie zu gut. Ich glaube, kein Künstler hört seine Musik privat, das würde mich jetzt eher wundern. Ich habe ja die Chance, die Lieder jedes Mal neu zu erfinden, wenn ich live singe. Da folge ich eher meinen Gefühlen, als darüber nachzusinnen.

AVIVA-Berlin: In "Die Stadt gehört dir" singst du davon, wie eine Person für dich mit einer Stadt untrennbar verbunden ist. Wie geht dir das eigentlich mit deiner Heimatstadt Hamburg, fühlst du dich da auch total zu Hause?
Regy Clasen: Ich habe mir mein Leben lang die Frage gestellt, wo ist mein Zuhause, deswegen hab ich auch ein Lied darüber geschrieben. Mich ganz zu Hause zu fühlen, ist was, das mir nicht leicht fällt, aber jetzt ist Hamburg schon meine Heimat.

AVIVA-Berlin: Und hast du in Hamburg Lieblingsorte, an denen du dich gerne aufhältst?
Regy Clasen: Ich bin sehr gerne am Hafen. Das Wasser, die Schiffe, die große weite Welt, das ist mir schon sehr wichtig.

AVIVA-Berlin: Du hast den Kontaktstudiengang Popularmusik belegt. Was würdest du jungen Mädchen raten, die auch Musikerin werden wollen?
Regy Clasen: Der Kontaktstudiengang Popularmusik ist eigentlich eher ein ausgedehnter Workshop, er dauert nur circa 2 mal 3 Wochen. Was würde ich raten? Prüf dich, ob du das wirklich willst, weil es sehr schwer ist. Wenn man es nicht 150%ig will, kann man es im Grunde gleich lassen. Es ist ein echter Kampf. Vielleicht ist es in anderen selbständigen Berufen auch so, aber ich glaube nicht. Man muß es ganz stark wollen, sonst kommt man immer wieder an einen Punkt, an dem man doch aufgibt, und das wäre schade. Und ich würde sagen, viel ausprobieren. Viele verschiedene Musikstile ausprobieren, kleine Gruppen oder Bands haben, Erfahrung sammeln, die Stimme ausprobieren, was liegt der Stimme, und wo fühle ich mich wohl? So kann man dann den eigenen Stil auch entwickeln, indem man Stile einsammelt und seinen Mix findet. Und auch ruhig viel imitieren, immer schön mitsingen zu Hause und sich stimmlich ein bisschen was aneignen.

AVIVA-Berlin: Und was hältst du von Musikunterricht?
Regy Clasen: Das ist wichtig. Es gibt wenige Leute, die ganz ohne Unterricht klarkommen. Ich meine damit gar nicht das Talent, sondern dass die SängerInnen die Stimme richtig benutzen. Sonst kann man sie nämlich ganz leicht kaputt machen. Das ist ein ganz feiner Muskel, der aufgewärmt werden muß. Beim Sport ist es ja auch so. Es ist wichtig, dass man aus dem Bauch heraus singt und nicht in der Kehle irgendwas versucht zu machen, was Schaden anrichtet. Zu Unterricht würde ich auf jeden Fall raten.

AVIVA-Berlin: Was sind deine Träume und Wünsche für die Zukunft?
Regy Clasen: Es wäre schön, wenn ich noch mehr Leute erreichen könnte. Ich glaube, es gibt einige, die meine Musik gerne hören würden.

Mehr zum Album "Wie tief ist das Wasser" und zu der Vertonung einiger Gedichtzeilen von Else Lasker-Schüler "Ich träume so leise von dir".

Mehr Informationen zu Regy Clasen auf: www.regyclasen.de




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Beitrag vom 20.12.2005

AVIVA-Redaktion