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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 21.07.2003


music was my first love
Hilde Meier

Ulrike Haage, Ex-Rainbird-Musikerin, Komponistin, Hörspiel-Produzentin und Freizeit-Köchin, verrät AVIVA-Berlin in einem Gespräch, dass sich bei ihr fast alles um Musik dreht...




AVIVA-Berlin: Deine Hör-CD "ding fest machen" mit Texten von Louise Bourgeois ist gerade auf den Markt gekommen, woran arbeitest Du jetzt als Nächstes?
Ulrike Haage: Jetzt im Moment konzentriere ich mich sehr auf meine eigenen Instrumental-Kompositionen, denn ich plane schon seit langer Zeit, eine CD rauszubringen nur mit Instrumental-Kompositionen, ohne Stimme.
Dann bereite ich einen Workshop in Kabul vor. Das hat mit meiner Arbeit davor zu tun, über Afghanistan, über die Frauen und Künstlerinnen. Katharina Franck und ich haben diese Produktion zweimal live aufgeführt und darauf hin hat uns das Goethe-Institut nach Kabul eingeladen. Allerdings fahre ich nicht mit Katharina Franck hin, weil im Moment dort die Situation ja wieder so ist, dass Frauen der Gesang verboten ist und es deswegen zu riskant wäre.

AVIVA-Berlin: In "ding fest machen", Deiner letzte Arbeit beschäftigtst Du dich mit Louise Bourgeois. Wie war die Zusammenarbeit mit ihr?
Ulrike Haage: Ich habe ja nicht mit ihr direkt zusammengearbeitet, aber ich habe mich quasi mit ihren gesammelten schriftlichen Werken beschäftigt. Ich fand, dass ich genug durch ihre eigenen Worte über sie selber erfahren habe und wollte diese Worte ungeschnitten stehen lassen.
Ursprünglich hatte ich schon vor, nach New York zu fahren, aber ich wusste, dass Frau Bourgeois, sie ist 92, auf ihren Sonntagsmatinées kaum noch auftaucht.
Auf der anderen Seite war das als unabhängiges, eigenständiges Werk geplant, in dem ich sie als Schreibende, ihre geschriebenen Worte, in einem anderen Licht erscheinen lassen wollte, mit Musik und Geräuschen verschnitten, mit den Sounds ihrer eigenen Skulpturen aus Metall, Holz, Draht. Über den Verlag bekam ich die Genehmigung zu dieser Produktion.

AVIVA-Berlin: War das Deine Idee?
Ulrike Haage: Nein, die Idee stammt von Barbara Schäfer vom Bayrischen Rundfunk. Aber ich bin schon lange ein Fan von Louise Bourgeois. Durch die Beschäftigung mit ihrem Werk bin ich auf eine Person gestoßen, die Fragen aufwirft, die Situationen diskutiert, die sich selbst diskutiert, die über ihr Leben unerbittlich offen spricht und sich dabei auch sehr viel Humor zu eigen gemacht hat, was in meinen Augen für ganz viele Menschen einfach interessant ist zu hören.
Vor allem auch für Frauen, weil sie einfach über Thematiken spricht, die ganz viel mit Frauen zu tun haben und sicherlich bei vielen ähnliche Gedanken hervorrufen.

AVIVA-Berlin: Würdest Du Dich als Feministin bezeichnen?
Ulrike Haage: Ich hab mich, glaube ich, noch nie als irgendwas bezeichnet. Ich habe mich noch nie einer Bewegung zugehörig gefühlt. Ich kann auch mit diesem Begriff nicht so viel anfangen, denn er gehört eigentlich einer Generation vor mir.
Und ich kann nur sagen, dass ich das Werk von vielen Frauen, die einfach viel für Frauen tun, gut finde und unterstütze. Ich betrachte mich insgesamt eigentlich als Künstlerin, aber natürlich bewegt es mich mehr, was interessante Frauen machen.

AVIVA-Berlin: Wie bist Du denn zur Musik gekommen? Frauen-Bigband, Ex-Rainbirds-Mitglied, Komponistin, woher kommt die Leidenschaft für Musik?
Ulrike Haage: Die Leidenschaft ist mir sozusagen in die Wiege gelegt worden, weil meine Eltern beide totale Jazzfans sind und immer waren. So bin ich quasi mit Jazz aufgewachsen. Mir wird auch immer wieder erzählt, dass ich mit Fats Waller laufen und mit Art Tatum sprechen gelernt habe. Relativ schnell wollte ich eine eigene Gitarre haben und als uns dann ein altes Klavier ins Haus flog habe ich selber entschieden, dass ich Unterricht haben will.
Ich habe bald darauf die erste Frauen-Bigband von Deutschland mitbegründet. Dann kam das Angebot der Rainbirds, bei ihnen einzusteigen. Es hat mir damals sehr viel Spaß gemacht, vom Jazz in die Pop-Musik zu wechseln.

AVIVA-Berlin: In welchem Konzert warst Du zuletzt?
Ulrike Haage: (lacht) Ich wollte eigentlich zu Björk gehen, aber ich hatte dann einen kleinen Animationsfilm-Auftrag und konnte nicht hingehen. Sonst würde ich sagen, da war ich als letztes.

AVIVA-Berlin: Ulrike, Du bist Musikerin, - spielst in einer Bigband, arbeitest im Studio, bist Musiktherapeutin und stehst auf der Bühne. Was ist dir denn das Liebste dabei?
Ulrike Haage: Auf der Bühne stehe ich sehr sehr gerne. Ich spiele einfach super gerne Klavier und liebe die Zuammenarbeit mit anderen. Auf der Bühne entlädt sich alles und man merkt, man führt die Stücke für Menschen auf, und die Menschen reagieren wieder und dann fängt es für mich an, richtig zu leben.
Aber die Arbeit an Manuskripten, selber zu schreiben und Texte zusammen zu stellen, macht mir auch großen Spaß. Ich habe letzten Jahr vom WDR die Möglichkeit bekommen, ein eigenes Manuskript zum Thema Afghanistan, Frauen, Künstlerinnen, Stimmen von Frauen, Schriftstellerinnen zu erstellen und da habe ich zum ersten Mal selber so ein ganz komplexes Manuskript entworfen.

AVIVA-Berlin: Bei den vielen Beschäftigungen, wie viel Zeit bleibt für´s Privatleben?
Ulrike Haage: Ach, ja Privatleben, doch, da bleibt auch schon noch Zeit, zumal ich jetzt auch ab und zu auch Leihkinder im Haus habe, neulich habe ich mich mit einer anderen Frau darüber unterhalten, wie es ist, wenn man plötzlich Leihkinder hat.

AVIVA-Berlin:...was sind denn Leihkinder?
Ulrike Haage: Leihkinder sind einfach Kinder des anderen Partners. Nicht die eigenen, aber Kinder, die dann plötzlich im Haus sind. Ich lerne gerade, dafür auch die gleiche Zeit zu haben, wie für die Arbeit.

AVIVA-Berlin: Und das sind mehrere Kinder?
Ulrike Haage: (lacht) Ja, das sind drei, aber sie sind nicht immer alle gleichzeitig da, denn sie leben zum Teil in Frankreich.

AVIVA-Berlin: Privatleben, Freizeit, kochst du gerne?
Ulrike Haage: Ob ich gerne koche, Ja!!! Sehr gerne. Ja!! Das ist eine ganz tolle Frage, weil Kochen für mich absolute Meditation ist. Wenn ich komponiere oder in einer Produktion bin, und ich schließe was aber, oder ich mache eine Pause, dann mache ich meistens herrliche Sachen in der Küche.

AVIVA-Berlin: Hast Du eine Lieblingsrichtung, oder was kochst Du gerne, und was machst Du gut?
Ulrike Haage: Ich mag indisch, japanisch und italienisch. So italienisch-deutsch.
Ich kann auch wunderbar mit Bohnen umgehen, mein weißer Bohnensalat ist sehr berühmt und berüchtigt unter meinen Freunden, das ist ein sogenannter Kraftsalat, auch sehr gut für Frauen, aus weißen Bohnen, die die Nacht über eingelegt werden, am nächsten Tag wird das dann gekocht mit etwas Salz und Zwiebeln, dann kommen getrocknete Tomaten und Kresse dazu und ein bisschen Öl. Das schmeckt sehr gut.

AVIVA-Berlin: Du hast dich mit Burroughs und Bourgois beschäftigt, mit Menschen, die "besessen" sind, extrem leben und auf extreme Art Lebenserfahrungen sammeln. Was reizt Dich da?
Ulrike Haage: Vielleicht ergänze ich mich einfach gut mit denen. Ich bin jemand, der gar keine Drogen nimmt, weil ich die auch nicht vertragen würde. Ich mag obsessive Künstler.
Louise Bourgeois m u s s sich eigentlich ihr Leben lang ausdrücken. Sie i s t ihr Werk sozusagen. Bei mir selber ist es im Prinzip auch so. Ich b i n auch meine Arbeit. Und Burroughs sagt, wer sich wirklich traut, Künstler zu sein, der folgt diesem Drang, ohne zu wissen, warum. Ich kenne das auch sehr gut, es gibt einfach bestimmte Stimmungen, in denen muss ich das und das tun, das und das spielen, oder schreiben. Für mich ist es als Musikerin immer wichtig gewesen in Verbindung zu stehen mit Menschen, die Worte kreieren, denn ich bin ein großer Fan von Worten.

AVIVA-Berlin: Was ist Dein Fernziel, die Ergebnisse der letzten Zeit liegen ja vor uns?
Ulrike Haage: Durch meine neue Managerin Julia Snyder entdecke ich gerade meine Liebe für den Animationsfilm, ich glaube, die Musik für einen längeren Kino-Animationsfilm zu schreiben würde mir auch gut gefallen.

AVIVA-Berlin: Nur die Musik schreiben, oder auch als Schauspielerin, Drehbuchautorin und Produzentin arbeiten?
Ulrike Haage: Naja, aufgrund meiner Hörspielproduktions-Erfahrungen fällt es mir schwer, mich zurückzuhalten, aber Schauspielerin möchte ich nicht werden. Aber mit einem guten Team...

AVIVA-Berlin: Bist Du denn eine gute Teamworkerin?
Ulrike Haage: Ja, ich arbeite gerne im Team, aber ich übernehme auch gerne Verantwortung. Bei Thea Dorn mit bombsongs zum Beispiel war das so, das ich quasi die ganze Verantwortung für die Realisation hatte. Das hat mir schon großen Spaß gemacht, und wenn dann noch genügend Geld da ist um alle gerecht zu bezahlen, dass ist dann eine schöne Sache.

AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Gespräch, Ulrike Haage.

Hier geht´s zur AVIVA-Rezension der CD.

NEWSDie Pianistin und Komponistin Ulrike Haage erhält den Albert Mangelsdorff-Preis (Deutscher Jazzpreis) 2003.
Verleihung am 8. November 2003 im Rahmen des JazzFest Berlin. Die Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ) überreicht den von der GEMA-Stiftung mit 10.000 EUR ausgestatteten Jazzpreis an die Pianistin, Elektronikerin und Komponistin Ulrike Haage.
Ulrike Haage gilt als Grenzgängerin. Ihre musikalischen Aktivitäten bewegen sich in übergreifenden Bereichen der Musik und bilden ein breites Spektrum musikalischer Entwicklungen und Experimente. Sie entwickelte einen eigenen Stil, Poesie und Musik zu einer Sprache zu vereinen und zählt mit ihren vielschichtigen und sensiblen Klanggebilden zu einer der wichtigsten Elektronikerinnen der deutschen Musikszene.

Die Union Deutscher Jazzmusiker und die GEMA-Stiftung ehren in zweijährigem Turnus eine herausragende und epocheprägende Jazzpersönlichkeit. Ulrike Haage ist die sechste Preisträgerin nach Wolfgang Schlüter (2001), Heinz Sauer (1999), Ernst-Ludwig Petrowsky (1997), Peter Kowald (1996) und Alexander von Schlippenbach (1994).

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Titel des Buches:
"Louise Bourgeois. Destruction of the Father. Reconstruction of the Father. Schriften und Interviews von 1923 - 2000".

2001 erschien in deutscher Sprache der Sammelband, Ammon Verlag, Schweiz


Ulrike Haage
ding fest machen

nach Aufzeichnungen von Louise Bourgeois
CD mit Boklet
SprecherInnen: Monika Bleibtreu, Judith Engel, Benedict Savoy und Martin Wuttke
ISBN 3-88030-041-0
Sans Soleil Berlin, 2003
€ 17,50
www.sanssoleil.de200759807688"


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Beitrag vom 21.07.2003

AVIVA-Redaktion