Kindergeburtstag bei der NPD-Familie. Amadeu Antonio Stiftung fordert weitere Schritte - Kita-Erlass kann nur der Anfang sein - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Public Affairs



AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 12.08.2010


Kindergeburtstag bei der NPD-Familie. Amadeu Antonio Stiftung fordert weitere Schritte - Kita-Erlass kann nur der Anfang sein
AVIVA-Redaktion

Um zu verhindern, dass rechtsextreme BewerberInnen sich in Positionen innerhalb der Jugendhilfe etablieren, hat das Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommerns die "Gewähr für eine den Zielen ...




... des Grundgesetzes förderliche Arbeit bei der Erlaubniserteilung für den Betrieb von Kindertageseinrichtungen", kurz "Kita-Erlass" genannt, verabschiedet.

Der Kita-Erlass zur Gewährung der grundgesetzlichen Wertordnung ist am 1. August 2010 in Kraft getreten. Er besagt, dass potenzielle Träger der Jugendhilfe sich in Zukunft schriftlich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen müssen. Damit sollen Neo-NationalsozialistInnen oder NPD-Mitglieder als Kita-Träger ausgeschlossen werden.

Diese erste Verabschiedung bedarf jedoch noch weiterer Schritte. "Der Kita-Erlass der Sozialministerin Schwesig in Schwerin kann nur ein erster Schritt sein", so Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung: "Es bedarf weiterer Schritte. PädagogInnen müssen geschult und unterstützt werden."

Zunehmend Kinder aus rechtsextremen Elternhäusern

"Lola für Lulu", ein Projekt der Amadeu Antonio Stiftung im Landkreis Ludwigslust, beobachtet seit zwei Jahren, dass Kita-ErzieherInnen zunehmend mit Kindern arbeiten, die in rechtsextremen Elternhäusern aufwachsen. "Die PädagogInnen sind mit Müttern konfrontiert, die langfristig versuchen, den Kita-Alltag in ihrem Sinne ideologisch zu gestalten", erklärt Sandra Pingel, Projektmitarbeiterin in Ludwigslust. Dabei gehen rechtsextreme Eltern strategisch vor. "Es gibt Eltern, die ihr rechtsextremes Gedankengut und Handeln zunächst verschleiern, um sich dann durch Tatendrang beliebt zu machen. Sie nehmen zum Beispiel die Renovierung von Spielplätzen in die Hand", so Pingel. Wenn sie einmal anerkannt sind, verlangen sie dann die Anpassung an ihre ideologische Welt – etwa Bilder von der Wand zu nehmen, die MigrantInnenkinder zeigen. Im Februar 2010 war der Fall einer privaten Kindertagesstätte in Bartow bekannt geworden: Dort hatte sich der siebenfache Vater Matthias Schubert, der zugleich NPD-Mitglied ist und in engem Kontakt zur NPD-Landtagsfraktion stand, als ehrenamtlicher Betreiber angeboten. In Ferdinandshof wollte die Frau des NPD-Landtagsabgeordneten Tino Müller in der Kita "alte Haushaltspraktiken" vermitteln.

Zum Kindergeburtstag bei der NPD-Familie

Es handelt sich hierbei nicht um ein spezifisch ostdeutsches Problem. Auch aus westlichen Bundesländern erreichen die Stiftung Anfragen. PädagogInnen müssen unter anderem Eltern beraten, deren Kinder zum Kindergeburtstag in eine NPD-Familie eingeladen werden. "Wie würden Sie mit einer Elternvertreterin umgehen, die verhindern will, dass eine Schule den Titel ´Schule ohne Rassismus´ verliehen bekommt oder die privat Backrezepte für Hakenkreuz-Kuchen online stellt?" fragt Pingel.

Weitere Schritte

Es bedarf zukünftig der Schulung weiterer Berufsgruppen: Eine wichtige Zielgruppe sind FamilienhelferInnen und Fachkräfte aus Jugendämtern, aber auch Hebammen. Wie berate ich eine Familie, wenn in deren Wohnzimmer eine Hakenkreuzfahne hängt? Was muss ich beachten, wenn ich im Jugendamt mit einer Mutter arbeite, die mit mehreren Kindern aus der rechten Szene aussteigen will? "Will man einer Mutter, die sich Sorgen macht über den Stil der Kindergärtnerin die freiheitlich demokratische Grundordnung in die Hand drücken?", fragt Kahane.
Verschiedene Berufsgruppen sind in ihrem Arbeitsalltag mit Nazi-Familien konfrontiert und müssen einen Umgang damit finden. "Sehr viel hilfreicher wäre es, die Kinderrechte zum Standard öffentlich geförderter Bildungsträger zu machen und dies auch zu begleiten", erklärt Kahane weiter.

Hier setzt "Lola für Lulu" an: Das Projekt der Amadeu Antonio Stiftung veranstaltet seit 2009 im Landkreis Ludwigslust Fortbildungen mit Kita-ErzieherInnen und GrundschulpädagogInnen. In Workshops wird Wissen über rechtsextreme Erscheinungsformen vermittelt und die Wahrnehmung der PädagogInnen geschult, darüber hinaus werden Ansätze der Demokratieerziehung vorgestellt und erprobt sowie konkrete Fallberatungen angeboten.

Weitere Informationen finden Sie unter:

Amadeu Antonio Stiftung

Lola für Lulu

"Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bei der Erlaubniserteilung für den Betrieb von Kindertageseinrichtungen. Erlass des Ministeriums für Soziales und Gesundheit"

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Lola für Lulu – Frauen für Demokratie im Landkreis Ludwigslust

Gründung der EXIT-Familienhilfe

Holger Kulick und Toralf Staud - Das Buch gegen Nazis






(Quellen: Amadeu Antonio Stiftung, Lola für Lulu, Ministerium für Soziales und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern)


Public Affairs

Beitrag vom 12.08.2010

AVIVA-Redaktion