Sally Kristen Ride ist tot. Posthumes Outing stößt Debatte um gay marriage in den USA an - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Women + Work



AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 27.07.2012


Sally Kristen Ride ist tot. Posthumes Outing stößt Debatte um gay marriage in den USA an
Katarina Wagner

Am 23. Juli 2012 ist die als erste US-Amerikanerin im All bekannte Astronautin nach 17-monatigem Kampf mit dem Krebs gestorben. Sie war und ist ein Vorbild für viele Mädchen und Frauen in ...




... der Männerdomäne Raumfahrt und Naturwissenschaft– und sie war lesbisch, wie nun ihre Familie bestätigte.

Zum Tod der Astronautin und Physikerin heißt es im Nachruf der NASA:

"In a space agency filled with trailblazers, Sally K. Ride was a pioneer of a different sort. The soft-spoken California physicist broke the gender barrier 29 years ago when she rode to orbit aboard space shuttle Challenger to become America´s first woman in space."

Sally Ride war eine der ersten sechs Frauen, die 1978 neben 29 Männern zur AstronautInnen-Ausbildung zugelassen wurde – ausgewählt aus insgesamt 8000 BewerberInnen. Fünf Jahre dauerte das Training, dann, am 18. Juni 1983, wurde Ride als erste Amerikanerin für eine Weltraummission ausgewählt. (Die erste Frau im All war die sowjetische Kosmonautin Valentina Vladimirovna Tereškova zwanzig Jahre früher) Gemeinsam mit vier Kollegen ging Sally an Bord der Challenger für eine sechstägige Mission, in der sie Experimente ausführten und zwei Satelliten stationierten.

"The thing that I´ll remember most about the flight is that it was fun. In fact, I´m sure it was the most fun I´ll ever have in my life."

© Sally Ride Science™/NASA
Sally´s astronaut training included learning how to fly an airplane and even flying in T-38 jets.


Bis 1987 blieb die Pionierin bei der NASA, flog noch ein Mal ins All, war Mitglied der Untersuchungskommission zur tragischen Explosion der Challenger im Jahr 1986, arbeitete im NASA Hauptquartier in der Strategischen Planung und schrieb den einflussreichen Bericht Leadership and American Future in Space.

Dann kehrte sie als Professorin und Direktorin des California Space Institute an die Stanford University zurück, wo sie auch ihren Abschluss in Physik gemacht hatte.

2001 gründete sie das Unternehmen Sally Ride Science, mit dem sie sich der Förderung von Mädchen und junger Frauen in der Naturwissenschaft widmete. Die Firma produziert Unterrichtsmaterialien und –programme und bietet Weiterbildungen für Lehrkräfte an. Die Ikone für Frauen in der Naturwissenschaft setzte sich zum Ziel, die Wahrnehmung von Frauen und Technik in der Gesellschaft zu verändern und wollte Kindern beibringen, dass Forschung und Technologie Spaß machen können.


Sally selbst hat an sechs Büchern für SchülerInnen mitgeschrieben: To Space and Back, Voyager, The Third Planet; The Mystery of Mars; Exploring Our Solar System; Mission Planet Earth und Mission Save the Planet.
Das erste ausgenommen, sind alle mit ihrer langjährigen Partnerin Tam O´Shaughnessy entstanden.

Die zwei Frauen lernten sich schon als Kinder kennen, als beide Tennis spielten. O´Shaughnessy nahm später an einigen Turnieren teil, darunter dreimal an den US Open und 1972 in Wimbledon. Dann studierte sie an der Georgia State University Biologie und promovierte später an der University of California Schulpsychologie. Mit Ride teilte sie ihr Interesse für Naturwissenschaften und den Anspruch, in Kindern und Jugendlichen dieselbe Leidenschaft zu wecken und zu fördern.

Auf der Website von Sally Ride Science wurde O´Shaughnessy als "her partner of 27 years" bezeichnet und das Paar nun somit öffentlich geoutet. Den Text hatten Sally und Tam zusammen verfasst. Zuvor war Sally während ihrer Zeit bei der NASA fünf Jahre lang mit ihrem Kollegen Steven Hawley verheiratet gewesen.
Sallys Schwester, Bear Ride, kommentierte gegenüber BuzzFeed:

"People did not know she had pancreatic cancer, that´s going to be a huge shock. For 17 months, nobody knew -- and everyone does now. Her memorial fund is going to be in support of pancreatic cancer. The pancreatic cancer community is going to be absolutely thrilled that there´s now this advocate that they didn´t know about. And, I hope the GLBT community feels the same. I hope it makes it easier for kids growing up gay that they know that another one of their heroes was like them."
Sie fügt hinzu, ihre Schwester: "never hid her relationship with Tam. They have been partners, business partners in Sally Ride Science, they´ve written books together ... Sally´s very close friends, of course, knew. Sally didn´t use labels. Sally had a very fundamental sense of privacy, it was just her nature, because we´re Norwegians, through and through."

Die Astronautin, Wissenschaftlerin, Autorin und Vorbildfigur Sally Ride erhielt zahlreiche Preise, darunter zweimal die NASA Space Flight Medal und den Jefferson Award for Public Service und ist in der National Women´s Hall of Fame, der California Hall of Fame, der Aviation Hall of Fame und in der Astronaut Hall of Fame vertreten.

Debatte um Stellung von Homosexuellen und gleichgeschlechtlichen Paaren in den USA bekommt ein prominentes Gesicht

Seit der Gründung der NASA im Jahr 1958 gab es dort keine offen homosexuell lebenden MitarbeiterInnen. Damit ist Sally Ride nicht nur die erste und jüngste Amerikanerin im All, sondern mit ihrem posthumen Outing offiziell auch die erste homosexuelle NASA-Astronautin.

Michael Cassutt, Autor von fünf Büchern über die Raumfahrt erklärte gegenüber space.com, dass ein Coming-Out von AstronautInnen noch bis vor Kurzem ein sicheres Karriereaus gewesen wäre. Die NASA wolle jede Ablenkung von den Missionen vermeiden und arbeite unter dem, aus dem Militär bekannten Motto Don´t ask, don´t tell.
Sprecher der Human Rights Campaign, einer Organisation, die sich für die Rechte von LGBT-Menschen (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender) einsetzt, betonten, dass es für die Öffentlichkeit wichtig sei, diesen Aspekt von Sally Rides Leben zu kennen, um zu verstehen, welche Beiträge LGBT-Menschen für die Gesellschaft leisten.
Fred Sainz, Vizepräsident bei Human Rights Campaign bemerkte gleichzeitig, dass sein Verein dafür eintrete, dass der Charakter und die Kompetenzen eines Menschen in der Gesellschaft als wichtiger angesehen werde, als die sexuelle Orientierung.
"Clearly, it was not important to her that she live someone else´s sense of who she should be. I think that´s how we should all live our lives."

Justin Sitron, Professor am Widener University Center for Human Sexuality Studies in Pennsylvania verteidigte Sallys Privatsphäre und ihren Beschluss, bis an ihr Lebensende auf ein öffentliches Coming Out zu verzichten:
"We´ve entered an era where people´s privacy is called into question. Sexuality has become standard public information. If you are gay or lesbian, the expectation is that you´re living ´out.´ And if you´re not out, than you´re not being a good representative of the gay and lesbian community. We need to rethink that. Privacy is very important, and we don´t want to lose it."

Die Offenlegung der langjährigen Beziehung von Sally mit Tam gibt dem Kampf gegen die benachteiligte Stellung gleichgeschlechtlicher Paare ein prominentes Gesicht. Zwar befand sich das Paar in der privilegierten Position, dass sie AnwältInnen bezahlen konnten, um ihre Rechte einzufordern – trotzdem mussten sie genau das immer noch tun.
Der Defence of Marriage Act, 1996 von dem damaligen Präsidenten Bill Clinton eingeführt, definiert die Ehe, mit all ihren Rechten und Privilegien, als eine Verbindung von Mann und Frau. Das hat Auswirkungen auf Versicherungen, Nachlässe, Adoptionsrechte und beeinflusst sogar das Besuchsrecht in Krankenhäusern, wenn LebenspartnerInnen nicht als Familienangehörige anerkannt werden.
Letztendlich ist es den einzelnen Staaten überlassen, in Gesetzen über die same-sex-marriage zu entscheiden. New York, Connecticut, Iowa, New Hampshire, Massachusetts, Vermont und Washington, D.C. erlauben die Eheschließung homosexueller Paare.

Barak Obama hat sich mittlerweile als erster Präsident der USA für die gay marriage ausgeprochen. Sein Konkurrent, der Republikaner Mitt Romney, ist für ein konsitutionell festgeschriebenes Verbot.


Weiterlesen unter:

Biografie der Astronautin auf sallyridescience.com

Sally Ride Pancreatic Cancer Initiative

Nachruf auf der Website der NASA

www.buzzfeed.com

www.divamag.co.uk

www.divamag.co.uk

USA Today – Former astronaut Sally Ride chose privacy over gay cause

Huffington Post – Obama backs gay marriage

Das Foto von Sally Ride wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Terry McEntee, Sally Ride Science.


Women + Work

Beitrag vom 27.07.2012

AVIVA-Redaktion