Ingrid Betancourt am 2. Juli 2008 nach über sechs Jahren befreit - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Women + Work



AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 03.07.2008


Ingrid Betancourt am 2. Juli 2008 nach über sechs Jahren befreit
Andrea Petzenhammer

Unerwartet konnten langjährige Gefangene der Guerilla "FARC" durch eine Militäraktion unverletzt gerettet werden. Unter ihnen ist die liberale, ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt





Eine euphorische Ingrid Betancourt verließ am 2. Juli 2008 nach fast sechseinhalb Jahren Gefangenschaft im Urwald einen Hubschrauber des kolumbianischen Militärs. Nach Angaben des Verteidigungsminister Juan Manuel Santos sind auch die anderen 14 Ex-Geiseln in guter Verfassung. Direkt nach ihrer filmreifen Befreiung wurde die ehemalige kolumbianische Präsidentschaftskandidatin in die Hauptstadt Bogotá geflogen, wo sie ihre Mutter Yolanda Pulecio und ihren Mann Juan Carlos Lecompte begrüßte. Beide hatten jahrelang immer wieder auf die Situation der Entführten aufmerksam gemacht.

"Dies ist ein Augenblick des Friedens für Kolumbien. Ich danke Präsident Alvaro Uribe", sagte Betancourt.

Dieser ist mit der Befreiung der prominenten Geisel am Zenit seiner Karriere. Der ehemalige Wahlkampfgegner Betancourts, der 2006 mit Manipulationsvorwürfen bei seiner Wiederwahl zu kämpfen hatte, ist mit dem Schlag gegen die RebellInnen vorerst rehabilitiert. Mithilfe finanzieller und strategischer Unterstützung der USA gelang es dem kolumbianischen Militär, die KämpferInnen zu überlisten. Nach einem Glücksfund wurden organisatorische und personenbezogene Daten vom Labtop des zweithöchsten RebellInnenführers Raúl Reyes ausgewertet. Die folgenden Militäraktionen schwächten die Organisation der Guerilla so stark, dass die BewacherInnen zusammen mit ihren Geiseln dank eines gefälschten Befehls in einen Hubschrauber gelockt und überwältigt werden konnten.

Mitten im Wahlkampf entführt

Ingrid Betancourt wurde am 23. Februar 2002 mit ihrer Wahlkampfhelferin Clara Rojas während einer Wahlkampfreise durch Kolumbien in der Nähe eines RebellInnengebietes entführt. Ziel der Guerilla war es, die Geiseln gegen inhaftierte GesinnungsgenossInnen auszutauschen. Im Februar 2003 erinnerte unter anderen die UnterstützerInnengruppe "Ingrid Betancourt" an den Ablauf des entsprechenden Ultimatums. Präsident Alvaro Uribe musste sich zu dieser Zeit vorwerfen lassen, die Freilassung der für ihn unbequemen Politikerin nicht engagiert genug zu betreiben. Nach mehreren fehlgeschlagenen Vermittlungsversuchen war Ingrid Betancourt Ende November 2007 stark abgemagert auf einer Holzbank im Urwald zu sehen gewesen. Außerdem wurde berichtet, dass sie an schweren Tropenkrankheiten litt.

Politikerin ohne Angst


Die Ermordung des liberalen kolumbianischen Präsidentschaftskandidaten Luis Carlos Galán 1989 war für Ingrid Betancourt der Auslöser, sich in ihrem Heimatland Kolumbien politisch zu engagieren. Sie kämpfte gegen die Korruption, für die Einhaltung der Menschenrechte sowie die Gleichberechtigung der Frauen und engagierte sich gegen den Krieg im Land. Das war allerdings weder im Sinne korrupter PolitikerInnen noch in dem der Mafia, daher lebte Betancourt seit ihrer Zeit als Abgeordnete mit Anschlägen und Todesdrohungen. 2002 meldete sie als Vorsitzende ihrer Partei "Partido Oxigeno Verde" (deutsch: grüner Sauerstoff) ihre Präsidentschaftskandidatur an.

"FARC" geschwächt

Innerhalb ihres Kampfes gegen die Korruption versuchte die heute 46-Jährige auch, mit der Guerillagruppe FARC zu verhandeln. Die RebellInnen finanzieren sich vor allem durch Kokain-Handel und Entführungen. Mit dem bereits vier Jahrzehnte andauernden Kampf gegen AnhängerInnen der konservativen und liberalen Parteien setzt sich die "FARC" nach eigenen Angaben für sozial benachteiligte und unterdrückte Menschen in Kolumbien ein. Ehemalige Geiseln wie der Entwicklungshelfers Ulrich Künzel beschreiben die EntführerInnen allerdings als "gewalttätige, hilf- und ahnungslose Strauchdiebe unter Führung eines psychopathischen Kommandanten". Die für ihre grausamen Kampftaktiken bekannten RebellInnen haben in den letzten Jahren aber sowohl an Waffen, als auch an RekrutInnen verloren. Weiterhin befinden sich jedoch über 700 Geiseln in der Hand der Guerilla.

Medienecho

www.spiegel.de
www.spiegel.de
www.sueddeutsche.de
www.taz.de
www.zeit.de
www.tagesschau.de

Weitere Informationen zur UnterstützerInnengruppe "Ingrid Betancourt":
Anneliese Dombrowski,
Fon: 030 79 74 07 14,
mail: A.Dombrowski@t-online.de
www.betancourt4free.de
www.betancourt.info

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Ein Jahr nach der Entführung: Mahnwache am 23. Februar 2003 von 12 bis 14 Uhr vor der kolumbianischen Botschaft.

Gründung der UnterstützerInnengruppe für Ingrid Betancourt.


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Beitrag vom 03.07.2008

AVIVA-Redaktion