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Beitrag vom 06.12.2009
Au revoir, Amélie
Sylvia Rochow
Die ehemalige Weltranglisten-Erste, Amélie Mauresmo aus Frankreich, verkündete auf einer Pressekonferenz in Paris ihren Rücktritt vom Profi-Tennis. Hommage an eine außergewöhnliche Sportlerin.
Richtig überraschend war es nicht, was am 3. Dezember 2009 im Rahmen einer eigens einberufenen Pressekonferenz in Paris geschah: Amélie Mauresmo verkündete nach mehr als 15 Jahren auf der Tennis-Tour unter Tränen ihren Rücktritt vom Profisport. Die Entscheidung habe sie nach sorgfältiger Überlegung getroffen, betonte die 30jährige, die sich nun in der "Sport for Life"-Stiftung engagieren möchte.
Die vergangenen Monate waren für die am 5. Juli 1979 in Saint-Germain-en-Laye geborene Französin nicht einfach: Verletzungen warfen sie ein ums andere Mal zurück, die nötige Matchpraxis fehlte bei jedem neuen Anlauf und es fiel der Rechtshänderin immer schwerer, den für ihr variables Serve-and-Volley-Spiel so wichtigen Rhythmus zu finden. Kein überraschender Abschied also, aber ein schmerzlicher, der in der noch einige Zeit nachwirken wird.
Vor mehr als elf Jahren, bei den German Open 1998 in Berlin, war mir Amélie Mauresmo zum ersten Mal aufgefallen. Als Qualifikantin hatte sie sich bei dem Turnier zunächst ins Hauptfeld, und anschließend sogar bis ins Finale gekämpft, wo sie jedoch der routinierten Spanierin Conchita Martinez unterlag.
Im Januar 1999 sorgte sie dann bei den Australian Open endgültig für Aufsehen in der Tennis- und Lesbenwelt. Es war nicht nur ihr erneut überraschender Finaleinzug bei diesem Grand Slam-Turnier, der die Französin schlagartig ins Rampenlicht rückte, sondern vielmehr die erfrischende Offenheit, mit der die seinerzeit 19jährige die ihr zujubelnde Frau in der Player´s Box im Interview als ihre Lebensgefährtin vorstellte. Mauresmos damalige Finalgegnerin, Martina Hingis aus der Schweiz, äußerte sich daraufhin abfällig über ihre Kollegin, etwa: "Sie lebt mit einer Frau zusammen, also ist sie ein halber Mann." In Frankreich jedoch umjubelte die Grande Nation ihren neuen Tennisstar fortan, und auch ich verfolgte ihre Karriere nun noch intensiver.
Noch im gleichen Jahr errang die Rechtshänderin in Bratislava (Slowakei) ihren ersten Turniersieg auf der WTA-Tour und spielte sich in der Weltrangliste immer weiter nach vorne. Ihren bis dahin größten Erfolg sollte sie dann 2001 ausgerechnet hier, in Berlin feiern, den Triumph bei den German Open. Mit 6:4, 2:6, 6:3 gewann sie das hart umkämpfte Endspiel gegen Jennifer Capriati (USA), ich saß auf der Tribüne und fieberte mit.
Drei Jahre später begann die Turnierwoche am Hundekehlesee beim LTTC "Rot-Weiß" für mich mit einem ungeahnten Höhepunkt: Mittlerweile als Freie Autorin beschäftigt, sollte ich Amélie Mauresmo für AVIVA-Berlin interviewen. Ich merkte schnell, dass für die in mir aufkommende Nervosität überhaupt kein Grund bestand. So wohltuend zurückhaltend und höflich, wie mir die Französin aus der Ferne erschien, erlebte ich sie auch in unserem Gespräch. Überlegte Antworten auf Fragen, die sie vermutlich schon tausend Mal zuvor gehört hatte und eine ausgestrahlte Gelassenheit machten mir meine Aufgabe leichter als zuvor gedacht. Auch das Turnier lief 2004 gut – Mauresmo gewann ihren zweiten Titel im Grunewald.
2003 hatte sie ihr Land mit zwei Einzelsiegen beim 4:1 gegen die USA zum FedCup-Titel geführt, bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen sicherte sich Amélie Mauresmo im Einzel die Silbermedaille. Am 13. September 2004 erklomm sie als erste Französin überhaupt den Tennis-Thron und wurde Weltranglisten-Erste – und damit zugleich die erste offen lesbische Profisportlerin, die eine Weltrangliste anführte. Martina Navratilova etwa stand bei ihrem Outing 1981 bereits an der Spitze der Rangliste. Wenngleich Mauresmo nie die öffentlichen Kämpfe einer Navratilova austrug, wurde auch sie für viele lesbische Mädchen und Frauen zu einem Vorbild, das ihnen durchs vorgelebte Selbstbewusstsein Mut und Kraft für den eigenen Weg gab.
2005 triumphierte Amélie Mauresmo bei den Year End Championships in Los Angeles, der inoffiziellen Tennis-WM, nach einem packenden Finale gegen ihre Landsfrau Mary Pierce. Eine für mich unvergessliche, nervenaufreibende Nacht vor dem Fernseher – ebenso wie kurze Zeit später, als bei den Australian Open 2006 der erste Grand Slam-Titel für Mauresmo folgte. Im gleichen Jahr triumphierte sie beim Rasenturnier von Wimbledon, auf dem Untergrund, der ihrem Spiel vielleicht am besten lag.
Die "andere" Amélie Mauresmo ließ sich regelmäßig insbesondere bei ihrem Heim-Grand Slam in Roland Garros beobachten. Jahr um Jahr versagten der Französin unter dem Erwartungsdruck ihrer Landsleute die Nerven. Sie kam dort nie über das Viertelfinale hinaus, und im Angesicht der Verzweiflung, die sich ein ums andere Mal in ihrem Gesicht breit machte, wollte man am liebsten vom heimischen Sofa aus helfend eingreifen. Nicht von ganz ungefähr hing der Französin bis zu ihren Grand Slam-Titeln lange der Ruf nach, in den entscheidenden Momenten allzu häufig an sich selbst zu scheitern. Hinzu kamen immer wieder Verletzungen und Blessuren, die sie im Verlauf von Turnieren handicapten oder das Antreten unmöglich machten.
Im Nachhinein wurde das Ende ihrer Karriere eigentlich schon im März 2007 eingeläutet, als sich Mauresmo einer Blinddarm-Operation unterziehen musste und nach wenigen Wochen auf den Tennisplatz zurückkehrte. Zu früh, wie sich herausstellen sollte, denn nach wenigen Matches musste die Französin einsehen, dass ihr Körper eine längere Ruhepause benötigte. Die Rückkehr in die absolute Weltspitze gelang der ehemaligen Weltranglisten-Ersten schließlich nicht mehr.
Eine verletzungsfreie Amélie Mauresmo in guter Form und mit Spielpraxis war von fast keiner Gegnerin aufzuhalten. Am Ende ihrer Karriere stehen so insgesamt 25 Turniersiege im Einzel und drei im Doppel. Ohne die mentalen und körperlichen Probleme hätten es fraglos noch einige mehr sein können. Ihren letzten Einzel-Titel gewann die Französin im Februar 2009 ausgerechnet bei den Open Gaz de France, dem Hallenturnier in Paris. Im Doppel siegte die Rechtshänderin außerdem zwei Monate später an der Seite von Svetlana Kuznetsova (Russland) in Miami.
Ihr letztes Profimatch bestritt Amélie Mauresmo im September 2009 bei den US Open, als sie in der zweiten Runde glatt 4:6, 0:6 gegen die Kanadierin Aleksandra Wozniak verlor. Ein schmerzliches Karriereende für eine große Persönlichkeit auf und neben dem Tennisplatz, der man einen glücklicheren Abschied gewünscht hätte. Au revoir, Amélie, et merci!
Weitere Infos unter: www.amelie-mauresmo.com
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