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Beitrag vom 03.03.2004
Eine junge Regisseurin feiert ihren ersten Film
Sabine Grunwald
AVIVA-Berlin im Gespräch mit Julia Dittmann über ihre Pläne, Erfolge und Projekte. "rosa – oder welche farbe hat das leben"!
AVIVA-Berlin: Sie haben Geschichtswissenschaft, Philosophie und Jura studiert, eine Schauspielausbildung gemacht und studieren seit 2001 Filmwissenschaft und Genderwissenschaft. War die Schauspielerei für Sie ein Sprungbrett zur Filmerei oder gab es eine andere Motivation?
Julia Dittmann: Die Schauspielerei war eigentlich nur Mittel zum Zweck. Seit meinem 18. Lebensjahr hatte ich mir zum Ziel gesetzt, eines Tages mein Geld als Filmregisseurin zu verdienen. Ich hatte die Biographien einiger RegisseurInnen studiert und bemerkt, dass viele von ihnen eine akademische Laufbahn hinter sich gebracht hatten, die nicht in direkter Verbindung zum Filmemachen stand. Ich dachte, der Weg zur Regie könne auch für mich über ein Studium führen. Von der Praxis war ich allerdings bald desillusioniert. Ich fühlte mich im wissenschaftlichen Korsett eingeengt und habe meine Fächerkombination an der FU Berlin auch als männerdominiert erlebt. Wenige Themen, haben mich wirklich begeistert. Mir fehlten weibliche Vorbilder. Nach meiner Zwischenprüfung bin ich ausgebrochen. Ich habe mit einer Schauspielausbildung begonnen - ich dachte, es könne dem Regieführen nicht schaden. Die Schauspielausbildung am Europäischen Theaterinstitut in Berlin hat mir ganz neue Aspekte eröffnet und mich beflügelt. In dieser Zeit habe ich viele innere Bilder gesammelt und war froh, als ich nach der Ausbildung endlich die Zeit und Energie fand, diese Bilder in meinen Film umzusetzen
AVIVA-Berlin: Stehen Sie lieber vor oder hinter der Kamera?
Julia Dittmann: Ich stehe viel lieber hinter der Kamera. Da kann ich meine Bilder und Ideen umsetzen. Als Schauspielerin mußte ich häufig Rollen spielen, die eigentlich ein sehr klischeehaftes Frauenbild repräsentieren. Ich finde es extrem schwierig, einen neuen Weg zu gehen. Die Strukturen sind meines Erachtens - besonders im Theater - viel zu festgefahren, um Raum für wirklich Neues zu eröffnen. Die meisten Regisseure sind männlich und die wenigsten von ihnen haben ihr Bild von den gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrollen hinterfragt. "Sex sells". Am besten eignet sich hierfür immer noch der weibliche Körper. Ich muß allerdings zugeben, dass ich selbst auf der Bühne immer wieder Klischees reproduziert habe. Natürlich bin ich auch als Regisseurin vor der Vermännlichung meines Blicks nicht gefeit. Trotzdem gibt es einen entscheidenden Unterschied: vor der Kamera fühle ich mich als Objekt, dahinter bin ich Subjekt.
AVIVA-Berlin: Sie haben für Ihren ersten Film die Form der Dokumentation und Berlin als Drehort gewählt. Wie kamen Sie auf diesen Ansatz, welche Rolle spielt Berlin in ihrem Leben?
Julia Dittmann: Berlin ist für mich das, was ich im Film darzustellen versucht habe: ein Ort der Veränderung.
AVIVA-Berlin: Die vier Protagonistinnen in ihrem Film sind auch privat befreundet, war das eher problematisch oder von Vorteil?
Julia Dittmann: Dass Katja, Gesa, Stefanie und Miriam sich untereinander kannten, hat den Zusammenhalt untereinander und ihre gegenseitige Unterstützung während der Drehzeit gestärkt. Größeren Einfluß auf die Dreharbeiten hatte aber die Tatsache, dass alle vier sehr eng mit mir befreundet waren und auch immer noch sind. Darin lag natürlich die große Chance, dass sie sich mir und damit auch der Kamera gegenüber sehr geöffnet haben. Andererseits gab es auch viele Auseinandersetzungen darüber, wo die Filmarbeit Grenzen der einzelnen Personen verletzen könnte und ich meine Arbeit als Regisseurin über die Ebene der Freundschaft gestellt habe. Diese Diskussionen waren für uns alle ziemlich anstrengend, aber auch gewinnbringend.
AVIVA-Berlin: Hat sich das Leben der Darstellerinnen durch die 3jährige Dreharbeit verändert? Wenn ja, da sind wir sicher, wie?
Julia Dittmann: Diese Frage ist für mich schwer zu beantworten. Spontan würde ich sagen, das Leben der vier hat sich in den letzten drei bis vier Jahren auf jeden Fall stark verändert. Aber ich würde diese Veränderungen nicht auf die Dreharbeiten zurückführen. Ich habe eher versucht, die Veränderungen mit der Kamera einzufangen und nicht, sie herzustellen.
AVIVA-Berlin: Als Regieassistentin haben Sie hauptsächlich mit Männern zusammengearbeitet, ihr Filmteam ist überwiegend weiblich. Gibt es faktische Unterschiede zwischen einem männlichen und einem weiblichen Arbeitsstil?
Julia Dittmann: Eine kleine Berichtigung: auch als Regieassistentin habe ich meistens - ganz bewußt!- mit Frauen zusammengearbeitet. Das hatte zwei Gründe: zum einen wollte ich meine Kraft und Energie in weibliche Projekte einfließen lassen. Zum anderen habe ich für mich als Filmemacherin weibliche Vorbilder gesucht. Im Nachhinein kann ich sagen, dass mir die damalige Zusammenarbeit mit den Regisseurinnen viel Mut, Kraft und Hoffnung gegeben hat. Zum Vergleich zwischen männlichem und weiblichem Arbeitsstil in der Filmbranche, würde ich sagen, dass die Arbeitsweise keine besonderen Unterschiede aufweist. Die Unterschiede liegen eher in den Inhalten.
AVIVA-Berlin: Ihre Darstellerinnen sind größtenteils Laien, gehört das zu Ihrem Programm oder können Sie sich auch vorstellen, mit professionellen SchauspielerInnen zu arbeiten? Wenn ja, mit wem am liebsten?
Julia Dittmann: Ich bin kein Fan von Stars. Ich bevorzuge es, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die mir geistig und seelisch nahe stehen. Das heißt noch lange nicht, dass ich ausschließlich mit Laien drehen möchte. Bei "Rosa oder welche farbe hat das leben!" handelt es sich um einen Dokumentarfilm. Auch wenn es einige inszenierte Szenen gibt. In diesem Genre haben professionelle SchauspielerInnen gemeinhin nichts zu suchen, es sei denn, sie werden portraitiert – wie ich auch Miriam in meinem Film portraitiert habe. An Spielfilmen habe ich mich bislang nicht wirklich ausprobiert, hoffe aber, dass ich die Möglichkeit haben werde, Spielfilme zu drehen. Es gibt einige Schauspielerinnen, die mich sehr faszinieren und mit denen ich unbedingt arbeiten möchte. Am liebsten mit denen, die sich nicht scheuen, Grenzen im Denken zu sprengen und eigene Ideen in einen Dialog mit mir als Regisseurin einzubringen. Ich liebe es, wenn bei der Arbeit ein lebendiger Austausch entsteht. Was ich überhaupt nicht mag, sind Hierarchien, die Kreativität abtöten, die einengen und den Horizont verkleinern.
AVIVA-Berlin: In ihrem Film geht es um Selbstverwirklichung, Berufstätigkeit in Verbindung mit Kindern und Partnerschaft. Sicher Themen, die Sie auch persönlich beschäftigen. Welche Verbesserungsvorschläge hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gerade für Frauen, haben Sie an die Politik?
Julia Dittmann: Schwieriges Thema. Ich zweifele daran, dass in diesem System, in dem die Kleinfamilie zur Zelle der Gesellschaft geworden ist, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatem möglich ist. Wenn wir aber gedanklich in diesem Modell bleiben, dann bräuchten wir mehr Halbtagsstellen für Männer und Frauen. Gleiche Bezahlung, Aufstiegschancen der Geschlechter, und eine bessere staatliche Betreuung der Kinder. Darüber hinaus ist es nicht länger selbstverständlich, dass die Frauen wegen der Kinderbetreuung einen Bruch in der Berufslaufbahn auf sich nehmen. Zumindest würden sich durch eine staatliche Regelung die Argumente für diese altbekannte Rollenaufteilung reduzieren.
AVIVA-Berlin: Angenommen, Sie bekämen ein lukratives Angebot aus Hollywood, würden Sie es annehmen? Wenn ja, wer sollte unbedingt mitspielen?
Julia Dittmann: Ich bezweifele, dass ich in Hollywood meine Art von Film verwirklichen könnte. Da ich aber von Natur aus ein sehr neugieriger Mensch bin und eigentlich alles erst einmal ausprobieren möchte, würde ich wahrscheinlich nicht nein sagen. Was die Besetzung betrifft, so läßt sich darüber schwerlich eine Aussage machen, solange der Inhalt des Projektes nicht klar ist.
AVIVA-Berlin: An welchem Projekt arbeiten Sie zur Zeit, wie wird ihr nächstes Projekt aussehen?
Julia Dittmann: Ich habe gerade erst "Rosa oder welche farbe hat das leben!" abgeschlossen, und denke, dass ich mir zunächst etwas Zeit gönnen möchte, um mich von diesem riesigen Kraftakt zu regenerieren. Trotzdem schwirren mir natürlich schon wieder viele neue Filmideen im Kopf herum. Vor allem für Dokumentarfilme, die im weitesten Sinne etwas mit weiblicher "Oral History" und mit Berlin zu tun haben - Ostberlin im Besonderen. Ich liebäugele auch mit der Vorstellung, mich im nächsten Projekt an einen Spielfilm heranzuwagen. Darin würde es um die Liebe zwischen zwei Frauen gehen.
Wahrscheinlich kommt es letztlich darauf an, für welches Exposée ich Gelder akquirieren kann.
AVIVA-Berlin: Wie sehen Ihre Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft aus? Was möchten Sie auf jeden Fall realisieren?
Julia Dittmann: Mein größter Wunsch ist es, weiterhin Filme zu drehen ohne dabei den Weg der Genesung zu verlassen.
Hier erfahren Sie mehr zum Film "rosa – oder welche farbe hat das leben!" und zur Initiative: "weibliche Vorbilder für alle!" "wer sind unsere (besten) Frauen 2004?"