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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 23.03.2004


Die Stiftung Digitale Chancen - Berliner Gespräche zur Digitalen Integration
AVIVA-Redaktion

Ziel der Stiftung ist es, EinsteigerInnen zu mehr Medienkompetenz zu verhelfen. AVIVA-Berlin im Gespräch mit Jutta Croll, der Chefredakteurin der Initiative.




Die Stiftung Digitale Chancen wurde im Januar 2002 von der Forschungsgruppe Telekommunikation mit Unterstützung von AOL Deutschland, der Universität Bremen, Accenture und der Burda Stiftung gegründet. Schirmherr ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit im Rahmen der Initiative "Internet für Alle".

Ziel der Stiftung ist es, Menschen für die Möglichkeiten des Internet zu interessieren und ihnen beim Einstieg zu helfen. Sie unterstützt die MitarbeiterInnen von sozialen Einrichtungen, die Menschen den Einstieg in das Internet ermöglichen und wendet sich an ExpertInnen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, die in Theorie und Praxis an der Digitalen Integration arbeiten.
Um das Thema Digitale Integration für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, veranstaltet die Stiftung die "Berliner Gespräche zur Digitalen Integration" im Museum für Kommunikation. Moderator ist Prof. Dr. Jo Groebel vom Europäischen Medieninstitut Düsseldorf, Paris.

Die Berliner Gespräche zur Digitalen Integration
Die zunächst fünfteilige Veranstaltungsreihe beleuchtet unterschiedliche
Themengebiete rund um die Digitale Integration und soll die Akteure aus
Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Praxis an einen Tisch bringen. Das
Programm besteht aus Impulsreferaten, der Vorstellung von Praxisprojekten,
einer offenen Diskussion mit den Gästen.

AVIVA-Berlin hat sich intensiv mit der Geschäftsführerin der Stiftung, Frau Jutta Croll unterhalten.
AVIVA-Berlin: Aus welchem Hintergrund kommen Sie eigentlich? Wie sind Sie zur Stiftung gekommen?
Jutta Croll: Ich habe an der Universität in Göttingen Germanistik, Politologie und Publizistik studiert. Vor und nach dem Studium war ich im Bibliotheksumfeld tätig, habe Ausstellungsorganisation gemacht und wissenschaftliche Nutzerberatung. 1993 habe ich dann sozusagen die Seiten gewechselt und mich statt mit fertigen Büchern, mit deren inhaltlicher Produktion befasst. An der Uni Bremen habe ich als Redakteurin das Jahrbuch "Telekommunikation und Gesellschaft" betreut. Ende der 90er Jahre wurde mit der Verbreitung des Internet das Thema Digitale Spaltung relevant. Wir haben in der Forschungsgruppe Telekommunikation dann eine internationale Konferenz zu diesem Thema veranstaltet, bei der Referenten aus den USA und Europa über die Situation dort, den sog. Digital Divide und Maßnahmen zu dessen Überwindung berichtet haben. Bei dieser Konferenz haben das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und AOL Deutschland die Initiative ergriffen und gesagt, wir finanzieren ein Projekt, das sich in Deutschland mit der Überwindung der Digitalen Spaltung befasst. Vorbild war das Digital Divide Network der Benton Foundation in Washington.

AVIVA-Berlin: Was war die Aufgabe dieses Projektes und wie es zur Gründung einer Stiftung in Berlin gekommen.
Jutta Croll: Der Projektauftrag bestand darin, eine Datenbank öffentlicher Internetzugänge in Deutschland aufzubauen, inzwischen haben wir 7.000 solcher Einrichtungen verzeichnet, die man über Telefon und Internet erfragen kann. Sei es, dass sie selbst keinen Internetzugang haben oder jemanden kennen, der keinen Zugang hat. Oder sie sind in einer fremden Stadt ohne Laptop unterwegs und möchten das Internet nutzen. Sie könnten dann unter 01805-38 37 25 anrufen und sich erkundigen wo, zu welchen Öffnungszeiten und Preisen es einen Ort gibt, wo man das Internet nutzen kann. Wir haben sehr umfassend erhoben, was diese Einrichtungen anbieten, welche Sprachen die MitarbeiterInnen dort sprechen und für welche Zielgruppe sie geeignet sind.

AVIVA-Berlin: Damit wenden Sie sich ja direkt an die NutzerInnen und Internetneulinge. Darüber hinaus machen Sie aber noch weitere Angebote.
Jutta Croll: Ja, der zweite Teil der Projektaufgabe war das Thema digitale Spaltung, wer nutzt und wer nutzt nicht, eine für Deutschland neue Überlegung. In den USA hat man schon sehr gründliche Studien dazu erhoben, dort wurde auch in den "Falling through the Net Reports"genau geschaut, welcher Nationalität, welcher ethnischer Herkunft sind die Menschen, die das Internet nicht nutzen, in welchem sozialen Umfeld bewegen sie sich. Wir haben dann unter www.digitale-chancen.de ein Internetangebot aufgebaut, das die Informationen zu diesem Thema sammelt und aufbereitet. Die Redaktion für dieses Portal sitzt in Bremen und ist nach wie vor eng mit der wissenschaftlichen Arbeit dort verbunden. Darüber hinaus arbeiten wir mit RedaktionspartnerInnen zusammen, die in verschiedenen Arbeitszusammenhängen mit den einzelnen bisher noch bei der Internetnutzung unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen befasst sind. Diese stellen dann z. B. aktuelle Studien, Arbeitsergebnisse und Informationen direkt in unser Content Management System ein. So erreichen wir ein hohes Maß an Aktualität für ein breites Themenspektrum. Ergänzt wird das Angebot durch einen Bereich, in dem wir praktische Tipps für die MitarbeiterInnen sozialer Einrichtungen, die Internetangebote machen, zusammenstellen. Diese MultiplikatorInnen sind eine ganz wichtige Zielgruppe für uns, denn sie haben den direkten Kontakt zu den Menschen, die vom Mehrwert des Internet noch zu überzeugen sind. Seit Herbst 2003 gibt die Stiftung im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums für diese Gruppe auch einen monatlichen Printnewsletter heraus, den "net.werker", weil wir erkannt haben, dass man verschiedene Kanäle nutzen muss, um diese Botschaft "Es lohnt sich, das Internet zu nutzen" zu verbreiten.

AVIVA-Berlin: Es gibt ja sehr viele Initiativen, die sich mit der Förderung der Internetnutzung befassen: "Internet für Alle", "Frauen ans Netz", und ich verstehe es so, dass die Stiftung Digitale Chancen aufruft zum Zusammenschluss, zur Vernetzung. Ich kenne sehr viele Initiativen, aber sind sie denn wirklich vernetzt? Der Auftrag der Stiftung Digitale Chancen ist ja wirklich eine breite Plattform zu bilden und zu bündeln.
Jutta Croll: Im Grunde genommen ist das der Ausgangspunkt des Projektes Netzwerk Digitale Chancen diese Plattform zu schaffen, im Netz mit unserem Angebot unter www.digitale-chancen.de und real, indem wir verschiedene Angebote zur Vernetzung machen, z. B. unsere Trainingskampagne für JugendmultiplikatorInnen oder eben die Berliner Gespräche.
Die Förderung durch das BMWA für das Netzwerkprojekt war auf 1 Jahr begrenzt. Unsere Aufgabe war es, in diesem Zeitraum eine Rechtsform zu finden, in der wir diese Arbeit weiterführen können. Wir haben mit AOL Deutschland und der Uni Bremen Stifter gefunden, die es uns ermöglicht haben, die Arbeit fortzusetzen.

AVIVA-Berlin: Mit der Initiative D21 arbeiten Sie auch zusammen?
Jutta Croll: Ja, D21 ist für uns ein Kooperationspartner. Wir arbeiten z. B. bei den Berliner Gesprächen zusammen bei der Auswahl der Referenten und der Einladung der Gäste. Wir sind förderndes Mitglied von D21 und waren im Februar d. J. gemeinsam mit anderen Initiativen zur Förderung der Medienkompetenz unter dem Dach von D21 auf der Bildungsmesse Didacta in Köln.

AVIVA-Berlin: Die Stiftung Digitale Chancen hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Digitale Integration unterrepräsentierter Bevölkerungsgruppen nachhaltig zu fördern.
Welche Strategien und Formen der Zusammenarbeit werden und wurden bisher entwickelt?
Welche Möglichkeiten bietet die Stiftung speziell Frauen, MigrantInnen, SeniorInnen und sozial- oder bildungsbenachteiligten Jugendlichen?
Jutta Croll: Unsere Datenbank der Internetzugangs- und Lernorte, die die potentiellen NutzerInnen in die passenden Einrichtungen führt, habe ich ja bereits erwähnt. Darüber hinaus richtet sich die Arbeit der Stiftung im Wesentlichen an die MultiplikatorInnen dieser Gruppen, die sie jetzt angesprochen haben. Sie kennen die Bedürfnisse ihrer jeweiligen Zielgruppe und können einem Jugendlichen, einer Frau oder einem älteren Menschen vermitteln, dass es Sinn macht, sich mit dem Internet auseinander zu setzen. Internet ist ja kein rein rezeptives Medium wie Fernsehen, wo man einschaltet sich davor setzt und konsumiert. Man braucht schon eine gewisse Heranführung, damit man dann diesen Nutzen, der in den Internetangeboten steckt, sich erschließen kann. Wir haben gemeinsam mit der Unternehmensberatung Accenture, die wir als Zustifter gewinnen konnten, ein Training entwickelt für Jugendsozialarbeiter. Die Jugendlichen, die in Jugendeinrichtungen kommen, tun das nicht, weil sie dort etwas lernen wollen. Für viele ist Lernen mit Schule und Misserfolg assoziiert. Wir zeigen den JugendsozialarbeiterInnen in eintägigen Workshops, wie sie diese Jugendlichen für Projekte interessieren können, bei denen das Internet zu ganz unterschiedlichen Zwecken eingesetzt wird, das kann z.B. die Vorbereitung eines Discoabends sein, bei der die Musik aus dem Internet herunter geladen wird, oder die Vorbereitung eines gemeinsamen Ausflugs, für den die Reiseroute online geplant wird.

Die Stiftung hat einen sogenannten Stiftungsbeirat aufgebaut, in dem die großen Wohlfahrtsverbände Deutschlands vertreten sind und Organisationen, deren Einrichtungen Internetzugang ermöglichen, z. B. der Deutsche Bibliotheksverband, weil alle öffentlichen Bibliotheken inzwischen mit Internet ausgestattet, also Zugangsorte sind. Aber auch Organisationen wie "Aktion Mensch" sind dabei, mit denen wir im letzten Jahr den BIENE-Award durchgeführt haben. Dem Stiftungsbeirat haben wir das Training vorgestellt und haben dann an einen Roll-Out in Einrichtungen des CVJM und des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes durchgeführt. Innerhalb eines Jahres haben wir mehrere hundert TrainerInnen geschult, diese haben nach der Teilnahme an einer Mastertrainerschulung ihr Wissen an KollegInnen weitergegeben, so dass wir inzwischen davon ausgehen können, dass in vielen Jugendeinrichtungen in Deutschland inzwischen Projekte unter Einsatz des Internet nach dem von uns vermittelten Modell stattfinden.



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Beitrag vom 23.03.2004

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