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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 08.05.2008


Wir Schönheits-Junkies. Von Christiane Zschirnt
Stefanie Denkert

Drei Jahrzehnte nach der Frauenbewegung lastet der Schönheitszwang auf Frauen stärker als je zuvor. Die Autorin analysiert das Konzept der Schönheit und plädiert für eine ´gelassene Weiblichkeit´!




Obwohl der Schönheitszwang sich in den letzten Jahren ebenfalls immer mehr auf Männer ausweitet, ist doch der Begriff Schönheit seit Jahrtausenden mit Weiblichkeit eng verbunden. Frauen können heute äußerst erfolgreich im Beruf sein, doch stets wird ihr Äußeres kritisch beäugt. Angela Merkel oder Hillary Clinton
könnten sicher ein ganzes Buch darüber schreiben. Nie waren Frauen so selbstbewusst wie heute, noch nie so emanzipiert und befreit – dennoch ist der Hass auf den eigenen Körper sowie das Streben nach Perfektion stärker als je zuvor. Kein Wunder also, dass viele Frauen sich nicht trauen, ohne Make-up oder mit schlecht sitzenden Haaren das Haus zu verlassen.

Essstörungen haben sich seit Anfang der 1980er epidemisch verbreitet: fast jede Frau hat schon mal diätet und mittlerweile sinkt das Durchschnittsalter bei der ersten Diät immer mehr. So gibt es achtjährige Mädchen, die wegen der Kalorien lieber zum Wasser greifen als zum Apfelsaft. Gesunde Frauen mit einem Body Mass Index (BMI) im Normalbereich hungern sich krank und teilweise sogar zu Tode. Im Internet geben sich Magersüchtige in Ana-Foren (von Anorexie abgeleitet) Tipps gegen Hunger, um ihren Vorbildern wie Victoria Beckham und Nicole Richie ähnlicher zu werden. Auch Schönheitsoperationen haben Hochkonjunktur: neben den klassischen ´Eingriffen´ wie Busenvergrößerung, Facelifting und Fettabsaugen sind durch den Trend zur pornomäßigen Komplett-Intimrasur auch absurde kosmetische Korrekturen an der Vagina und ´Analbleaching´ hinzugekommen.

Mode und Beauty/Wellness haben andererseits auch mit Macht und Freiheit sowie mit "female bonding" zu tun: die finanziell unabhängige Frau (die Sex and the City-Damen nennt Zschirnt oftmals als positives Beispiel) hat die Freiheit zu konsumieren, was sie will. Sie muss nicht, aber sie kann. Durch die Partizipation an der ´weiblichen Kultur´ (Seifenopern gucken, Shopping, mit Freundinnen treffen u.ä.) grenzt sie sich von Männern ab und verbündet sich mit anderen Frauen, teilt die selben Interessen. Mit Zwang hat das nichts zu tun.

Ist der Schönheitswahn aufzuhalten? Wohl kaum, deshalb erklärt die Autorin Christiane Zschirnt: "Ich plädiere nicht für eine Schönheitsverweigerung, sondern für die Fähigkeit, das alles nicht so ernst zu nehmen." Die Gelassenheit, mit der frau dem Schönheitszwang begegnen sollte, erlangt sie durch Aufklärung. Deshalb macht sich Zschirnt auf, in "Wir Schönheits-Junkies" Klischees und Halbwahrheiten, die Profitgier der Kosmetik- und Modeindustrie, die angeblich wissenschaftlichen Erkenntnisse der Attraktivitätsforschung und die Doppelmoral der Medien zu entlarven. Und siehe da: wir können schön sein, ohne dem Schönheitsideal zu entsprechen und wir können uns sexy fühlen ohne sexy auszusehen.

AVIVA-Tipp: Christiane Zschirnt beleuchtet die positiven und negativen Seiten vom Konzept "Schönheit", dafür wirft sie einen Blick auf das Schönheitsverständnis im Wandel der Zeit und in unterschiedlichen Kulturen. Die Autorin hat das Thema umfassend analysiert, dabei gelingt ihr ganz wunderbar der Drahtseilakt zwischen sachlicher und persönlicher Schreibe (mit herrlich ironischen Seitenhieben und lustigen Anekdoten). Nach der Lektüre von "Wir Schönheits-Junkies" kann frau tatsächlich viel gelassener mit dem Schönheitswahn umgehen! Unbedingt weiterzuempfehlen!

Zur Autorin: Christiane Zschirnt wurde 1965 in Bremen geboren. Sie studierte Anglistik, Kunstgeschichte und Germanistik in Hamburg. 2001 veröffentlichte sie das "Shakespeare-ABC" und 2002 das viel beachtete "Bücher. Alles, was man lesen muss". Christiane Zschirnt lebt in Hamburg. "Wir Schönheits-Junkies" ist ihr viertes Buch. (Verlagsinfo)

Christiane Zschirnt
Wir Schönheits-Junkies. Plädoyer für eine gelassene Weiblichkeit.

Goldmann Verlag, erschienen April 2008
Gebundene Ausgabe, 220 Seiten
ISBN-10: 3442311101
ISBN-13: 978-3442311101
17,95 Euro

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Beitrag vom 08.05.2008

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