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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 14.10.2014


Kristin Kopf – Das kleine Etymologicum. Eine Entdeckungsreise durch die deutsche Sprache
Dorothee Kröger

Sprachgeschichte, Witz und Wissenschaft zeigen "eine Menge verschiedene ‚Deutsche´", aber auch: Etymologie macht Spaß, wenn sie facettenreich erklärt, dass ´einst "anständige" Wörter..




... wie "geil", "ordinär" oder "vulgär" VerliererInnen eines sprachhistorischen Bedeutungswandels sind.

Etymologie, die "Lebensgeschichte" eines Wortes: Wie haben sich seine äußere Form und seine Bedeutung verändert? Es ist ein Thema, das die Gemüter spaltet. Die einen könnten etymologische Wörterbücher lesen wie Romane. Die anderen finden es zum Einschlafen langweilig. Das liegt mitunter daran, dass dieses Thema einige grammatikalische Finessen und Kenntnisse mit sich bringt, zu deren Verständnis hin und wieder einmaliges Lesen nicht ausreichend ist.

Die historische Sprachwissenschaftlerin Kristin Kopf versucht diesem Interessenskonflikt beizukommen, indem sie ein zumindest "kleines" und damit nicht mehr so einschüchterndes Etymologicum verfasst hat.

"Stück für Stück wurde die Lautsubstanz ausgetauscht, wie Bauteile eines alternden Computers."

Dass die Sprachgeschichte der indogermanischen Sprachen kompliziert ist, trivialisiert Kopf jedoch nicht. Sie gibt sich Mühe, diese Komplexität anschaulich aufzuschlüsseln. Ihre Ausführungen nennt sie eine "Bootsfahrt", auf die sie alle mit "Reiseproviant und Schwimmwesten" ausstattet. Ihr Ziel ist es, niemanden in den vielen Flussschleifen zu verlieren. Daher greift sie auf eine große Anzahl von Metaphern, Beispielen, direkte LeserInnenschaft-Ansprachen und Gegenüberstellungen zurück.

"Wussten Sie schon…"

Etymologie birgt Geschichte, und die findet sich, notwendigerweise stark verkürzt, zuhauf in dieser "Entdeckungsreise". Auf angenehme, weil auch durchgehend gegenderte, Art und Weise veranschaulicht die Wissenschaftlerin unter anderem, wie die Wikinger von der Normandie nach England siedelten und damit das Anglonormannische prägten. Oder sie bettet den literarischen Stoff des "Nibelungenliedes" ein in die Zeit der Völkerwanderung, 400-700 nach christlicher Zeitrechnung. Ihr gelingt es, ein Interesse für Etymologie, und damit für Sprache, Schrift und Literatur in Zusammenhang mit der Geschichte zu erzeugen.

Besonders ausführlich und facettenreich ist die an den Anfang gestellte Darstellung der "Lautwandelprozesse". Dabei ist vermutlich für jedeN etwas Neues dabei. SprachwissenschaftlerInnen, die versucht sind, bei den zwei Lautwandelprozessen im Deutschen, welche die Sprache vom Englischen oder den romanischen Sprachen unterscheiden, das Buch gelangweilt wegzulegen, stoßen gegebenenfalls auf unbekannte Textbeispiele. Und die sprachbegeisterten oder zu begeisternden Laien erfahren, dass Plattdeutsch eine eigene Sprache ist, weil es nicht dem zweiten Lautwandel unterzogen war. Damit hatte die Sprache jedoch größere Schwierigkeiten, sich dem Hochdeutschen anzupassen. Und frau lernt nie aus: Das Hochdeutsche bezeichnete zunächst nicht den Norden des Landes, sondern die Regionen mit den höchsten Bergen.

"Eine Wortbedeutung hängt immer von der Zeit ab, in der sie verwendet wird."

Auch einzelnen Wörtern wird im jeweiligen kulturellen Kontext akribisch nachgegangen: Farben wie Rosa, Türkis oder Champagner, der Bikini oder die Verwandtschaft von Zwieback und Biskuit werden eindrucksvoll galant in ihrem historischen Werdegang durch verschiedene Länder, und dem, was sie in unterschiedlichen Zeiten bezeichneten, dargestellt.
In den aufeinander bezogenen Kapitel finden sich zudem Sprachboxen zum Thema Wissenschaft oder Landkarten, die dem teilweise hoch epischem Flussverlauf Kontra geben.

Zur Autorin: Kristin Kopf, geboren 1984, forscht und lehrt an der Universität Mainz im Bereich historische Sprachwissenschaft. Sie ist Mitbetreiberin von ´Sprachlog´, dem erfolgreichsten deutschen Sprachblog, und Mitglied in der Jury für den Anglizismus des Jahres.
(Quelle: Verlagsinformation)
Mehr Informationen unter: www.sprachlog.de

AVIVA-Tipp: Ein durchaus trockenes Thema, für das nicht jede zu begeistern ist, macht Kristina Kopf schmackhaft. Durch die vielen Beispiele und indem sie das ganze Thema im Bild einer Schiffsfahrt erläutert, bleibt frau gerne im Boot, lehnt sich zurück und beobachtet die interessanten Flussarme der indogermanischen Sprachen.

Kristin Kopf
Das kleine Etymologicum

Eine Entdeckungsreise durch die deutsche Sprache
Klett-Cotta, 1. Auflage erschienen 2014
Gebunden mit Schutzumschlag, 284 Seiten
ISBN 978-3-608-91341-5
19,95 Euro
www.klett-cotta.de

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