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AVIVA-BERLIN.de 3/23/5785 - Beitrag vom 20.04.2010


2010: Neue Stolpersteine im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf
Nadja Grintzewitsch

Die Klasse 6a der Ernst-Habermann-Grundschule leistete mit der Finanzierung von drei Stolpersteinen einen vorbildlichen Beitrag gegen das Vergessen und legte dabei erstaunliches Engagement an den…




...Tag. Zuvor hatten sich die SchülerInnen im Rahmen eines Unterrichtsprojektes intensiv mit Nationalsozialismus und Judenverfolgung auseinandergesetzt und auch Zeitzeugin Inge Deutschkron im Blindenmuseum Otto Weidt getroffen. Am 15. April 2010 wurden in Anwesenheit der Schriftstellerin nun die Stolpersteine gesetzt.

Pünktlich um neun Uhr morgens begann, nach einer kleinen Ansprache der Schulleiterin, die Verlegung der insgesamt sechs Stolpersteine auf einem Bürgersteig unweit der Grundschule. Drei waren von den SchülerInnen selbst finanziert worden, für weitere drei hatten sich private SponsorInnen gefunden. Zwei Wochen lang verkauften die Kinder für "ihre" Steine in den Hofpausen selbstgebackenen Kuchen und nahmen im Laufe der Aktion sogar weitaus mehr ein als geplant. Mit dem Überschuss soll nun zusätzlich eine Mini-Dokumentation der gemeinsamen Arbeit für den Schulgebrauch finanziert werden.

Von einem leichten Nieselregen begleitet, begannen Handwerker, die Pflastersteine vor dem Haus in der Babelsberger Straße 11 aufzuklopfen. Links und rechts vom Eingangsportal wurden anschließend je drei goldene Steine in den Boden versenkt. Andächtig standen die SchülerInnen beieinander und verstreuten gelbe Blütenblätter - nicht nur auf "ihre" Stolpersteine, sondern auch auf die restlichen drei. Die Steine der Klasse 6a erinnern an Herbert, Alice und Liselotte Kabaker, eine jüdische Familie, die zunächst enteignet, dann an unterschiedliche Orte deportiert und anschließend ermordet wurde (AVIVA-Berlin berichtete).

© Karl-Reinhold Fiebak


Initiatorin des Schulprojektes war Britta Fellbaum, selbst erst seit kurzem als Referendarin an der Schule tätig. Ihr Ziel war es, die Kinder möglichst früh für dieses Thema zu sensibilisieren und Empathie zu wecken Dabei arbeitete sie mit den SchülerInnen in unterschiedlichen Etappen und führte sie behutsam Stück für Stück an den Stoff heran.

Im Unterricht lasen die Kinder "Papa Weidt" von Inge Deutschkron und "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl", welches eigentlich erst für Jugendliche ab 12 Jahren vorgesehen ist. Daher musste zur Lektüre das Einverständnis der Eltern eingeholt werden. Bei einem Besuch im Blindenmuseum Otto Weidt bekamen die SchülerInnen die Möglichkeit, mit einer der letzten lebenden Zeitzeuginnen persönlich zu sprechen. Beeindruckt zeigte sich die Klasse vor allem von dem kleinen Hinterraum, den Otto Weidt von Februar bis Oktober 1943 der jüdischen Familie Horn zur Verfügung stellte - bis das Versteck verraten und die vierköpfige Familie nach Auschwitz deportiert wurde.

Aufbauend auf diese Erfahrungen wurde versuchsweise ein Bereich des Klassenzimmers mit Kreppband abgesteckt, in dem die SchülerInnen einige Minuten schweigend verbringen mussten - ohne zu husten, ohne zu niesen. "Es war total eng", beschreibt Schülerin Luana die Situation. "Für einige Minuten ging es ja noch, aber mehrere Stunden oder Wochen, das hätte ich mir nicht vorstellen können." Des Weiteren wurden Szenen aus "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" theaterpädagogisch aufbereitet. In einer Art Rollenspiel versuchten die Kinder beispielsweise, einen Bleistift in einer fremden Sprache zu kaufen - und bekamen so ein Gefühl für die Alltagsprobleme deutscher EmigrantInnen nach 1933.

© Karl-Reinhold Fiebak


Den SchülerInnen selbst gefiel besonders gut, dass sie zu jeder Zeit offen reden konnten, wenn sie etwas "auf dem Herzen" hatten. Es wurden regelmäßig Sitzkreise gebildet, in denen sie ihre Gefühle frei äußern durften. "Es war insgesamt eine tolle Erfahrung", so Schülerin Juliana, "aber auch sehr emotional. Viele von uns haben geweint." Vor allem vor dem Gruppenfoto der Belegschaft in der ehemaligen Bürstenfabrik Otto Weidt. Denn nur wenige der abgebildeten Personen hätten überlebt.

"Wir hätten das Projekt jederzeit abbrechen können", erklärt Marlies Hantke, Schulleiterin der Ernst-Habermann-Grundschule. "Aber sie wollten das Projekt weitertragen, waren sehr wissbegierig. Es ist ein großer Erfahrungsschatz, den die Klasse da mitnehmen wird." Auch Frau Kollehn, Klassenlehrerin der 6a, lobte das Engagement ihrer SchülerInnen und betonte, wie wichtig es sei, sich möglichst früh mit den falschen Idealen der Nationalsozialisten und den schrecklichen Folgen auseinanderzusetzen. "Dieses Projekt hat 27 junge Menschen berührt und ergriffen. Wenn jeder von ihnen ein Stückchen weiterträgt, jeder auch nur die Hälfte weitergeben kann, ist schon viel erreicht."

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Beitrag vom 20.04.2010

AVIVA-Redaktion