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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 26.05.2008


Die Riess. Fotografisches Atelier und Salon 1918 bis 1932
AVIVA-Redaktion

Die Fotoausstellung vom 06.06. bis 20.10.2008 im Verborgenen Museum widmet sich der jüdischen Künstlerin Frieda Riess, die in den Zwanziger Jahren weit über Berlin hinaus für Portraits bedeutender..




...Persönlichkeiten bekannt war.

An dieser Wertschätzung der Fotografin hatte die Einzel-Ausstellung 1925 bei Alfred Flechtheim mit 177 Portraits entscheidenden Anteil. Flechtheim war einer der tonangebenden KunstsammlerInnen und -händlerInnen "Moderner Kunst" in den 1920er Jahren. Zur damaligen Ausstellung erschien ein Katalog mit wenigen Abbildungen, einer Reihe literarischer Zeugnisse und den aufgelisteten Portraits, der einen wegweisenden Zugang zu Leben und Werk der heute nahezu völlig in Vergessenheit geratenen Fotografin eröffnet.

© ullstein bild


Ähnlich begeistert wie Flechtheim waren auch Wilhelm von Bode und Georg Kaiser von den Portraits der Riess und der Kritiker des "8-Uhr-Abendblatts", Kurt Pinthus, kam geradezu ins Schwelgen. Gottfried Benn nahm ihre Bildniskunst ironisierend aufs Korn, die französische Malerin Marie Laurencin schwärmte in Paris und die Schriftstellerin Vita Sackville-West schrieb begeistert nach London über die Gesellschaft beim Tee im Atelier der Riess. Die Aktaufnahmen, vor allem die Männerakte von Boxern, spiegeln die erotisch aufgeladene Atmosphäre im Atelier, das bei Ausstellungseröffnungen zum exklusiven Treffpunkt wurde. Zwischen 1926 und 1930 stellte Riess hier regelmäßig ihre eigenen Fotoarbeiten aus.

So weit der Ruf der Riess in den 1920er Jahren auch reichte, in den vergangenen knapp achtzig Jahren sind nahezu alle Spuren von Leben und Werk dieser Gesellschaftsfotografin verloren gegangen. Einige Hundert Fotografien sind erhalten geblieben und mit Hilfe nur weniger aufgefundener Schriftstücke ist es nun gelungen, ihren Lebensweg bruchstückhaft zu rekonstruieren und zum ersten Mal seit der legendären Ausstellung bei Flechtheim eine Retrospektive zu zeigen. Gleichzeitig erscheint ein umfassender Katalog, der nicht nur wiedergefundene Fotografien und Dokumente präsentiert, sondern in Aufsätzen namhafter ForscherInnen interessante Aspekte und neue Erkenntnisse zu Leben und Werk der Riess liefert.
Das Verborgene Museum, Dokumentation der Kunst von Frauen e.V., setzt mit dieser Ausstellung und Publikation die Reihe "Europäische Fotografinnen" fort, in der bisher u.a. Marianne Breslauer, Eva Besnyö, Lotte Jacobi, Lotte Laserstein, Dorothy Bohm und Yva vorgestellt wurden.

© Deutsche Literaturarchiv Marbach


Zur Künstlerin: Frieda Riess, 1890 geboren, stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie, die im westpreussischen Czarnikau (heute: Carnkov), in der Provinz Posen, ansässig war und in den 1890er Jahren nach Berlin umzog. Dort besuchte sie die Fotografische Lehranstalt des Lette-Vereins und führte nach dem Ersten Weltkrieg von 1918 bis 1932 ein repräsentatives Atelier am Kurfürstendamm. Seit Anfang der 1920er Jahre mit dem Juristen und Lektor, Pazifisten und Schriftsteller Rudolf Leonhard verheiratet, entstanden die für ihre Portraitarbeit so fruchtbaren Kontakte zu FreundInnen und Bekannten unter den Theaterleuten, SchauspielerInnen und SchriftstellerInnen, darunter Walter Hasenclever, Tilla Durieux, Ivan und Claire Goll oder Max Herrmann-Neiße. Der Kreis erweiterte sich auf TänzerInnen und Varieté-Stars sowie bildende KünstlerInnen: Anna Pawlowa, Margo Lion, die Mistinguett, Emil Jannings, Lil Dagover, Gerhart Hauptmann, Renée Sintenis, Max Liebermann und Xenia Boguslawskaja. Weiterhin verkehrten in dem illustren Kreis Box-Sportler und vor allem die VertreterInnen der alten Aristokratie, Diplomaten, Politiker und Bankiers. Die Riess reiste nach Paris, London und Rom und bewegte sich hier in denselben literarischen und aristokratischen Kreisen.

Die Riess beherrschte die hohe Schule der fotografischen Portraitkunst wie ihre BerufskollegInnen Hugo Erfurth, Madame D´Ora, Lotte Jacobi und Edward Steichen. Als sie 1932 nach Paris ging, brach ihre kreative fotografische Tätigkeit anscheinend ab. Arbeiten aus dieser Zeit wurden bisher nicht gefunden und ihre biografische Spur verliert sich fast völlig im Dunkeln. Von 1940 bis 1945 überlebte sie die Besatzungszeit der Nationalsozialisten in Paris, wo sie Mitte der 1950er Jahre starb.

Die Riess. Fotografisches Atelier und Salon 1918 bis 1932
06. Juni bis 20. Oktober 2008
Das Verborgene Museum zu Gast in der Berlinischen Galerie
Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur
Alte Jakobstraße 124 - 128
10969 Berlin

Vernissage: 05. Juni 2008, 19:00 Uhr
Täglich außer Dienstag, 10:00 bis 18:00 Uhr
Führungen: KuratorInnenführungen: 09. / 30. Juni, 07. / 21. Juli 2008, 14:00 Uhr, Führungen Kulturprojekte: Sa. / So., 15:00 Uhr
Eintritt: Tageskarte: 6 / 3 Euro, jeden 01. Montag im Monat: 2 Euro, Freier Eintritt für Kinder und Jugendliche.

Weitere Infos unter:
www.berlinischegalerie.de
www.dasverborgenemuseum.de



(Copyright Selbstportrait Riess: ullstein bild)


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Beitrag vom 26.05.2008

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