Love Life - Liebe trifft Leben. Kinostart 29. September 2011 - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kultur



AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 25.09.2011


Love Life - Liebe trifft Leben. Kinostart 29. September 2011
Nina Breher

Das Leben von Carmen und Stijn ist perfekt. Sie haben tolle Jobs, ein Eigenheim und eine hübsche Tochter. Doch Carmen wird krank, und die Angst vor ihrem Tod bedroht auch die Beziehung der beiden.




Carmen (Carice van Houten) und Stijn (Barry Atsma), ein Amsterdamer Paar wie man es aus vielen Metropolen kennt. Jung und selbstbewusst haben sie Erfolg im Beruf und ziehen, sobald Nachwuchs im Anmarsch ist, in ein vorstädtisches Eigenheim. Als Angehörige einer urbanen Bohème sind sie in der Medienbranche tätig und genießen das Leben – bis Carmen erfährt, dass sie Brustkrebs hat.

Es beginnt ein Behandlungsmarathon, der Carmen und Stijn gleichermaßen als Opfer der Erkrankung zeigt. Der Krebs ist Eindringling in ein zuvor glückliches Leben, der auch die Liebesbeziehung der beiden verändert, denn die Chemotherapie setzt Carmens Körper massiv zu und die Ungewissheit über Leben und Tod zerrt an beider Psyche.

Schon bald – so zeigt es der Film – kann Stijn, von dem Carmen "weiß, dass es mit seiner Treue nicht weit her ist" und es "akzeptiert", dem Druck und der Sorge um die Frau, die er liebt, nicht mehr standhalten. Er flüchtet sich in One-Night-Stands und auf Partys, während Carmen alleine versucht, Krebs und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bekommen. Besonders schwierig wird die Situation, als Stijn eines Nachts Roos (Anna Drijver) wiedertrifft, eine Malerin, die er schon lange begehrt. So nimmt eine leidenschaftliche Affäre ihren Anfang, denn Roos gibt ihm das zurück, worauf er nicht verzichten will: Das Herzklopfen der Anfangszeit und vor allem die Legitimation, unschuldig den Moment genießen zu dürfen, ohne die Krankheit und den Tod im Hinterkopf haben zu müssen.

Stijn liebt seine Frau, und doch benötigt er Roos als Katalysator. "Liebe in Zeiten des Krebses hat ihre eigenen Spielregeln", rechtfertigt er sich aus dem Off. Nicht nur diese Aussage macht deutlich, dass dem Film stellenweise ein klischeehaftes Bild von Männlichkeit zugrunde liegt. Stijn ist ein Mann, der darunter leidet, mit seinen Trieben nicht an sich halten zu können und dem Film gelingt es leider nicht, dies kritisch zu reflektieren. Im Gegenteil: Es wird das Bild von einem armen Mann, der sich, zwischen Trieb und Vernunft oszillierend, zwischen der Frau, die gut aussieht und ihn will, und der Frau, die ihn braucht und die er liebt, entscheiden muss. Die Notwendigkeit einer Entscheidung kommt nicht von ihm, sondern von den beiden Frauen. Dies ruft Stereotype von Geschlechterverhältnissen auf, von denen mensch sich im Jahre 2011 gerne verschont sähe.

Nach monatelanger Ungewissheit scheint der Krebs endlich überwunden, doch das Verhältnis der ProtagonistInnen zueinander hat sichtbar gelitten. Im gemeinsamen Urlaub finden sie sich jedoch wieder, und Stijn beendet die Affäre mit Roos. Der unschuldige Zustand des Vorher scheint greifbar nah. Und doch: Am Ende steht ein Rückfall.

Dass Regisseur Reinout Oerlemans Gründer einer der größten Produktionsfirmen für Fernsehformate ist, beeinflusst nicht zuletzt die Filmästhetik. Er ist technisch perfekt – schlicht, aber eindrucksvoll wirkt sich das Geschehen auf Szenerie und Farbgebung aus. Eine Freude ist der sauber ausgearbeitete Kontrast zwischen den verschiedenen Welten, die – neben jeweils eigenen Spielregeln – auch durch ihre jeweils eigenen filmischen Mittel dargestellt werden. Der schnelllebigen und bunten Welt des Nachtlebens steht die graue, kontrastlose Tristesse des Kampfes gegen die Krankheit gegenüber. Die Story, die dem 2003 erschienenen Roman "Mitten ins Gesicht" von Raymond van de Klundert (Kluun) folgt, wechselt authentisch und klug zwischen Normalität und unbegreiflicher Tragik. Unterstützt wird dieses ständige Hin und Her vor allem von Clarice van Houten in der Rolle der Carmen, der es großartig gelingt, einer krebskranken Frau ein vielschichtiges Gesicht zu geben. Denn die Protagonistin ist nie ausschließlich Opfer und gibt ihr Recht auf Selbstbestimmung in keinem Moment auf.

Die Kamera spiegelt konsequent die Perspektive Stijns wider, und an einer Stelle zeigt sich, dass diese ambitionierte Darstellung auch Fallstricke hat. Stijn liebt seine Frau, und doch erklärt er ihre nach der Amputation fehlende Brust ausdrücklich als einen Mangel. Von diesem Moment an werden keine expliziten Sexszenen mehr gezeigt, die Amputation eliminiert Sexualität aus dieser Welt zweier sich immer noch Liebender. Dies mag zwar für das konsequente Verbleiben in der Perspektive Stijns sprechen, der durchaus eine authentische Figur ist – weder Held noch Versager. Leider aber versperrt diese Perspektive unterschwellig alternative Sichtweisen auf den weiblichen Körper, nämlich solche, die die Brust nicht als zentrales und notwendiges Merkmal von begehrenswerter Weiblichkeit setzen.

AVIVA-Tipp: Der auf einer wahren Begebenheit beruhende Film zeigt, dass Liebe allen Widrigkeiten trotzen kann und dass selbst das Ende eines Lebens nicht gleichzusetzen ist mit dem Ende einer Liebe. Der Film erschöpft sich nicht in der Darstellung einer tragischen Geschichte, sondern wagt einen offenen Umgang mit dem Thema Krebs. Dies verdankt der Film vor allem dem Schauspiel Carice van Houtens. Ihr gelingt es, alle Facetten der tödlichen Krankheit authentisch darzustellen, aber dennoch nie ausschließlich eine Kranke zu sein, sondern auch eine selbstbestimmte Frau zu bleiben. "Love Life – Liebe trifft Leben" ist ein Film, der nicht ausschließlich "zum Heulen" schön ist, sondern auch Lust auf das Leben macht.

Zum Regisseur: Reinout Oerlemans, geboren 1971 im niederländischen Mill in Noord-Brabant, wurde bekannt durch eine Rolle in der Seifenoper "Goede tijden, slechte tijden", die dem deutschen Format ähnelt. Später entwickelte er sich zu einem beliebten Showmoderator. 2001 gründete er die Produktionsfirma Eyeworks, die sich bald zu einer der größten Produktionsfirmen der Welt entwickelte. Derzeit ist sie in 15 Ländern auf vier Kontinenten vertreten. "Love Life – Liebe trifft Leben" ist Oerlemans´ Debüt als Filmregisseur. (Quelle: Camino Filmverleih)

Love Life – Liebe trifft Leben
Originaltitel: Komt een vrouw bij de dokter
Niederlande 2009
Regie: Reinout Oerlemans
Drehbuch: Gert Embrechts
DarstellerInnen: Clarice van Houten, Barry Atsma, Anna Drijver, Jeroen Willems
Verleih: Camino Filmverleih
Lauflänge: 110 Minuten
Kinostart: 29. September 2011
www.lovelife-film.de

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Amazonen – Herausgegeben von Nadine Barth – In diesem beeindruckenden Bildband zeigt die Herausgeberin, die beteiligten Fotografinnen und die portraitierten Frauen, dass der Verlust von etwas Äußerlichem keinesfalls einen Verlust der Attraktivität bedeutet.

Eine andere Liga – Ein tragikkomischer Film von Buket Alakus darüber, wie eine zwanzigjährige Frau mit einer Brustamputation fertig wird.


Kultur

Beitrag vom 25.09.2011

AVIVA-Redaktion