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Beitrag vom 24.11.2014
Djeca - Kinder von Sarajewo
Kristina Tencic
Zwar jagen nunmehr keine Scharfschützen die Menschen durch die Straßen, doch der Überlebenskampf geht weiter: Aida Begic zeichnet das bewegende Porträt zweier Waisenkinder im täglichen Kampf gegen...
... die Mühlen der Korruption und Kriminalität in Bosnien-Herzegowina, fast zwei Jahrzehnte nach der 1425 Tage währenden Belagerung von Sarajevo.
Synopsis
Die nervöse Handkamera folgt einer jungen Frau zu ihrer Arbeit, einer Restaurantküche, in der die sozialen Gefälle krass aufeinandertreffen. Hier die Küchenhilfen, die für einen geringen Lohn stets verfügbar sein müssen; dort die politische Elite Bosnien-Herzegowinas, die sich von dem machtgeilen Restaurantmanager verköstigen lässt. Zu Hause ist das Leben leider auch nicht milde mit der 23-jährigen Rahima (Marija Pikic). Als große Schwester hat sie nach dem Tod ihrer beiden Eltern und einer Kindheit im Waisenhaus die Verantwortung auf sich genommen, ihren rebellischen Teenager-Bruder Nedim (Ismir Gagula) allein zu umsorgen. Auch Rahima hat eine subversive Phase als Punk hinter sich, deren Zurückliegen sie mit dem Tragen des Kopftuchs markiert, aber dessen Geist doch immer wieder zum Vorschein kommt. Rahima fordert etwas vom Leben und will sich keinem Unrechtssystem unterwerfen. Zornig und mit dem Mut einer Löwin stemmt sich die Bosnierin gegen die Gängelungen der kriminellen Landeselite, die sie immer weiter an den unteren Rand der Gesellschaft drängt. Was bleibt einem auch anderes übrig, in einer Welt, die von Hoffnungslosigkeit geprägt ist?
Zur Regisseurin Aida Begic
Was wird aus zwei Kindern, die mit Scharfschützen, Tod und Leid aufgewachsen sind? Diese Frage beschäftigt Aida Begic, die in der Vorarbeit ihrer Filme Wanderzüge durch die Realität unternimmt, sie durch dokumentarische Arbeiten einfängt und dann in ihre Drehbücher einfließen lässt. Der dokumentarische Charakter des Filmes wird auch durch die Fragmente authentischen Materials aus jenen Zeiten unterstrichen. Nach ihrem Erstlingswerk "Snow", in dem die bosnische Filmemacherin sich, damals in einem dörflichen Setting, auch mit dem Kriegstrauma aus weiblicher Perspektive beschäftigte, wurde ihr zweites Sozialdrama "Djeca" mit stehenden Ovationen in Cannes bedacht und für einen Oscar nominiert.
In einem Interview bringt die Regisseurin und Drehbuchautorin die gesellschaftlichen Verhältnisse, welche sie künstlerisch wie auch persönlich umtreiben, auf den Punkt:
"Gerade wenn du denkst, dass Krieg das Schlimmste ist, was dir passieren kann, kommt der Frieden. Frieden in meinem Land – einem Land im Übergang – hat einen totalen Zusammenbruch des Systems, ein Aussetzen von Logik, Moral und oftmals auch der Vernunft zur Folge gehabt. Resignation ist das vorherrschende Gefühl im heutigen Bosnien Herzegowina.
Nach dem Ende der physischen Belagerung, währte die geistige fort. Privatisierung, Manipulation durch die Medien, Visaknechtschaft und Nationalismus legen das Land in Ketten. Sarajevo wird zum fruchtbaren Boden für die Radikalisierung junger Leute. In solch einem Umfeld werden selbst die fürchterlichsten Erinnerungen wie etwa jene an den Krieg zu Märchen."
AVIVA-Tipp: Es gibt keinen Rückzugsort im Leben der Küchenhilfe Rahima, denn selbst die Gedanken sind von Kriegstraumata und Grauen infiltriert. Aida Begic gelingt hier meisterhaft die Materialisation der Geister der Vergangenheit. Es brummt und kracht und wummert und schießt sobald Rahima auf die Straße geht; Silvesterkracher werden zu Gewehrsalven und Straßenlärm zu herabfallenden Granaten. Der Film geht unter die Haut und mensch hält die Perspektivlosigkeit kaum aus, wären da nicht auch die Momente menschlicher Wärme und Mitgefühl, Verständnis und der Großzügigkeit trotz der eigenen Mittellosigkeit. Und während Beethoven erklingt, weiß mensch, dass das Wahre, das Gute, das Schöne über allem erhaben ist.
Djeca – Kinder von Sarajewo
Originaltitel: Djeca
Bosnien-Herzegowina, Deutschland, Frankreich, Türkei 2012
Regie: Aida Begic
Drehbuch: Aida Begic
DarstellerInnen: Marija Pikic, Nikola Djuricko, Ismir Gagula u.v.m.
Spielzeit: 90 Minuten
FSK: ab 6 Jahre
Studio: Barnsteiner Film
Preis: 12,99 Euro
barnsteiner-film.org
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