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Beitrag vom 12.11.2021
Picture a Scientist - Frauen in der Wissenschaft. Doku von Sharon Shattuck und Ian Cheney. Ab 12. November 2021 auf DVD
Joanna Piekarska
In ihrem Dokumentarfilm stellt das Regie-Duo aus Sharon Shattuck und Ian Cheney eindrücklich dar, wie sehr Frauen in der Wissenschaft Diskriminierungen aufgrund ihres Geschlechts ausgesetzt sind. "Picture a Scientist" zeigt den Kampf von Wissenschaftlerinnen um Anerkennung, Sichtbarkeit und Respekt.
"Über alle Disziplinen hinweg sind weltweit nur 33% der Wissenschaftler:innen Frauen - und die Zahlen für Women of Color sind sogar noch niedriger. Warum gibt es immer noch so wenige Frauen in der Wissenschaft?"
Mit dieser Frage nahm das Regie-Duo aus Sharon Shattuck und Ian Cheney ihre Arbeit am Dokumentarfilm "Picture a Scientist" auf. Die Biologin Nancy Hopkins, die Chemikerin Raychelle Burks und die Geologin Jane Willenbring sprechen darin von den Erfahrungen, die sie in ihrer akademischen Laufbahn gemacht haben: Sie erzählen nicht nur von fehlenden Vorbildern, sondern vor allem von fehlendem Respekt, sexueller Belästigung, dem Absprechen ihrer Kompetenz und dem andauernden Gefühl, nicht dazuzugehören.
Diskriminieren, Abwerten, Ausgrenzen
Nancy Hopkins beispielsweise erlebte jahrelang immer wiederkehrende, zum Teil sehr subtile Belästigungen und Demütigungen. Jane Willenbring berichtet von einer Forschungsexpedition in die Arktis während ihres Masterstudiums, bei der sie, die einzige Frau unter drei Männern, Zielscheibe von Mobbing geworden ist. Auch sie habe sich aus Angst um ihre Karriere nicht getraut, Widerstand zu leisten, und reichte erst 17 Jahre später, als sie sich als Wissenschaftlerin etabliert hat, Beschwerde bei der Universität ein. Und die Chemikerin Raychelle Burks schildert letztlich ein Ereignis, das das Stigmata und zudem die doppelte Diskriminierung, die sie als Woman of Color erfährt, verdeutlicht: Sie wurde für eine Reinigungskraft statt für die Chemie-Professorin gehalten.
Die drei Wissenschaftlerinnen erzählen davon, wie frustrierend es sei, Zeit damit zu verschwenden, durch diese unterdrückenden Systeme zu navigieren, anstatt ihre Energie ins Forschen zu investieren. Die Wissenschaft habe so viele Entdeckungen verpasst, weil Frauen diskreditiert, nicht ernst genommen und ausgegrenzt werden und so ihr volles Potenzial nicht ausschöpfen können.
"Such a waste of time and energy and all you wanted to do is be a scientist." (Nancy Hopkins in Picture a Scientist)
Die persönlichen Geschichten und Erfahrungen der Interviewpartnerinnen werden ummauert durch Statistiken und Studien, wodurch auch denjenigen, die sich des Problems bis dato nicht bewusst waren, unbestreitbar vor Augen geführt wird, wie tief struktureller Sexismus und systematische Diskriminierung in der Wissenschaft verankert sind: So tief, dass das Berufsfeld oft ganz automatisch als männliche Domäne gelesen wird.
Der Film zeigt auf diese Weise greifbaren, unwiderlegbaren Sexismus, für alle verständlich und nicht abstrakt, wie der Diskurs um Feminismus leider oft ist. So erreicht "Picture a Scientist" nicht nur feministische Geisteswissenschaftler*Innen, sondern richtet sich auch an Wissenschaftler*Innen und Studierende der MINT-Fächer.
(K)ein Ausweg?
Durch die Kombination aus eindringlichen Erfahrungsberichten und sachlicher, faktenbasierter Berichterstattung gelingt den RegisseurInnen eine informative und zugleich emotional berührende Dokumentation. Anders als viele andere Arbeiten, die auf gesellschaftliche Ungerechtigkeiten aufmerksam machen, ist "Picture a Scientist" er-, statt entmutigend. Es wird nicht nur ein Problem aufgezeigt - sondern auch ein Zeichen der Hoffnung gesetzt: Der Film endet mit der Suspendierung des Wissenschaftlers, der Jane Willenbring auf der Forschungsexpedition schikaniert hat, und dem sogenannten MIT-Report: Eine Studie von Wissenschaftlerinnen am Massachusetts Institute of Technology, unter ihnen Nancy Hopkins, die die bis dato subjektiv wahrgenommenen Diskriminierungen und Vorurteile empirisch belegt. So wurden die Wissenschaftlerinnen, die eigentlich nur forschen wollten, zu Aktivistinnen. Nicht weil sie wollten, sondern weil sie mussten.
"Obwohl der Film in den USA spielt, hoffen wir, dass er bei Zuschauer:innen auf der ganzen Welt Anklang findet - dass Frauen sich weniger allein fühlen, dass Männer motiviert werden, bessere Verbündete zu werden, und dass alle Zuschauer:innen Maßnahmen ergreifen, um die Gleichstellung der Geschlechter in ihrer Gemeinschaft sicherzustellen. Letztendlich muss die Kultur der Wissenschaft für alle gleichberechtigt sein.", so die RegisseurInnen Sharon Shattuck und Ian Cheney.
AVIVA-Tipp: "Picture a Scientist" trägt dazu bei, das Narrativ um Wissenschaft als männliche Domäne zu ändern. Ein inspirierender Film, der zugleich wütend macht und zu Stärke und Solidarität ermutigt, damit sich irgendwann jede*r in der Wissenschaft willkommen fühlt.
Picture a scientist. Frauen in der Wissenschaft
USA, 2020
Genre: Dokumentarfilm
Regie und Produktion : Sharon Shattuck und Ian Cheney
Verleih: mindjazz pictures
Laufzeit: 97 Minuten
Veröffentlichung (DVD): 12.November 2021
FSK: ab 12 Jahren, Laufzeit: 97 Min.
Technische Angaben:
Sprache / Ton: Deutsch DD 5.1, Bildformat: PAL 1.78:1, Untertitel: Deutsch, Bonusmaterial: Trailer, EAN DVD: 4042564216509 Kal. Nr.: 6421650, Verpackung: Softbox, Set Inhalt: 1
Label: mindjazz pictures, Vertrieb: Al!ve
Mehr zum Film und der Trailer unter: www.pictureascientist.com und www.mindjazz-pictures.de
Docs for Equality
"Unter dem Titel "Docs for Equality" hat mindjazz pictures eine Filmreihe zum Thema Gleichstellung konzipiert, die von Kinos und Institutionen gebucht werden kann.
Geschäftsführer Holger Recktenwald über das Konzept: "Vorbilder haben eine enorme Bedeutung für uns als Gesellschaft und für jede Einzelne. Nur wer erfolgreiche Frauen kennt, kommt auf die Idee, auch selbst eine zu werden. Deswegen haben wir einige mindjazz Filme zusammengestellt, die starke Frauengeschichten erzählen."
Mehr zu Docs for Equality: www.cloud.mindjazz.de
Regie: Sharon Shattuck hat Forstökologie und Journalistik studiert. Ihr erster Film "From This Day Forward" (2015) war ein New York Times Critic´s Pick. Sie ist die Co-Produzentin der wissenschaftlichen New York Times Serie "Animated Life", für den sie im Jahr 2016 für den Emmy nominiert war. Sie ist die Co-Moderatorin des Podcasts "Conviction: American Panic".
Website von Sharon Shattuck:www.sharonshattuck.com
Sharon Shattuck bei Twitter: www.twitter.com
Regie: Ian Cheney studierte an der Elite Universität Yale. Sein Werk umfasst bis dato neun Dokumentarfilme, darunter "King Corn" (2007), für den er mit dem Peabody Award ausgezeichnet wurde,"The Greening of Southie" (2008), "The City Dark" (2011), "The Search for General Tso (2014), Bluespace (2015), The Most Unknown (2018), Picture Character (2019) und Thirteen Ways" (2019). Darüber hinaus hat er zahlreiche Kurzfilme für The New York Times, The Atlantic, The Guardian und The Undark produziert.
Website von Ian Cheney: www.iancheney.com
Ian Cheney bei Twitter:www.twitter.com
Interview mit Sharon Shattuck und Ian Cheney: www.youtube.com
Die Wissenschaftlerinnen:
Raychelle Burks: ist Professorin der Analytischen Chemie an der St. Edward´s University in Austin, Texas. Ihre Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung kostengünstiger, farbmetrischer Sensoren für den Nachweis von Chemikalien von forensischem Interesse, wie Sprengstoffe oder Drogen. Als Wissenschaftsvermittlerin sprach sie beim Outrageous Acts of Science vom Science Channel, bei Reaktionsvideos von der American Chemical Society, im Podcast der Royal Society of Chemistry und bei Conventions wie der DragonCon oder der GeekGirlCon. 2020 wurde sie mit dem Grady-Stack Preis der American Chemical Society für Exzellenz im öffentlichen Engagement ausgezeichnet.
Nancy Hopkins ist Molekularbiologin und Professorin der Biologie am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Sie ist bekannt für Ihre Forschung zur Identifizierung von Genen zur Lebensdauer und Krebsveranlagung in Fischen, außerdem für ihren Einsatz für Gleichberechtigung und Chancengleichheit für Wissenschaftlerinnen in Akademie und Forschung. Sie ist Mitglied bei der National Academy of Sciences, dem Institute of Medicine der National Academy und bei der American Academy of Arts and Sciences.
Jane Willenbring ist Geomorphologin, Professorin der Geologie an der Scripps Institution of Oceanography und Direktorin des Scripps Cosmogenic Isotope Laboratory. Ihre Forschung untersucht die Evolution der Erdoberfläche, insbesondere die Beeinflussung von Landschaften durch Tektonik, Klimawandel und Fauna.
Sie ist seit 2018 Fellow der Geological Society of America und wurde mit der Antarctica Service Medal und dem National Science Foundation CAREER Preis ausgezeichnet.
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