Slavenka Drakulić: Mileva Einstein oder Die Theorie der Einsamkeit. Marie Benedict: Frau Einstein - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur



AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 03.08.2018


Slavenka Drakulić: Mileva Einstein oder Die Theorie der Einsamkeit. Marie Benedict: Frau Einstein
Doris Hermanns

Kurz vor ihrem 70. Todestag am 4. August 2018 sind zwei Romane über Mileva Marić erschienen, deren Herangehensweisen sehr unterschiedlich sind. Sichtbar machen beide das Leben und Wirken von Mileva Marić: Die serbische Mathematikerin und Physikerin und erste Ehefrau von Albert Einstein war 1896 die zweite Frau, die an der der Abteilung für Mathematik und Physik am Polytechnikum Zürich ein volles Studium absolvierte.




Aber es war für sie nicht nur ein Hindernis, dass sie eine Frau war, sie kam zudem aus Serbien, was man sie gleich deutlich spüren ließ: "Wir waren Ausländer, die den in der neutralen Schweiz ansässigen alemannischen Volksstämmen unterlegen waren." (Marie Benedict) Aber sie war fest entschlossen, dieses Studium zu schaffen. Durch ihre angeborene Behinderung – sie hinkte – war sie gewöhnt, Außenseiterin zu sein und sich durch ihre Intelligenz durchzusetzen. Sie wusste, dass sie nie werden würde wie alle anderen und das Studium war ihr einziger Ausweg aus dieser Situation.

Im Studium lernte sie Albert Einstein kennen, mit dem sie zusammenarbeitete, aber sie verliebten sich auch ineinander. Bevor sie ihr Studium abschließen konnte, wurde sie von ihm schwanger, was niemand wissen durfte, da es "seinen Ruf geschädigt hätte". Sie fuhr zurück in ihre Heimat, wo sie 1902 ihre Tochter Lieserl zur Welt brachte. Von Einstein wurde sie erst einmal vertröstet: Wenn er eine Anstellung gefunden habe, würden sie heiraten, dann könnten sie sie vielleicht zu sich nehmen. Der Verlust ihrer Tochter – es ist bis heute nicht bekannt, ob sie starb oder zur Adoption freigegeben wurde – wurde zu einem Schlüsselerlebnis für sie, das den Rest ihres Lebens bestimmte.

Zusammengelebt haben sie jedoch nie. Zwar heirateten Marić und Einstein ein Jahr später, aber jetzt hieß es, dass es seiner Karriere schaden würde, wenn bekannt würde, dass er ein uneheliches Kind habe. Sie bekamen dann allerdings noch zwei Söhne, die nach der Trennung bei ihrer Mutter aufwuchsen.
Im Studium hatten die beiden gleichberechtigt zusammengearbeitet. Wie Drakulić schreibt: "Wir haben eine wichtige Arbeit vollendet, die meinen Mann weltberühmt machen sollte." Denn als es um Veröffentlichungen ging, tauchte ihr Name plötzlich nicht mehr auf, es schien, als ob er alleine gearbeitet habe. Einstein entfernte sich in jeder Hinsicht von ihr, nicht nur, was ihre gemeinsame Arbeit betraf, er ging fremd und ließ sich letztendlich auch von ihr scheiden.

Wo Marie Benedict die Geschichte von dem Moment ab chronologisch erzählt, an dem Marić ihr Studium in Zürich beginnt, festentschlossen, allem zu trotzen, was sich ihr in den Weg stellt, beginnt Slavenka Drakulić mit der Trennung des Paars, d. h. mit dem Forderungskatalog, den Einstein seiner Frau in Berlin schrieb, indem er sie zu einer Dienstmagd degradierte und der sie einfach nur fassungslos machte. Sie ließ sich jedoch keineswegs auf seine Unverschämtheiten ein, sondern ging zurück nach Zürich, wo sie zumindest Bekannte hatte. Ihr vorheriges Leben wird von Drakulić in rückblickenden Erinnerungen erzählt.

Bei beiden ist damit der Ton gleich von Anfang an gesetzt: Benedict erzählt die Geschichte von Marić, die ihre anfängliche Festentschlossenheit und ihren Willen, dieses Studium zu schaffen deutlich macht, aber auch ihre Lebenslust. Diese wird vor allem im Zusammenleben mit den beiden anderen Studentinnen deutlich, mit denen sie musiziert und Ausflüge unternimmt. Eine Geschichte voller Hoffnungen, die enttäuscht werden – sei es auf ein gemeinsames Eheleben mit Einstein, das nur einige Jahre währte, oder auf ein abgeschlossenes Studium und einen Beruf. Letztendlich wurde sie das, was sie nie gewollt hatte: Hausfrau und Mutter.

Drakulić hingegen beginnt bereits mit dem Scheitern: mit der Trennung von Einstein. Seine unverschämten Forderungen sind nur der Gipfel dessen, was er sich ihr gegenüber bereits seit Jahren geleistet hat, die sie jetzt aber dazu bringen, zu gehen. Der Ton ist von Anfang an eher düster, die Schwere ihres Lebens überwiegt, überzeugt aber durch seine Intensität.

AVIVA-Tipp: Beide Bücher zeigen sehr deutlich auf, welchen Schwierigkeiten Frauen ausgeliefert waren, die Anfang des letzten Jahrhunderts ein Studium aufnahmen. Mit der Zulassung alleine waren diese natürlich nicht vorbei. Beiden Autorinnen ist zu verdanken, dass sie das Leben von Mileva Marić einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machen. Während Benedict dieses eher auf unterhaltsame Weise beschreibt, ist der Roman von Drakulić literarischer. Dass dabei das überpositive Bild von Albert Einstein Schaden leidet, ist unvermeidlich.

Zu den Autorinnen:
Marie Benedict
, geb. 1973, studierte am Boston College Geschichte und Kunstgeschichte und an der Boston University School of Law. Sie ist Anwältin und lebt mit ihrer Familie in Pittsburgh.
Mehr Informationen zur Autorin: www.authormariebenedict.com

Slavenka Drakulić, geb. 1949, ist eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Kroatiens. Sie schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, die Neue Zürcher Zeitung und Zeit Online. 2005 erhielt sie für "Keiner war dabei" den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung. 2007 erschien der Roman "Frida" über Frida Kahlo, 2016 der Roman "Dora und der Minotaurus" über Dora Maar.
Mehr Informationen zur Autorin: slavenkadrakulic.com

Zu den Ãœbersetzerinnen:
Marieke Heimburger
, geb. 1972, hat in Düsseldorf Literaturübersetzen für Englisch und Spanisch studiert. Seit 1998 übersetzt sie englischsprachige Literatur, u.a. Stephanie Meyer, Rowan Coleman, Kiera Cass, Sally McGrane, seit 2010 auch aus dem Dänischen, u.a. Jussi Adler-Olsen, Anna Grue, Mads Peder Nordbo.
Katharina Wolf-Griesshaber, geb. 1955, lebt und arbeitet in Münster. Sie hat Publikationen zu Danilo Kiš, Ivo Andrić, Bora Ćosić und Vladimir Nabokov vorgelegt und übersetzt unter anderem Danilo Kiš, Bora Ćosić und Dževad Karahasan.



Marie Benedict
Frau Einstein

Roman
Kiepenheuer & Witsch, erschienen 2018
Gebunden mit Schutzumschlag. 363 Seiten
Aus dem amerikanischen Englisch von Marieke Heimburger
Originaltitel: The Other Einstein
ISBN 978-3-462-04981-7
Euro 16,99
Zum Buch: www.kiwi-verlag.de



Slavenka Drakulić
Mileva Einstein oder Die Theorie der Einsamkeit

Originaltitel: Mileva Einstein, teorija tuge
Aus dem Kroatischen von Katharina Wolf-Grießhaber
Roman
Aufbau Verlag, erschienen 2018
Gebunden mit Schutzumschlag. 224 Seiten
ISBN 978-3-351-03707-9
Euro 20,00
Zum Buch: www.aufbau-verlag.de

Die Biografie von Mileva Einstein-Marić auf FemBio: www.fembio.org

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Beitrag vom 03.08.2018

Doris Hermanns