Nana Mouskouri - Stimme der Sehnsucht - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur Biographien



AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 19.11.2008


Nana Mouskouri - Stimme der Sehnsucht
Henriette Jankow

Die weltweit erfolgreichste Sängerin nach Madonna gab im Juli 2008 ihr letztes Konzert. Nun erscheint ihre Autobiographie auf dem deutschen Markt mit einem Zusatzkapitel für ihre deutschen Fans.




Es scheint nahezu ein Naturgesetz des Showbusiness zu sein, dass im Leben eines jeden Stars einmal der Punkt kommt, an welchem er oder sie eine Autobiographie verfasst. In Zeiten einer regelrechten Autobiographieflut, die der LeserInnenschaft unter anderem das Privatleben von Nadja Abd el Farrag nahegebracht - oder vielleicht doch aufgedrängt? - hat, darf man sich als Normalsterbliche sehr wohl fragen, ob denn wirklich jede Geschichte, die ein "Promi" meint, erzählen zu müssen, es wert ist, zwischen zwei Buchdeckel gepresst zu werden. Die Antwort lautet in einigen Fällen sicher Nein.

Doch dann gibt es da noch die ganz Großen, die gerade eben deswegen Stars sind, weil sie sich nicht als solche begreifen Manche von ihnen stehen seit einem halben Jahrhundert auf den bedeutendsten Bühnen der Welt und in erhielten 250 Goldene Schallplatten - so wie Nana Mouskouri, die nun erzählt, was sie das Leben auf der Bühne und dahinter in 74 Jahren gelehrt hat.

Sie erzählt von ihrer Kindheit während des Krieges, von ihren Eltern, die stets im Streit mit einander lagen, weil der Vater das gesamte Geld der Familie verspielte, von ihrer zwei Jahre älteren Schwester Jenny, die für Nana das Maß aller Dinge war. Und sie erzählt vom Kino, einer Welt die sie immer wieder verzauberte, als sie heimlich im Vorführsaal ihres Vaters Judy Garland und Cary Grant anschmachtete. Dieser Kinosaal und die Soli, die sie ihrem Vater abends zu Hause darbot, würden später Nanas Orte der inneren Ruhe werden, wenn sie selbst vor tausenden von Menschen in Paris, Montreal, London, Berlin und New York sang.

Ihren Erinnerungen folgend möchte man fast meinen, sie kam zu ihrer Karriere der zweiterfolgreichsten Sängerin der Welt wie die Jungfrau zum Kinde. Einzig ihre Stimme war ihr Antrieb, ihre Leidenschaft, den innersten Emotionen Gehör zu verschaffen, über den Jazz, griechische Folklore, französische Chansons und deutsche Schlager. So verdiente sie sich ihr erstes (weniges) Geld mit Auftritten in Athener Nachtclubs und Bars und machte sich, ohne dies zu beabsichtigen, einen Namen. Bald schon wurde man in der griechischen Musikbranche auf die junge Nachwuchskünstlerin aufmerksam. Nach Manos Hadjidakis in Griechenland sollte Louis Hazan in Frankreich ihr Mentor werden. Unter seiner Leitung begann sie in den 1960er Jahren ihre Weltkarriere, auch wenn sich der Erfolg in Frankreich selbst zunächst nicht einstellen sollte.

Mit Harry Belafonte ging sie auf Tournee, ließ sich von Quincy Jones produzieren, war mit dem griechischen Präsidenten Konstantin Karamanlis und Joan Baez befreundet und kommunizierte mit Marlene Dietrich über Grußnachrichten als sie beide zur selben Zeit durch Großbritannien tourten. Ihre Konzerte in Sydney, London, Tokio, Paris, Athen, Atlanta und Berlin waren schnell ausverkauft. Als ehrenamtliche Botschafterin bei der UNICEF setzte sie ihren Ruhm für einen guten Zweck ein - für sie "die schönste Art, meine Schulden gegenüber dieser Welt, die mich unzählige Male mit Anerkennung und Liebe bedacht hatte, zu begleichen."

Es scheint, als habe das Leben die talentierte Griechin, die sich immer schwer tat, sich selbst zu lieben und über ihre Schüchternheit hinauszuwachsen, dafür entschädigen wollen, dass sie nur unter erschwerten Bedingungen Kind sein durfte, dafür, dass ihre Eltern ihr nicht zeigen konnten, was es bedeutete, zu lieben. Ob eine Autobiographie gut ist, hängt weniger von der Qualität des Schreibstils, als vielmehr von der Authentizität ab, davon, ob das Buch Persönlichkeit hat. Nana Mouskouri ist stets ehrlich, sich selbst und den LeserInnen gegenüber und macht kein Hehl aus ihrer berufsanfänglichen Naivität und den Verletzungen, die sie im Lauf der Zeit erlitt. Auch gesteht sie sich ein, nicht ausreichend genug für ihre Kinder da gewesen zu sein und Konflikte immer gescheut zu haben, statt ihnen offen begegnet zu sein. Sie ist ein Weltstar, der sich nur bedingt den Standards des Showbusiness anpasste. Ihre Brille, die in den Anfängen ihrer Karriere Anlass zu Hohn und Spott gab, wurde zu ihrem Markenzeichen und "ein Freund".

Nachdem sie vor etwa 50 Jahren das erste Mal die Bühne betrat, gab sie am 23. Juli 2008 in Athen das Abschlusskonzert ihrer letzten Welttournee und erklärte: "In den siebenundvierzig Jahren, seit mich die Weißen Rosen aus Athen in Berlin bekannt gemacht hatten, sind Lieder für mich zu einer Art Religion geworden, zu einer Verbindung von Menschlichkeit, Kultur, Verständnis und Großherzigkeit. Durch sie habe ich verstanden, dass es keine sprachlichen Barrieren, sondern nur Grenzen gibt, die der Respekt gebietet. Wenn sie von aufrichtigen Gefühlen inspiriert sind, gehören diese Lieder allen, der ganzen Welt."

Ist es nun Kalkül, dass Nana Mouskouris Erinnerungen gerade jetzt erscheinen, nachdem sie öffentlich das Ende ihres Bühnenlebens erklärt hat? Und wenn schon! Der unbestreitbare Vorzug von Autobiographien ist es, dass man ein bisschen das Gefühl hat, sich mit einer solchen Legende, wie Nana Mouskouri es ist, anfreunden zu können. Es ist fast so, als säße sie einem gegenüber und vertraue einem ihre Erinnerungen an ein turbulentes Leben an, ungeschönt und echt, als würde sie uns mit all den Menschen bekannt machen, die sie auf den Weg zu sich selbst brachten. Nach einem Treffen mit Frank Sinatra, den Mouskouri als sehr selbstfixiert erlebte, schwor sie sich, nie zu vergessen, wer sie war und woher sie kam. "Ich glaube ich wurde geboren, um eine Sängerin zu sein - nicht ein Star - eine Sängerin", sagte sie einmal und man möchte sie beglückwünschen, dass sie es soweit gebracht hat, mit geschlossenen Augen auf der Bühne zu stehen, getragen von ihren Emotionen, ohne ihre Brille abzunehmen, ohne sich selbst zu verraten.

AVIVA-Tipp: Nana Mouskouri selbst versteht dieses Buch als ein Dankeschön an ihre Fans und vor allem an ihre FreundInnen, von denen sie so viel lernen konnte. Offenherzig beschreibt sie Begegnungen mit interessanten Menschen und gewährt tiefe Einblicke in ihre Welt der Träume, die Bühne. Ihre Autobiographie sollte von vorn bis hinten wahr sein, erklärte sie. Wahrheit ist sicher relativ. Aber ihrem eigenen Anspruch der Authentizität wird sie mehr als gerecht.

Zur Autorin: Nana Mouskouri ist nach Madonna die erfolgreichste Sängerin weltweit. Sie verkaufte 250 Millionen Tonträger und bewegte sich seit Beginn der 1960er mehr oder weniger rastlos auf den Bühnen der Welt. Ihre zwei Kinder Nicolas und Hélène gingen aus ihrer ersten Ehe mit dem Gitarristen und Kapellmeister ihrer früheren Begleitband Georgios Petsilas hervor. Erst im Jahre 2003 heiratete sie den Mann ihres Leben, ihren künstlerischen Leiter André Chapelle. Nach dem Ende ihrer Bühnenkarriere will Nana Mouskouri sich weiterhin für wohltätige Zwecke engagieren und die Zeit für ihre Familie aufbringen, die sich während ihrer Karriere nur bedingt hatte. Heute nennt sie Paris, Genf und Athen ihre Heimat.


Lesen Sie auch auf AVIVA-Berlin die Rezension zur Neuauflage von Nana Mouskouris Jazz-Album: "Nana Mouskouri in New York"

Nana Mouskouri
Stimme der Sehnsucht – Meine Erinnerungen

Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, erschienen November 2008
Hardcover, 492 Seiten
ISBN: 978-3-89602-848-8
19,90 Euro


Literatur > Biographien

Beitrag vom 19.11.2008

AVIVA-Redaktion