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Beitrag vom 14.10.2016
Deborah Sharon Abeles, DESSA, Stolzesteine - Stones-of-Pride, Hommage an das Kaufhaus N. Israel, Berlin
Yvonne de Andrés
Die in Afrika als Tochter jüdischer Emigrant_innen geborene Künstlerin hat sich in Berlin auf Spurensuche begeben und dabei kaum noch sichtbare Erinnerungsorte aufgesucht. Über ihre künstlerischen Arbeiten versucht sie, vergessene Geschichten in das kollektive Gedächtnis zurückzubringen.
"Wie kann Kunst einer kollektiven jüdischen Erinnerung dienen?"fragt Deborah Sharon Abeles (DESSA). Ihr ist es ein Bedürfnis, das kollektive Gedächtnis wieder lebendig zu machen. Dabei geht es der Künstlerin auch um die Erinnerung an den Verlust in ihrer eigenen Familie. Diese vergessenen Geschichten möchte sie wieder einbinden in die stadthistorischen Ereignisse und Narrative.
Bereits in ihrem Projekt "Ein Vermächtnis für Theresienstadt" hat sie sich im Jahr 1997 intensiv mit verschiedenen Formen und Perspektiven der Erinnerungs- und Gedächtniskulturen auseinandergesetzt. Sie hatte ihre Malerei mit der Musik von Viktor Ullmann verbunden,dem österreichisch-ungarischen Komponisten, Dirigenten und Pianisten, der nach seiner Deportation nach Theresienstadtin Ausschwitz-Birkenau vergast wurde.
Das neue Projekt beschäftigt sich mit dem Kaufhaus Nathan Israel und seiner Familie, der einst das älteste und zeitweilig das größte Kaufhaus in Berlin gehörte. Der erste Standort lag in der Jüdenstraße 18. Die darauf folgende Anschrift lautete im Jahr 1818: Am Molkenmarkt 2. Ein Ort, der 1818 noch vor den Toren Berlins lag. 1843 eröffnete das große sechsstöckige Kaufhaus direkt an der Spandauer Straße gegenüber des Roten Rathauses. Am 9. Februar 1939 wurde es "arisiert" und Wilfried Israel konnte zwar noch aus Deutschland fliehen, kam aber während eines Fluges, die Maschine wurde von der Wehrmacht abgeschossen, ums Leben. Eine unscheinbare Erinnerungstafel (Ecke Spandauer Straße / Am Nußbaum) erinnert heute an die Kaufhausfamilie Nathan Israel.
DESSA malt und collagiert diese meist aus dem kollektiven Gedächtnis vergesseneGeschichten. So gestaltet sie u.a.das Bild "The World of Wilfried Israel" als eine Collage, die den Kosmos von Wilfried Israel mit Bildern, Namen, Gesichtern und Orten ausfüllt, denen man wie bei einer Spurensuche nachgehen kann. Wilfried Israels Porträt befindet sich zentral im Bild, es ist leicht mit weißer Kreide aufgetragen, drum herum befinden sich ein Foto des Kaufhauses N. Israel, wichtige Persönlichkeiten mit denen er verkehrte, wie z. B. Dr. Elisabeth Rotten, eine Schweizer Jüdin und Reformpädagogin, Albert Einstein und Martin Buber. Es zeigt aber auch eine Abbildung des Kibbuz Hazorea, dem er seine Kunstsammlung vermachte. Die Collage ist ein Versuch, Bezüge sichtbar zu machen.
Aus dieser und anderen Erfahrungen der Erinnerungs- und Mahnmalskultur wurde DESSA eine Verfechterin des Projekts Stolzesteine. Der Name ist abgeleitet aus dem Englischen: Stones-of-Pride. Für DESSA bedeutet Stolpern = Scheitern. Daher setzt sie Stolpersteine mit "Schwierigkeit, Behinderung, die bestimmte Absichten oder das gute Ansehen von jemandem zunichtemachen kann", gleich. Dagegen setzt sie den Stolzestein, der für DESSA als Kennzeichnung von Anerkennung und Ehrung, Anerkennung und Wertschätzung einer Person steht.
Die Ausstellung "Hommage an das Kaufhaus N. Israel, Berlin" im Stadtmuseum Mitte (2015) fand ich anregend und eine gute Ergänzung zu den regelmäßigen Stadtführungen die die Heinrich-Böll-Stiftung (Berlin) zu Wilfried Israel anbietet.
Auch ist die Idee, wie wir Gedenken und leere Erinnerungsräume wieder ins kollektive Gedächtnis einer Stadtgesellschaft hineintragen, sehr spannend. In Museum Moabit jedoch erlebte ich einen anderen Diskurs, der eine harsche Kritik an Gunter Demnigs Stolperstein-Initiative darbot, ohne eine wirklich konkrete Alternative zu bieten. Im Oktober 2004 wurde vor dem ehemaligen Standort des Kaufhauses Nathan Israel, Berlin-Mitte, Spandauer Straße 26-32 (heute Spandauer Straße 17), ein Stolperstein verlegt.
AVIVA-Tipp: "Stolzesteine – Stones-of-Pride" erinnert an die Geschichte der Kaufhausfamilie Nathan Israel und stellt umfassend die wichtigen Überlegungen und Ansätze der Künstlerin DESSA zur Mahnmahl- und Erinnerungskultur vor.
Zur Autorin: Deborah Sharon Abeles wurde 1948 in Südrhodesien, heute Simbabwe, als Tochter jüdischer Emigrant_innen geboren. Sie studierte Ergotherapie in Israel. Ihre Arbeiten aus Musik und Bildender Kunst spiegeln ihre Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Ausdruck im Dienst einer kollektiven Erinnerung, ihr Interesse an der jüdischen Geschichte, sowie ihrem eigenen Verlust der Familie in Auschwitz. Daraus entstanden"A Legacy from Theresienstadt" (1997) und "A Tribute to Kaufhaus N. Israel 1815–1939" (2003). Ausstellungen in Deutschland, der Schweiz, der Tschechischen Republik, Polen, Frankreich und Italien. Seit 1983 Schweizer Staatsbürgerin, lebt DESSA, so das Pseudonym der Künstlerin und Autorin, mit ihrem Ehemann Hervé Petrozin Pully (Schweiz)und in Berlin.
Mehr Infos zur Autorin und Künstlerin unter: dessa-art.com
Deborah Sharon Abeles DESSA
Stolzesteine – Stones-of-Pride
Hommage an das Kaufhaus N. Israel, Berlin
Mit einem Essay von Holt Meyer
Sprache: Deutsch, Englisch
Hentrich & Hentrich Verlag, Hardcover, 96 Seiten, 34 Farbabbildungen
20,00 Euro [D]
Hentrich&Hentrich, erschienen 2015
ISBN: 978-3-95565-112-1
www.hentrichhentrich.de
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