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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 07.12.2011


Sookee - Bitches Butches Dykes and Divas
Britta Meyer

Dass es intelligenten Hip-Hop gibt, wissen wir schon lange. Dass es ihn auch auf eine Weise gibt, die sich kritisch mit gegenderten Machtstrukturen, Heterosexismen und Geschlechterstereotypen...




... auseinander setzt, dafür sorgt seit einigen Jahren Sookee. Ihr mittlerweile drittes Soloalbum nimmt sich fünfzehn Tracks lang Zeit für aufhorchwillige Individuen jeden Geschlechts.

Wenn jemand linguistisch Geschultes sich daran macht, Sprechgesang zu schreiben, dann ist das generell eine interessante Sache. Wenn diese Person, wie im vorliegenden Fall, auch noch genderpolitisch unterwegs ist, dann fängt der Spaß erst richtig an. An Themen für Sookees Texte herrscht wahrlich kein Mangel. Entmenschlichte Bildungssysteme, das Recht, sich über Geschlechtergrenzen hinweg nach Belieben zu kleiden und zu verlieben, die Verharmlosung sexualisierter Gewalt oder die schmerzhafte Trauerarbeit nach einer Trennung, es gibt eine Menge, was hier in Worte gefasst wurde.

"Schluss mit der guten und der schlechten Frau
diese Trennung hat uns zu oft guten Sex versaut"


In jedem Song mindestens zweimal erlebt frau persönliche Wiedererkennungsmomente, wie beispielweise bei "Einige meiner besten Freunde sind Männer": Mansplaining und aggressives Dominanzgebaren ausgerechnet in gesellschaftlichen Umfeldern, die sich der kritischen Dekonstruktion ebensolcher Unterdrückungsmechanismen verschrieben haben? Ja, das gibt es, und zwar ständig.

"Ungefragt erklärt er dominantes Redeverhalten
und merkt nicht, niemand hat ihn gebeten, ne Rede zu halten
Er findet Mackertum zwar schlimm und den Sexistenscheiß
aber fragt mich dann, ob ich meine Texte selber schreib"


Das Inspirierende des Albums liegt in seinem bei aller Wut ungebrochenen Optimismus. Sprache wird gezielt als eines der möglichen Werkzeuge gebraucht, um Kritik zu üben, Absurditäten aufzuzeigen, Alternativen zu formulieren und lila Utopien zu schmieden. Sookees KollegInnen Refpolk, Bad Kat, Pyro One, Kobito und Captain Gips liefern dabei sprachliche Unterstützung. Getragen werden die beredten Zeilen von tanzaffinen Beats, gerade der extra für den Slutwalk geschriebene Titeltrack "Bitches Butches Dykes & Divas" erweist sich als äußerst hartnäckiger Ohrwurm:

"Ich hasse keine Männer und ich trink mir keinen Mut an
wir nehmen zurück, was euch niemals zustand"


Es wird hingebungsvoll zerpflückt, analysiert, seziert, parodiert, neu sortiert und zusammengefügt, was nervt, was beängstigt, was hemmt und beschränkt. Eine nicht zu unterschätzende Infektionsgefahr ist gegeben und, wie die hier Schreibende argwöhnt, höchstwahrscheinlich intendiert.

"Meine Utopie ist gar nicht so weit weg, hab ich verstanden
denn sie wohnt sehr wohl in meinem Kopf, somit in meinem Handeln
Ich glaub kaum an die Wahrheit, aber an Realität
um zu glauben, es wird nix mehr, ist es viel zu spät"


Und tanzen kann mensch dazu auch noch.

Zur Künstlerin: Sookee, geboren 1983, hat germanistische Linguistik und Gender Studies studiert. Von 2003 bis 2007 trat sie zusammen mit der Crew "Profi Rap" auf. Im Jahr 2006 erschien ihr erstes Soloalbum "Kopf, Herz, Arsch", 2010 folgte "Quing" sowie das Gemeinschaftsprojekt "Deine Elstern" mit Kobito und Schlagzeiln. Sookee, auch unter dem Namen "Quing of Berlin" bekannt, kommt ursprünglich aus Mecklenburg-Vorpommern und lebt seit 1986 in Berlin. Sie engagiert sich in der Bewegung "Smash homophobia" und trat unter anderem bei der "1000-Kreuze-in-die-Spree"-Demonstration im Jahr 2010 auf.

AVIVA-Tipp: Repeat. Repeat. Nochmal. Weil die Beats sich festsetzen, weil mensch die Lyrics am liebsten mitschreiben will. Rasend schnell, eloquent und im Wechsel witzig und wütend auf den Punkt gebracht. Ihre Energie ist genauso ansteckend wie ihre Sehnsucht nach einer Welt der Menschen, nicht der Geschlechtergrenzen.
Geh nach Hause, Bushido, hier ist eine, die was zu sagen hat.

Lesen Sie auch unser Interview mit Sookee.

Bitches Butches Dykes & Divas
Erscheinungsdatum : 2. Dezember 2011
Label: Springstoff
Copyright: 2011 SPRINGSTOFF
Gesamtlänge: 56:55

Weitere Informationen finden Sie unter:

www.sookee.de

www.springstoff.de

www.myspace.com/sookeeberlin

www.facebook.com/sookeeberlin

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Beitrag vom 07.12.2011

Britta Meyer