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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 20.08.2018


Sophie Hunger - Molecules
Nora Rauschenbach

In ihrem siebten und erstmalig durchgehend englischsprachigen Album hat die in Berlin lebende Schweizerin den jazzigen Folk durch Drumcomputer, Synthesizer und starke Beats ersetzt. Sophie Hunger selbst nennt diese Umorientierung "minimal electronic folk". Die Tiefgründigkeit…




... ihrer Lyrics sowie die Verletzlichkeit ihrer Stimme bleiben erhalten.

Seit ihrem letzten Album Supermoon (2015) hat sich einiges im Leben der talentierten Schweizerin verändert: Sie ist nach Berlin gezogen, hat elektronische Musik für sich entdeckt und ihre klassischen Instrumente wie Gitarre und Klavier gegen Drumcomputer etc. getauscht.

Eine Konstante in ihrem Leben ist jedoch ihr Gespür für soziale Ungerechtigkeiten. Bereits 2010 sprach sie sich gegenüber AVIVA-Berlin im Interview gegen die strikte Einwanderungspolitik der Schweiz und den zunehmenden Nationalismus aus.
Auch in ihrem neuen Album beschäftigt sie sich viel mit politischen Themen, wie mit Fake-News, Korruption und Ignoranz.

Sie hat die Wahl

Molecules kombiniert sowohl persönliche, private Erfahrungen, wie auch den allgemeinen Frust, den wohl momentan jede*r angesichts der weltpolitischen Lage empfindet.
Der erste Song des Albums, der genau dies thematisiert, trägt den Titel She Makes President ("She´s got plutonium in her hair […] She will make the president."). Vor der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 hörte die Musikerin in einer Radiosendung, dass die Frauen die letzte Entscheidungsmacht zum Ausgang der Wahlen hätten, da sie zahlenmäßig überlegen und aktiver in der Wahlbeteiligung seien.
Sophie Hunger war schockiert: "Ich habe diesen Song geschrieben, um ein Bild von dieser weiblichen Identität der Zukunft zu zeichnen und dann gewann Trump die Wahl. Ich musste lernen, dass die Frauen es in ihren Händen hatten, Trump nicht zu wählen, aber dann doch wieder bewiesen haben, dass man sich nicht auf sie verlassen kann, wenn es darum geht, für die eigenen Rechte einzustehen."

Die Moleküle

In ihrem ebenfalls politisch inspirierten Song Tricks singt die Künstlerin und Komponistin:

"Sugar shock meets insulin. […] Nitroglycerin for healing you are in control of people´s feelings, you push´em down to help´em up."

Die Ironie in Hungers Texten bleibt also erhalten: Nitroglyzerin ist ursprünglich ein Sprengstoff, wird jedoch wegen seiner gefäßerweiternden Wirkung auch in der Medizin eingesetzt. Die Verdichtung der physikalischen Stoffe ist laut der Musikerin der rote Faden ihres Albums. Früher seien die Singer-Songwriter-Vokabeln "bones, blood and birds" gewesen, heute müssten sie ersetzt werden durch "plastic, plutonium and particles".
Hierbei wird ein ganz besonderer Zusammenhang zwischen Text und den vielen synthetischen Sounds hergestellt. Die Zuhörerin bekommt den Eindruck, als würden tatsächliche Moleküle über die Tasten von Sophie Hungers Drumcomputer hüpfen.

Vertraute Seltsamkeit

Obwohl sie sich nun zunehmend für modulare Synthesizer und elektronische Sounds interessiert, bleibt die Musikerin nach wie vor vertraut seltsam und erinnert an die britische Songwriterin Beth Orton und die russisch-amerikanische Sängerin und Songwriterin Regina Spektor.

In einem von Sophie Hungers persönlicheren Songs heißt es: "There are still some molecules […] and there´s still a darker dark."
Hier beschäftigt sich die Künstlerin auf düstere, fast schon melancholische Weise mit einer Beziehung, die von Depressionen bestimmt ist.
Und erneut ziehen sich die Molekülstränge verlässlich durch Sophie Hungers Songs, wie etwas, auf das sich zurückgreifen lässt, wenn die "gewöhnlichen" Vokabeln nicht reichen, um das zu sagen, was gesagt werden muss.

AVIVA-Tipp: Mit ihrem siebten Album Molecules hat Sophie Hunger es wieder einmal geschafft, in jedem Song zu überzeugen. Durchzogen vom Hunger-typisch-leicht abgerückten, etwas melancholischen Sound, wie wir ihn aus ihren früheren Alben bereits kennen, doch auch bestimmt von neuen elektronischen Klängen, fehlt es ihr nicht an Tiefgründigkeit.

Zur Musikerin: Sophie Hunger wurde am 31.03.1983 in Bern als Emilie Jeanne-Sophie Welti geboren. Als Kind eines Diplomaten und einer Lehrerin, Juristin und ehemaligen Politikerin ist die Musikerin in Bern, London, Bonn und Zürich aufgewachsen und hat früh ihre Liebe zur Musik entdeckt.
Sie wurde Sängerin bei den Bands Superterz und Fisher und veröffentlichte 2006 ihr Debütalbum Sketches On Sea. 2008 folgte Monday´s Ghost, mit dem sie sich die Spitze der Schweizer Charts erkämpfte. 2010 trat sie als erste und einzige Schweizerin beim Glastonbury Festival in England auf. Es folgten die Alben 1983 (2010), The Danger Of Light (2012) und Supermoon (2015).

Weitere Infos zu Sophie Hunger unter:

www.sophiehunger.com
www.facebook.com/sophiehunger
www.twitter.com/sophiehunger

Sophie Hunger
Molecules

Caroline International / Universal Music
VÖ: 31. August 2018
www.universal-music.de

"Sound einer Widerspenstigen". Ein Beitrag über Sophie Hunger vom 05.08.18 auf ttt: www.daserste.de

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Sophie Hunger - Supermoon
Neu-Berlinerin Sophie Hunger ist zurück und hat frische Musik im Gepäck. Die Sehnsucht nach der Fremde war Inspiration für das mehrsprachige Album "Supermoon", das vor allem in Kalifornien entstand. (2015)

Sophie Hunger - The Danger Of Light
Der enorme internationale Erfolg ihrer beiden vorangegangenen Alben sowie unzählige gefeierte Konzerte haben das künstlerische Selbstbewusstsein von Sophie Hunger gestärkt. Für ihr drittes Studioalbum wagte sich die Schweizer Künstlerin daher aus ihrem gewohnten Terrain heraus und reiste für die Aufnahmen bis nach Nordamerika. (2012)

Sophie Hunger - 1983
Die Songs der scheuen Schweizerin balancieren mühelos zwischen laut und leise, beglücken die Sinne durch vielschichtigen Instrumenteneinsatz, während die Texte durch poetische Schönheit beeindrucken und die Gedanken durch surreale Impulse bereichern. (2010)

Sophie Hunger im Interview
AVIVA-Berlin traf die Schweizer Songwriterin während ihrer Friedrichshain-Visite zu einem Gespräch über einen ungewöhnlichen Blick auf Berlin, ihren individuellen Zugang zum Musikmachen, die Entstehung ihres dritten Albums "1983" und die Paradoxien des Nein-Sagens. (2010)

Sophie Hunger – Monday´s Ghost
In der Schweiz gilt sie als das neue Wunderkind der länderinternen Songwriting-Kunst. Ihr Debut "Sketches On Sea" erschien vor zwei Jahren noch in Eigenregie und zog die Gunst des Publikumsmit zurückhaltendem Charme auf sich. Nach und nach wurden ganz ohne eine aufdringliche Promo-Kampagne Tausende von Exemplaren verkauft. Das wird ihrem Zweitling nicht passieren. In der Schweiz katapultierte er sich gleich auf den ersten Rang der Popalbum-Charts und überholte damit Bushido, die Söhne Mannheims und Metallica. (2009)

Kat Frankie - Bad Behaviour
Kat Frankie, früher ein Geheimtipp für Anhänger*innen des Singer-Songwriter-Genres, zeigt mit ihrem vierten Soloalbum eine ganz neue Seite ihres musikalischen Könnens. Während sie früher mit überwiegend akustischen Instrumenten wie Gitarre und Piano glänzte und melancholische Stimmung verbreitete, wendet sie sich auf "Bad Behaviour" mehr der Elektronik zu und lässt ihre Stücke fröhlicher, poppiger und bisweilen auch rockiger klingen. (2018)

Beth Orton - Sugaring Season
Die Tage werden kürzer, die Luft kühler und die Blätter bunt – Der Herbst ist da und klang selten so rund und voll, wie auf dem aktuellen Longplayer der Britin Beth Orton. Bisher bekannt für ihren Folk-Tronica-Sound, setzt die Songwriterin nun mehr denn je auf die Emotionalität ihrer Stimme, welche die Hörerin mal fröhlich, mal melancholisch durch die Jahreszeit trägt. (2012)

Regina Spektor - Live in London
Endlich ist ein Konzert der russisch-amerikanischen Sängerin und Songwriterin als Live-CD und DVD erhältlich. Seit ihrem Durchbruch 2006 mit "Begin To Hope" sind ihre Konzerte schnell ausverkauft und ein Erlebnis für anspruchsvolle Edelpop-Fans. Besonders ihr Pianospiel bleibt lange in den Sinnen hängen. (2010)





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Beitrag vom 20.08.2018

Nora Rauschenbach