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Beitrag vom 22.03.2012
Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung im Jahr 2012 – Aufruf, an den Hauptversammlungen börsennotierter Unternehmen teilzunehmen
Fleischer, Meyer, Adler
Mehr Frauen an die Spitze der Unternehmen! Der Deutsche Juristinnenbund fordert nach zehn Jahren vergeblicher Kooperationsversuche mit den Wirtschaftsunternehmen endgültig eine gesetzliche Quote.
Am 19. März 2012 diskutierte der Deutsche Juristinnenbund (djb) in der Königlich Norwegischen Botschaft in Berlin sowie im Kammergericht Berlin unter dem Motto "Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung - Wie soll der Wandel gelingen?" mit Expertinnen und Experten aus Politik und Wirtschaft, darüber, wie eine Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen deutscher Unternehmen endlich erreicht werden kann.
Im Rahmen des seit 2009 bestehenden, vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderten Projekts "Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung", besucht der djb auch dieses Jahr 75 Hauptversammlungen großer, börsennotierter Unternehmen, wie ThyssenKrupp (Bochum), BASF (Mannheim), Deutsche Post (Frankfurt/M.) oder Daimler (Berlin), deren Führungsetagen nach wie vor ausschließlich von Männern besetzt sind. ThyssenKrupp beispielsweise hat derzeit einen Frauenanteil von 15 Prozent im Aufsichtsrat, dabei nur fünf Prozent von Arbeitgeberseite, und keine einzige Frau im Vorstand.
Geplant ist es, die Unternehmen nach ihren selbst gesetzten Zielen zur Erhöhung des Frauenanteils in den Führungsetagen und ihren Strategien zur Erreichung dieser Ziele zu befragen und sie aufzufordern, diese zu erhöhen.
Die geringe Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft ist ein Skandal. Beim "Quotengipfel" am 17. Oktober 2011 stellten die DAX30-Unternehmen ihre Ziele zur Erhöhung des Frauenanteils im Management vor, ließen sich jedoch auf keinerlei Verpflichtungen für Vorstände und Aufsichtsräte ein. Der "Deutsche Corporate Governance Kodex" (DCGK), der als gesetzlich bestimmtes Regelwerk eine gute Unternehmensführung sichern soll, empfiehlt zwar, "bei der Besetzung von Führungspositionen im Unternehmen auf Vielfalt (Diversity) [zu] achten und dabei insbesondere eine angemessene Berücksichtung von Frauen an[zu]streben", lässt es den Konzernen aber immer noch offen, ob sie einer solchen Empfehlung nachgehen möchten, oder lieber nicht.
Dass diese Freiwilligkeit nicht viel Veränderung gebracht hat, zeigt sich in der Bilanz der letzten zehn Jahre. So auch im Fall der Siemens AG, die beabsichtigt, erst nach den Wahlen zum Aufsichtsrat 2013 eine Frau in den Nominierungsausschuss zu berufen, der die Mitglieder für den Aufsichtsrat vorschlägt. Eine Frau könnte damit erst an der Wahl im Jahr 2018 teilnehmen. Der Ausschuss ist bisher ausschließlich mit Männern besetzt und tendiert deshalb gewohnheitsmäßig dazu, so Ramona Pisal, Präsidentin des djb, auch nur Männer für die Nominierung vorzuschlagen. Das beweist einmal mehr, dass die Siemens AG offenbar noch immer nicht gewillt ist, Frauen an den Entscheidungsgremien zu beteiligen und etwas zu verändern.
Die Veröffentlichung des letzten Wochenberichts des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), der darlegt, dass der Frauenanteil in den DAX30-Unternehmen immer noch gerade einmal bei 3,7 Prozent liegt, bestätigt damit die These des djb, dass eine gesetzlich verordnete Frauenquote von 40 Prozent dringend notwenig ist. "Ein weiteres verlorenes Jahrzehnt für die Frauenförderung darf die Politik den Frauen nicht sehenden Auges zumuten", so Pisal in einer Pressemitteilung vom 17. Oktober 2011.
Die djb-Präsidentin fordert von den Unternehmen in erster Linie "klare Zielvorgaben, Transparenz bei den Auswahl- und Entscheidungsprozessen nach innen und außen, an den Erfolg gekoppelte Vergütungen und eine Veränderung der männlich geprägten Unternehmenskultur. Dafür brauchen wir jetzt ein Gesetz, denn ihre Selbstverpflichtung hat die deutsche Wirtschaft ignoriert. Ein Blick in unsere Nachbarländer zeigt, dass auch dort letztlich zur ultima ratio, einem Gesetz, gegriffen werden musste".
So ist Norwegen mit seinem 2003 erlassenen Gesetz Vorreiter in Europa. Der Botschafter des Königreichs Norwegen in Deutschland, Sven Eric Svedman, sprach bei der Veranstaltung ein Grußwort. Mit der "Berliner Erklärung", einer überparteilichen Initiative von Verbänden und Parlamentarierinnen, die inzwischen ca. 11.000 Frauen und Männer unterzeichnet haben, fordert der djb nun auch in Deutschland die unverzügliche Einführung verbindlicher gesetzlicher Regelungen.
Neben dem djb setzt sich mittlerweile auch der DJV und die EU Justizkommissarin Viviane Reding für eine gesetzliche Verpflichtung zur Durchsetzung eines höheren Frauenanteils in den Chefetagen der Wirtschaft ein. In einer Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 5. März 2012 kündigte Reding zukünftige Rechtsvorschriften an, um "die mangelnde Geschlechterdiversität in den Chefetagen zu beheben." Reding zufolge ist es "höchste Zeit für Europa, die gläserne Decke zu durchbrechen, die weibliches Talent weiterhin von der Spitze der börsennotierten Unternehmen in Europa trennt."
An den Hauptversammlungen der Konzerne kann teilgenommen werden!
Unter folgendem Link finden Sie die Liste der 75 Hauptversammlungen der börsennotierten Unternehmen
Bei Interesse melden Sie sich bitte bei der Geschäftsstelle des djb:
Deutscher Juristinnenbund e.V.
Brunnenstraße 128
13355 Berlin
Tel: 030 / 4679860-20
aktionaerinnen@djb.de
www.djb.de
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.djb.de
Liste mit Daten und Orten der 75 Hauptversammlungen börsennotierter Unternehmen
DIW Wochenbericht März 2012: Managerinnen-Barometer 2011
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(Copyright Fotos: Sharon Adler)