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Beitrag vom 13.05.2003
Citytours 4 women
Ilka Fleischer
Ob zu Fuß, per Schiff oder auf Rädern: Das Sightseeing-Angebot von und für Frauen ist in Berlin breit wie bunt...
Berliner Stadtrundfahrten und -gänge von und für Frauen
Theoretisch zu wissen, dass Rosa Luxemburg auf Geheiß des Generalstabchefs Hauptmann Waldemar Pabst (halb)tot in den Landwehrkanal geworfen wurde, ist nichts im Vergleich zum realen Nachschreiten ihrer letzten Lebensmeter. Wer die für die Öffentlichkeit und zahlende BesucherInnen geteilte Brücke im bzw. am Berliner Zoo überquert, kann die animalischen Geräusche und Gerüche kaum mehr genießen:
Am 15. Januar 1919 wurde "die Rote Rosa" hier nach schweren Misshandlungen und einem Kopfschuss durch den Marineleutnant Souchon
dem Tod übergeben. Als Rädelsführerin der Januaraufstände steckbrieflich gesucht, hatte sie FreundInnen nur zwei Monate zuvor die Zeilen zukommen lassen:
"...mich tröstet nur der grimmige Gedanke, dass ich doch auch vielleicht bald ins Jenseits befördert werde - vielleicht durch eine Kugel der Gegenrevolution, die von allen Seiten lauert..."*Alltägliche Worthülsen wie "Geschichte" und "Politik", aber auch "Kunst" und "Kultur" erhalten bei Stadtrundfahrten und -gängen eine tiefere Bedeutung und Greifbarkeit.
Wissen wird erfahrbar und in ein vielschichtigeres Bewusstsein transformiert. Zuweilen setzt dieser konkrete Bezug eine Auseinandersetzung mit bestimmten gesellschaftlichen Aspekten überhaupt erst in Gang.
Diesen Leitgedanken verfolgen neben Fremdenverkehrsbüros vor allem "alternative" AnbieterInnen mit organisierten Sightseeing-Tours schon seit Jahrzehnten. Ob gemeinnützige Vereine oder privatwirtschaftliche Unternehmen: Viele von ihnen bieten inzwischen eine ganze Reihe "frauen-spezifischer" Touren an, die das Leben und Wirken bekannter und weniger bekannter Frauen in den Mittelpunkt stellen.
Mit einem "Weitwinkel"-Ansatz organisiert z.B. die
Geschichtswerkstatt Berlin Frauen-Dampferfahrten und -Stadtrundgänge entlang von Spree und Landwehr-Kanal:
"Das Spektrum reicht von den Berliner Salons bis zu den Lebensbedingungen von Frauen, die in Wagenburgen wohnen, von Lesbenklubs der Zwanziger Jahre bis zu den Einrichtungen der "Neuen Frauenbewegung" und der Prostituierteninitiative "Hydra", vom politischen Einfluss preußischer Königinnen bis zu den Arbeiten zeitgenössischer Architektinnen..."Spezifischer ist die Ausrichtung hingegen bei
Unterwegs, die Rundgänge zu
Geschichte und Gegenwart jüdischer Frauen in ihre Tourenpalette aufgenommen haben. Die teilweise mit Lesungen oder Konzerten kombinierten Führungen stellen Frauen in ihren Beiträgen zu allgemeinen und / oder innerjüdischen Entwicklungen vor.
Während bei den herkömmlichen wie bei den "etwas anderen" Sightseeing-Agenturen ein gemischtes Publikum angesprochen wird, richtet sich das Angebot von einigen Anbieterinnen
teilweise exklusiv an weibliche Stadtrundreisende - und zuweilen ausschließlich an lesbische Frauen. Ob stadtteilspezifisch oder umgebungsorientiert, ob mit Blick auf Ost- oder West-Frauenbewegungen, ob kulturell, wissenschaftlich oder politisch akzentuiert - auch hier sind die Touren und Fahrten variations- und zahlreich.
Das
FFBIZ (Frauen-Forschungs-, Bildungs- und Informationszentrum) offeriert z.B. Busfahrten zur mittlerweile über 30-jährigen Geschichte der Neuen Frauenbewegung und Führungen durch Charlottenburg und Wilmersdorf. Die
Grauzone - Archiv der ostdeutschen Frauenbewegung - organisiert unter dem Titel "Die wilden 80er" Stadtrundgänge zu Frauengruppen in der DDR durch den Prenzlauer Berg.
Die beiden größten Anbieterinnen,
Compania, FrauenKulturService und
Frauentouren decken jede für sich ein breites thematisches Spektrum ab, konzentrieren sich allerdings auf unterschiedliche Zielgruppen. Während die Companias aus der Weiberwirtschaft durch ihre inhaltliche Ausrichtung überwiegend lesbische Frauen ansprechen, richtet sich Frauentouren an ein breiteres Publikum, Frauen wie Männer.
Beide warten mit einer erstaunlichen Tourenvielfalt auf: von den "Musikalischen Salons" und der "Ballhauskultur Berlins", über die "Staatsfrauen von Preußen" und "Frauenleben in der NS-Zeit" bis hin zu "Streifzügen durch die aktuelle Frauen- und Lesbenkultur" und zur "frauenhistorischen Führung über die Friedhöfe am Mehringdamm".
Gänzlich unabhängig von der Zielgruppe fehlt selten eine Rosa-Luxemburg-Tour auf dem Programm.
So wird der Landwehrkanal zum fließenden Mahnmal und der Zoo zur Gedenkstätte.
*zit.n. Cornelia Carstens u.a. (Hg.): Den Frauen nach
- Ein Spaziergang am Landwehrkanal, Berlin 2000, be.bra - S.30
Weitere Informationen zu einzelnen Anbieterinnen finden Sie in folgenden Linksammlungen: http://www2.rz.hu-berlin.de/theologie/frauenbeauftragte/fub.htmhttp://www.miss-marples.net/angebote.htm