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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 11.01.2003


E-lernen Frauen anders?
Ilka Fleischer

Ob Online-, CBT- oder E-Learning - Frauen stellen andere Anforderungen an moderne Lernmedien, so der Leitgedanke des Projektes "Women le@rning via CBT"...




"Women le@rning via CBT"

Im Rahmen der Studie "Does Gender Matter in online Learning?" (University of Stirling) wurde im Jahre 2001 postuliert, dass Frauen wegen ihrer ausgeprägteren Kommunikations- und Organisationsstärke die besseren online-Lernenden sind. Die Ableitung des Forschungsteams: Es sollten Lernumgebungen entwickelt werden, die beiden Geschlechtern entgegenkämen.

Das von der Europäischen Kommission geförderte internationale Projekt "Women le@rning via CBT" hat diesen Anspruch zunächst auf die weibliche Hälfte der Bevölkerung angewendet. Der kryptisch anmutende Titel steht für Computer Based Training und dafür, wie Frauen die damit verbundenen Lernformen nutzen können.


Unter der Leitung von Claudia Klinker (BBS - Berufsbildungsstätte Westmünsterland) hatten sich der Euregio Qualifizierungs- und Technologieforum e.V. (EQT) in Ahaus, das Netzwerk für Berufsausbildung (nowa) aus Graz sowie die Assener Vrouwenvakschool (VVS) Noord- en Oost-Nederland an der Entwicklung frauenspezifischer E-Lernprogramme beteiligt. "Wir wollten den Anforderungen von Frauen an moderne Lernmedien gerecht werden!" formulierte die Projektleiterin die zentrale Zielsetzung rückblickend auf den Projektbeginn 1998.

Neben der Erstellung eines gender-bewussten CBT-Exempels mit dem Programm "E-Mail für dich - E-Mail für mich", verfasste das internationale Team auch einen Kriterienkatalog für die Entwicklung frauenspezifischer CBT-Lernprogramme. Dieser soll ProduzentInnen und BildungsanbieterInnen bei Herstellung und Einsatz interaktiver Lernsoftware für Frauen unterstützen.

Ob und wenn ja, in welcher Hinsicht Frauen anders lernen und insofern andere Lernumgebungen und -methoden benötigen, ist in den Gender-Wissenschaften kein neues Thema. Während dabei einerseits ein weibliches Lernverhalten mit Attributen wie "ganzheitlich, direkt, persönlich" ausgemacht wird, werden von anderer Seite etwaige Geschlechtsspezifika in Lernprozessen mit dem Verweis auf biologistische Fehlannahmen negiert.
Die Kluft zwischen den Gleichheits- und Differenzfraktionen überbrückend, erzielt dabei die These einen weiten Konsens, dass Frauen unterschiedliche bildungsbiografische Lernvoraussetzungen in die Lernsituationen einbringen.

Vor diesem Hintergrund lieferte Gisela Notz vom Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung in ihrer Rede "Lernen Frauen anders als Männer? - Vorurteile und Fakten" auf dem Abschlussworkshop des Projekts "Women le@rning via CBT" wichtige Ergänzungen. Über die Annahme von den bildungsbiographischen Unterschieden hinausgehend, erläuterte sie, inwiefern Frauen nicht nur vor dem Hintergrund anderer Erfahrungen, sondern auch für andere Zwecke und mit anderen Zielstellungen lernten:

"...sie lernen auch für andere Lebenssituationen und zwar sowohl hinsichtlich des anderen Stellenwertes außerhäuslicher Tätigkeiten, als auch in Bezug auf die angestrebten beruflichen Tätigkeiten. Das heißt, Frauen lernen unter anderen Voraussetzungen und Vorerfahrungen und sie lernen Anderes."

Zugleich betonte sie, das Defzit "aller Studien" liege in der fehlenden Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen und Sozialisationserfahrungen von Frauen. Fälschlicherweise werde von Frauen und Männern als homogene Gruppen und somit zugleich von DEM anderen Lernen von Frauen ausgegangen.


Sollten Frauen UND Männer Ander(e)s (E-)lernen?

Trotz der zunehmenden Betonung sozialer "Schlüsselqualifikationen", so erörterte Gisela Notz weiter, sei unser Bildungssystem auf die Akkumulation von marktlegitimierter Aus- und Weiterbildung konzentriert. Somit bestünden keine Gestaltungsfreiräume für ökonomisch nicht unmittelbar verwertbare Qualifikationen.

In diesem Kontext sprach sich die Rednerin für eine Repolitisierung von Bildung und Ausbildung aus - nicht zuletzt, um ausgrenzende Wirkungsweisen von Modernisierungsbestrebungen zu unterbinden. Zudem sei eine neue Qualifizierungskampagne erforderlich, die zur "Selbstbestimmungsfähigkeit" und Herausbildung kritisch-sozialer Kompetenzen anrege, um gemeinsam gegen diskriminierende Strukturen angehen zu können.
Über die Wiederbelebung von Bildung als politischem Begriff könnte - neben der Aufdeckung geschlechtsspezifischer Marginalisierungen - die perspektivische Gestaltung von Arbeits- und Lebensbedingungen gefördert werden. Vor dem Hintergrund der gesamt-gesellschaftlichen Lage und Struktur beendete Gisela Notz ihre Rede allerdings zweiflerisch relativierend:

"Die Aufnahme kritischer Qualifikationen in Curricula nützt allerdings wenig, wenn nicht Möglichkeiten geschaffen werden, dass sie im beruflichen, wie auch im außerberuflichen Leben zum Einsatz kommen können. Solange angepasstes Verhalten, politische Wendigkeit, Ellbogenarbeit und Duckmäusertum belohnt werden, wird der Ruf nach einem Mehr an kritischer Kompetenz zur Farce."

Inwiefern ihr komplexer Beitrag zum ,anderen Lernen im Kriterienkatalog für die Entwicklung frauenspezifischer CBT-Lernprogrammen antizipiert wurde, ist unter folgender Adresse schwarz auf weiß zu überprüfen:




Dokumentation des Leonardo-Projektes Women le@rning via CBT
Ein Pilotprojekt zur frauenspezifischen Entwicklung Computer gestützter Lernprogramme samt CD-ROM "E-mail für dich - E-mail für mich"
ISBN 3-925853-27-8
Kontakt:
Berufsbildungsstätte Westmünsterland GMBH (BBS)
Weidenstraße 2
48683 Ahaus
E-Mail: info@bbs-ahaus.de
http://www.bbs-ahaus.de



In unserem Beitrag eLearning-4-women - Projekte und Initiativen finden Sie eine Reihe praktischer Anlaufstellen im Web...




Women + Work

Beitrag vom 11.01.2003

AVIVA-Redaktion