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Beitrag vom 25.01.2006
Interview mit Buket Alakus
Christiane Müller
In ihrem bewegenden zweiten Spielfilm "Eine andere Liga" erzählt die Regisseurin, wie eine junge Sportlerin mit einer Brustamputation fertig wird und gleichzeitig ihre erste Liebe erlebt.
Buket Alakus wurde 1971 in Istanbul geboren und wuchs in Hamburg auf. Nach ihrer Ausbildung als Kommunikationswirtin an der Berliner Hochschule für Bildende Künste begann sie 1996 das Aufbaustudium Filmregie an der Uni Hamburg. Alakus´ erster Spielfilm, das Drama "Anam", kam Anfang 2002 in die Kinos und wurde auf diversen nationalen und internationalen Festivals gezeigt. Der Film erhielt zahlreiche Preise. "Eine andere Liga" ist ihr zweiter abendfüllender Spielfilm über eine vom Brustkrebs genesende junge Frau türkischer Abstammung.
AVIVA-Berlin: Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Film gekommen?
Buket Alakus: Ich bin auf diese Story gestoßen, als ich beim Zahnarzt saß und diese Frauenzeitschriften las. Da war ein Artikel, der sich in mein Herz geschlichen hat. Es ging darum, dass man über Geheimnisse sprach, und da war dieses 18jährige Mädchen, das den Brustkrebs überlebt hatte. Sie wusste nicht, wann sie dem Mann, mit dem sie am Anfang einer Beziehung stand, erzählen sollte, dass bei ihr etwas nicht vollkommen ist. Ich sah dann eine Seite weiter diese Annoncen, die Werbung machen für Brustaufbau und Nasenkorrekturen. Das hat mir keine Ruhe gelassen. Ich dachte: In was für einer komischen Welt leben wir eigentlich?! Auf der einen Seite gibt es Frauen, die um ihr Leben kämpfen und dann gibt es Frauen, denen man sagt, du musst deine Lippen aufspritzen wie Reifen und du musst Brüste haben, die fast platzen. Ich musste einfach darauf reagieren und ich wollte die Geschichte von diesem Mädchen erzählen. Dabei geht es nicht so sehr um den Brustkrebs selber, sondern um das Danach. Was passiert mit dem Alltag, wenn du es überlebt hast? Wenn du keinen Aufbau gemacht hast und einfach froh bist, dass du leben darfst.
AVIVA-Berlin: Ist das auch die Hauptaussage Ihres Films?
Buket Alakus: Die Hauptaussage ist: Gib dem Leben immer wieder eine Chance! Auch wenn´s tragisch kommt. Und es ist ja schon eine tragische Situation: Hayat lebt mit ihrem Vater, der an der Vergangenheit und sehr an der verstorbenen Mutter hängt und nicht loslassen kann. "Hayat" bedeutet in meiner Sprache übrigens auch "Leben".
AVIVA-Berlin: Warum haben Sie sich dafür entschieden, dass Ihre Hauptfigur Hayat halb türkischer Abstammung ist? War das wichtig für die Handlung?
Buket Alakus: Ja, ich erzähle von einem Mädchen, das noch beim Vater lebt. Deutsche Jugendliche denken ja mit 17 schon ans Ausziehen, an die eigene Wohnung. Bei türkischen Familien ist die Bedeutung der Familie noch höher als der eigene persönliche Wille, und man opfert sich gerne auf. Ich wollte Hayat auch was Türkisches geben, weil deutsche Mädchen doch etwas offener sind, was Sexualität betrifft. Hayat sollte ein bisschen verklemmter sein. Wir hatten da ganz viele Diskussionen mit Karoline Herfurth, die sagte: Also, ich bin doch viel lockerer in meiner Sexualität. Ich wollte aber von einem Mädchen erzählen, das aus einer anderen Kultur kommt.
AVIVA-Berlin: Ihr Film ist ergreifend und viele ZuschauerInnen brauchen bestimmt ein Taschentuch. Haben Sie die komischen Szenen verwendet, damit es nicht ganz so traurig wird?
Buket Alakus: Ja, denn so ist das Leben. Es ist legitim zu lachen, das ist ganz wichtig. Gerade Schwerkranke haben einen eigenen Humor, um das zu bewältigen, um überleben zu können. Und Lachen ist ein wichtiges Heilmittel. Karoline und mir ist es allerdings manchmal sehr schwer gefallen zu lachen, als wir unsere Nachforschungen gemacht haben. Das war nicht leicht.
AVIVA-Berlin: Welche Nachforschungen haben Sie gemacht?
Buket Alakus: Ein Mediziner vom Krebsforschungszentrum in Eppendorf hat uns beraten. Die haben dort ein Zentrum, wo Frauen, die Brustkrebs haben, Informationen bekommen und sich treffen können. Es war für uns schon erschreckend, Bilder zu diesem Thema zu sehen. Ich musste sie mit meiner Maskenbildnerin ja anschauen.
AVIVA-Berlin: Warum haben Sie sich bei der Besetzung der Hauptrollen für Karoline Herfurth und Ken Duken entschieden?
Buket Alakus: Ich habe beim Casting für die Rolle der "Hayat" natürlich besonders darauf geachtet, wie es bei den Schauspielerinnen mit der deutsch-türkischen Seite ist. Da war erstmal keine, die mich extrem überzeugt hat. Was ich gesucht habe war auch Kampfgeist und ein bisschen Melancholie. Sie musste auch jung sein und bereit sein, ihre Brust zu zeigen. Karoline hat mich am besten überzeugt mit ihrer schauspielerischen Fähigkeit. Man muss auch einen "Draht" zu jemandem haben, und den hatte ich zu ihr. Man kann den tollsten Schauspieler der Welt haben, aber man muss den Draht zu ihm haben, sonst kann man mit ihm keine hohen Berge erklimmen - auf der Strecke schmerzt es dann irgendwann.
Ken hatte ich schon in anderen Filmen gesehen und war schon sein Fan, weil ich finde, dass er sehr gut in diese Rollen passt. Es hat sehr viel Spaß gemacht, weil ich sonst sehr viele Frauen hatte, die ich geführt habe. Mit Männern war das für mich das erste Mal.
AVIVA-Berlin: Haben Sie sich auch für Ken entschieden, weil er ein Frauenschwarm ist?
Buket Alakus: Nein. Ich habe mir vorgestellt: Wenn ich so etwas hätte (eine Brust amputiert. Anm. der Red.) und mein Gegenüber ein Mann ist, der auch Defizite hat, dann ist es für mich leichter, ihm zu offenbaren, dass ich auch einen Makel habe. Aber wenn vor mir ein Mann steht, der einfach verdammt gut aussieht, dann hab ich noch mehr Schmerzen, noch mehr Ängste. Dem würde ich mich doch niemals sofort offenbaren. Mir ging es um den Selbstwerterhalt als Frau, weil ich selber weiß, wie ich ticke. Da geht es ums Ausziehen. Wer zieht sich schon gerne vor einem Mann aus, der verdammt gut aussieht? Das ist noch schwerer.
AVIVA-Berlin: Die Hayat im Film spielt Fußball und wirkt recht burschikos...
Buket Alakus: Ja, so sollte sie sein. Ich wollte ein Mädchen, dass noch nicht so viel über ihre Weiblichkeit weiß und sich auf dem Bolzplatz dreckig macht. Und wenn man noch ein bisschen tiefer bohrt: Sie ist Goldschmiedin. Für mich ist das wichtig, weil sie für mich eine Art Amazone ist. Amazonen waren in der Mythologie damals Goldschmiedinnen, die haben Sport getrieben... die Legende sagt ja sogar, sie haben sich selbst eine Brust abgeschnitten, weil sich die ganze Kraft fürs Bogenschießen in einem Arm sammeln sollte. Faszinierend! Für mich ist "Hayat" wie eine letzte Kriegerin.
AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview!
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