Mala Laaser - Karl und Manci - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur



AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 11.02.2018


Mala Laaser - Karl und Manci
Anke Heimberg

Die Novelle, Ende der 1930er Jahre in der C-V-Zeitung des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens publiziert, erzählt eine "Sachliche Romanze" in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise. Die Buchreihe "Fünf. Zwei. Vier. Neun" im Interna Verlag möchte in Vergessenheit geratene AutorInnen und ihre Werke wieder der Öffentlichkeit zugänglich machen. Mit einem Nachwort von Birgit Böllinger.




1937 druckte die wöchentlich in Berlin erscheinende "Central-Verein-Zeitung", Organ des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens mit "Karl und Manci" eine Novelle der Autorin Mala Laaser in vier Folgen ab. 80 Jahre später ist nun diese kleine Novelle der Auftakt einer Reihe mit dem Titel "Fünf. Zwei. Vier. Neun" – gemeint ist damit das 5249 Tage dauernde Bestehen der Weimarer Republik, beginnend mit ihrer Ausrufung am 9. November 1918 bis zur Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes am 24. März 1933 –, mit welcher der Bonner Interna Verlag in Persona Jörg Mielczarek in Vergessenheit geratene AutorInnen und ihre Werke wieder der Öffentlichkeit zugänglich machen möchte. Dabei sollen hier ausschließlich bislang nicht als Buch erschienene Werke aus der Zeit der Weimarer Republik veröffentlicht werden. Bisher ist der Interna Verlag vor allem als Fachverlag für Ratgeber-Literatur in Erscheinung getreten.

Eine "Sachliche Romanze"

Die Geschichte von Karl und Manci, einer "Liebe in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise", wie der Interna Verlag in seiner Verlagsvorschau ankündigt, ist schnell erzählt: Nach dem Tod seines Vaters sieht sich der bis dahin wohl behütete Bürgersohn Karl Brinkmann mit den Widrigkeiten des Lebens "ausserhalb der gewohnten Sphäre von Grunewald, Dienstboten und Abendgesellschaften" konfrontiert. Der Verlust des Vaters, all seiner Pläne seinen einzigen Sohn Karl betreffend, fällt ungünstig zusammen mit den Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftsdepression Ende der 1920er Jahre. Karl, der eine Anwaltspraxis betreibt, geht angesichts der veränderten Verhältnisse nach und nach sein zahlungskräftiges Klientel verloren, schnell findet er sich "vor leeren Stühlen und Aktenhüllen" wieder. Doch er verschließt lange Zeit die Augen vor seiner desolaten ökonomischen Situation und versucht den Schein des begüterten und vornehmen Professorensohns weiter aufrecht zu erhalten, selbst dann noch, als er sein Advokaten-Dasein längst gegen eine Stellung als Verkäufer und Kontorist in einem Fischgeschäft eingetauscht hat. Heimlich, weil er glaubt, seine zukünftige Frau Manci, die aus kleinen Verhältnissen stammt und als Röntgen- und Laborassistentin eines Mediziners ihr Auskommen verdient, erwarte einen "´echten´ Helden mit Nimbus, Geld und grossem Stil" als Ehemann. Dabei hat die junge Manci, eine selbständige, moderne ´Neue Frau´ ihrer Zeit, die mit beiden Beinen fest im Leben steht, schon lange vor ihm erkannt, dass die ´goldenen Zeiten´ ein für alle Mal vorüber sind – für ihn, für sie, für alle, entsprechend versucht sie, sich den gewandelten Lebensumständen anzupassen. Ängstlich und besorgt beobachtet sie dabei, ob und wie Karl angesichts seines falschen Stolzes und seiner anerzogenen "Führnehmheit" mit dem ihm bevorstehenden sozialen Abstieg zurechtkommt. Als ihr Arbeitgeber seine Arzt-Praxis aufgeben muss, verliert Manci ihre Stellung als Assistentin und nimmt aus Not und Verzweiflung einen Job als Schankmädel in einer Berliner Kneipe an. Heimlich, weil sie fürchtet, als Thekenfräulein keine standesgemäße Partie mehr für Karl zu sein. Aus der wechselseitigen Heimlichtuerei entwickelt sich rasch eine Komödie Slap-Stick-artigen Ausmaßes, deren Auflösung schmeckt wie das fiktionale Getränk zum Happy-End der Liebesgeschichte – Wermut: süß und bitter! So weit, so amüsant.

Eine verschollene, vergessene Generation

Wer aber ist Mala Laaser? Selbst dem an Literatur der Weimarer Republik interessierten Lesepublikum dürfte ihr Name vermutlich nicht bekannt sein. Wie auch "über die Schriftstellerin wenig bekannt" ist, betont Birgit Böllinger in ihrem Nachwort. Sie betreibt seit 2013 den Literaturblog "Sätze & Schätze", in dem sie mit großem Engagement u. a. wiederentdeckte oder wiederzuentdeckende AutorInnen der 1920er-/1930er-Jahre und ihre Werke vorstellt. Mala Laaser "gehört ebenfalls zur verschollenen, vergessenen Generation: Talentierte, junge Künstler am Beginn ihres Schaffens, das durch den Nationalsozialismus unterbrochen oder für immer beendet wurde." Die einschlägigen bio-bibliographischen Literaturlexika geben in Bezug auf die Schriftstellerin Mala Laaser nichts her. Birgit Böllinger berichtet, dass Mala Laaser in Berlin in Kontakt mit der jüdischen Lyrikerin und Schriftstellerin Gertrud Kolmar stand, die im Frühjahr 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde. Mit dem jüdischen Rechtsanwalt, Lyriker und Schriftsteller Jacob Picard, der 1940 über Russland, die Mandschurei, Korea und Japan in die USA emigrierte, war Mala Laaser kurze Zeit verlobt.

Re-Lektüre und Recherche

Mala Laaser schrieb offenbar "zunächst Reportagen, später veröffentlichte sie auch Erzählungen und Gedichte, überwiegend in jüdischen Zeitschriften."
Eine Kurz-Recherche im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek sowie beim Online-Portal "Compact Memory" der UB Frankfurt/M., welches die wichtigsten jüdischen Zeitungen und Zeitschriften des deutschsprachigen Raumes bis 1938 umfasst, zeigt, dass Laaser in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre ihre Beiträge, hauptsächlich längere Novellen, neben der "Central-Verein-Zeitung" auch im "Jüdischen Gemeindeblatt" der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, in den "Monatsblättern" des Jüdischen Kulturbunds in Berlin sowie im Berliner "Morgen/Monatsschrift der Juden in Deutschland" publizierte.

1939 verließ Mala Laaser NS-Deutschland und fand Zuflucht in England. Angesichts der bislang nur rudimentär vorliegenden Angaben zu Biographie und Werk Maria Laasers ist eine weitergehende, systematische Recherche in den entsprechenden Literaturarchiven also sicher sinnvoll – aufwendig zwar, aber bestimmt auch Erfolg versprechend. So befindet sich im Leo Baeck Institute in New York der Nachlass von Jacob Picard, der unter anderem einen ausführlichen Briefwechsel von Picard und Laaser enthält. Wenn sich durch die Re-Lektüre von Mala Laasers "Karl und Manci" die eine oder der andere angeregt sähe, sich auf die Suche nach weiteren Informationen zu Leben und Werk der Autorin zu begeben und diese publik zu machen, wäre das wohl der schönste Erfolg der Neuveröffentlichung ihrer kleinen, feinen Novelle.

Schade nur, dass sich der Interna Verlag mit "Karl und Manci" für die Wiederveröffentlichung von nur einer Novelle entschieden bzw. nicht gleich mehrere ihrer Novellen zum Beispiel als Sammelband publiziert hat: Der Lese-Eindruck hätte sich dadurch differenzieren lassen und wäre dann gewiss noch um Einiges eindrücklicher gewesen.

AVIVA-Tipp: Mit der neuen Buchreihe "Fünf. Zwei. Vier. Neun" des Interna Verlags können nun weniger bekannte und in Vergessenheit geratene AutorInnen wie Mala Laaser wiederentdeckt, kleine Talentstücke ihres Werks neu gelesen werden. Der Verlag plant weitere Bände, so u. a. zu Erdmann Graeser, Lessie Sachs und Sling.

Zur Autorin: Mala Laaser (1911, Königsberg–1953, Glasgow), Schauspielerin und Autorin, publizierte in den 1930er Jahre Gedichte, Prosatexte und Reportagen in der "Central-Verein-Zeitung" des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, wo sie auch als Redakteurin der Frauenseite beschäftigt war, im "Jüdischen Gemeindeblatt" der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, in den "Monatsblättern" des Jüdischen Kulturbunds in Berlin sowie in der jüdischen Monatszeitschrift "Der Morgen/Monatsschrift der Juden in Deutschland". Sie stand in Kontakt mit den von den Nazis ermordeten jüdischen Lyrikerinnen und Schriftstellerinnen Gertrud Kolmar (1894–1943) und Marianne Rein (1911–1941). Und mit Jacob Picard (1883–1967), mit dem sie verlobt war. Nach der Trennung emigrierte Laaser 1939 nach England, Picard 1940 in die USA. In England heiratete sie Henry Moyes, mit dem sie eine Tochter hatte, Joy, und arbeitete als Lehrerin.

Mala Laaser
Karl und Manci

Novelle
Interna Verlag, erschienen 2017
Reihe: Fünf. Zwei. Vier. Neun
Mit einem Nachwort von Birgit Böllinger
55 Seiten, Paperback
ISBN: 978-3-945778-45-6
€ 8,–
Mehr Informationen zum Buch unter: www.verlag-interna.de

Mehr Informationen zu Mala Laaser unter:

Centralverein.net – Forschungsnetzwerk zum C.V.: centralverein.net

Compact Memory, Universitätsbibliothek der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt: sammlungen.ub.uni-frankfurt.de

Ein kurzer Nachruf auf Mala Laaser-Moyes findet sich in der "AJR INFORMATION", issued by the Association of Jewish Refugees in Great Britain unter "Personalia": www.ajr.org

www.walther-rathenau-kolleg.de

Literatur zu Mala Laaser

"Zwischen Karriere und Verfolgung: Handlungsräume von Frauen im nationalsozialistischen Deutschland" von Kirsten Heinsohn, Barbara Vogel

"Deutschsprachige Exillyrik von 1933 bis zur Nachkriegszeit", herausgegeben von Jörg Thunecke

Four Centuries of Jewish Women´s Spirituality: A Sourcebook von Ellen M. Umansky (incl. eines Briefes der Rabbinerin Regina Jonas an Mala Laaser).

Zur Rezensentin: Anke Heimberg, lebt und arbeitet als Literaturwissenschaftlerin und Publizistin in Berlin, sie hat die vergessene österreichisch-jüdische Autorin Lili Grün und ihr Werk wiederentdeckt. Im AvivA Verlag hat sie außerdem Romane der deutsch-jüdischen Schriftstellerin Victoria Wolff neu herausgegeben, darunter 2006 den Bestseller-Erfolg Victoria Wolff - Das weiße Abendkleid. Derzeit arbeitet sie an einer Biographie zu Lili Grün.

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

AVIVA-Interview mit der Herausgeberin der Lili Grün Werke, der Literaturwissenschaftlerin und Publizistin Anke Heimberg (2017)


Literatur

Beitrag vom 11.02.2018

AVIVA-Redaktion