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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 13.03.2011


Karen Duve - Anständig Essen
Britta Leudolph

Von der passionierten Alles-Konsumentin zur Fast-Veganerin: Karen Duve macht den Selbstversuch: Jeweils 2 Monate testet sie moralisch inspirierte Lebensweisen. Ein steiniger Weg, der Erkenntnis,...




... aber auch den Abschied von vielen liebgewonnenen Gewohnheiten bedeutet.

Nach dem letzten Lebensmittelskandal, dem Dioxin-Skandal, ist in Deutschland eine rege Debatte über Massentierhaltung aufgekommen. Zu dem Thema sind mehrere Bücher erschienen, unter anderem "Tiere Essen" von Jonathan Safran Foer, der sich umfassend mit den Grausamkeiten der industriellen Fleischerzeugung befasst und in den USA damit viel Aufmerksamkeit erregte. Sein Werk legt eine vegetarische Lebensweise nahe und fragt, ob es nötig ist, überhaupt noch Fleisch zu essen, schließlich gäbe es genügend Alternativen, für die keine Tiere mehr gequält werden müssen.

Karen Duve ist bis zu ihrem Beschluss, "ein besserer Mensch zu werden", alles andere als eine ökologisch korrekte Konsumentin, sie isst und trinkt sich quer durch das Angebot industriell erzeugter Produkte, hat eine besondere Vorliebe für die "Grillhähnchenpfanne für 2,99 Euro" und kann ohne Coca Cola Light nicht arbeiten. Einzig ihre Mitbewohnerin, die sie nach dem personifizierten Gewissen der Holzpuppe Pinocchio "Jiminy Grille" nennt, appelliert immer wieder an ihre Vernunft. So beschließt Duve zum Jahreswechsel 2009/2010 ihren Lebensstil zu ändern und ein Buch darüber zu schreiben. Jeweils zwei Monate lang will sie moralisch anspruchsvolle Lebensweisen testen: Sie beginnt mit einer Ernährung mit ausschließlich biologisch-organisch erzeugten Lebensmitteln, fährt mit einer zunächst vegetarischen, dann veganen Ernährungsweise fort, zuletzt ernährt sie sich 2 Monate lang frutarisch, isst also nur Pflanzen, die ihre Früchte freiwillig hergeben ohne dabei Schaden zu nehmen.

Die erste Phase ihrer Lebens- und Ernährungsumstellung verursacht bei der Autorin zunächst einmal höhere Kosten. Duve diskutiert recht ausgiebig das Angebot der Bio-Company und muss immer wieder feststellen, wie sehr sie an die vielen Geschmacksverstärker der konventionell erzeugten Produkte gewöhnt ist: "Der zweite große Vorsprung, den die mit Chemie und ökologischem Leichtsinn operierenden Lebensmittelhersteller gegenüber der Bio-Branche haben, ist natürlich der, dass ich bereits mit ihren Produkten aufgewachsen bin und mich an den Geschmack gewöhnt habe. Außerdem hatte ich 48 Jahre Zeit, die Marken herauszufinden, die mir am besten schmecken." Die Umstellung auf eine vegetarische und später auf die vegane Ernährung erfordert zudem ein umfangreiches Wissen über die Inhaltsstoffe der verschiedenen Produkte. Von immer mehr vorher so heißgeliebten Lebensmitteln muss sie sich verabschieden.

Neben ihren neuen Essgewohnheiten beschäftigt sich die Autorin vornehmlich mit Literatur zu diesem Thema. So findet sie immer mehr Argumente gegen den Fleischkonsum. Sie trifft sich mit den unterschiedlichsten VerfechterInnen der einen oder der anderen Ernährungsweise, beginnt damit, die Menschen ihrer Umgebung und ihre Familie zu belehren und versucht, ihre Katzen von veganer Kost zu überzeugen. Komischerweise fangen diese daraufhin an, vermehrt Mäuse zu fangen.

Am Ende ihres Selbstversuchs steht die Entscheidung, wie sie nun in Zukunft leben möchte.

Zur Autorin: Karen Duve, 1961 in Hamburg geboren, lebt in Brandenburg. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, ihre Weihnachtsgeschichten "Weihnachten mit Thomas Müller" und "Thomas Müller und der Zirkusbär" sind inzwischen Klassiker, ihre Romane "Regenroman" (1999), "Dies ist kein Liebeslied" (2002), "Die entführte Prinzessin" (2005) und "Taxi" (2008) waren Bestseller und wurden in 14 Sprachen übersetzt.

AVIVA-Tipp Karen Duve hat es sich nicht leicht gemacht, es gehört sicherlich eine gehörige Portion Idealismus und Konsequenz dazu, sein Leben so entscheidend zu ändern. Sie betreibt einen erheblichen Aufwand und beschäftigt sich umfassend mit Fakten, die ausdrücklich gegen eine fleischliche Ernährung sprechen. Sie verbannt nicht nur fleischliche Kost aus ihrem Leben, sondern verzichtet zunehmend auch auf weitere Produkte, für die Tiere ihr Leben lassen mussten wie Lederwaren oder Daunenbetten. Und doch wirkt ihr Buch seltsam aufgesetzt. Mit ihren Belehrungen schlägt sie oft über die Stränge und überzeugt auch nicht vor dem Hintergrund, dass sie ihr Leben doch erst vor kurzem umgestellt hat. "Anständig Essen" ist EinsteigerInnenlektüre, für jene, die sich auch erst seit kurzem mit dem Thema beschäftigen.

Karen Duve
Anständig essen. Ein Selbstversuch

Galiani Berlin Verlag, erschienen Januar 2011
Gebunden mit Schutzumschlag, 338 Seiten
ISBN 978-3-86971-028-0
19,90 Euro

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Interview mit Karen Duve

Hilfe, jetzt müssen wir auch noch bessere Menschen werden, die AVIVA-Kolumne von Isabell Serauky

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"The Story of Stuff. Wie wir unsere Erde zumüllen" von Annie Leonard

"Landleben. Von einer, die raus zog" von Hilal Sezgin

Good Food. Bad Food. Anleitung für eine bessere Landwirtschaft

"Tiere Essen" von Jonathan Safran Foer


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Beitrag vom 13.03.2011

Britta Leudolph