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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 16.04.2012


Misia - Senhora da Noite
Anna Fleischer

Traditioneller Fado erstmals mit Texten, die ausnahmslos von Dichterinnen für Misia geschrieben wurden: Das zehnte Album der portugiesischen Fadista beweist ihr Talent für den leidenschaftlichen...




... Weltschmerz dieses ganz besonderen Musikstils.

Als sie sich vor zwanzig Jahren der Kunst des Fado verschrieb, schlug Misia keinen leichten Weg ein. Die herkömmliche Fado-Besetzung, bestehend aus einer einzelnen Gitarrenbegleitung und Gesang, ersetzte die Sängerin durch ein Gitarrentrio, Akkordeon, Klavier und Violine. Anstelle des überlieferten Liedguts ließ Misia neue Texte verfassen. Das Ergebnis war eine erweiterte, variierte Form des herkömmlichen Fado, der in den Armenvierteln portugiesischer Städte, wie Lissabon und Porto entstanden ist. Das brachte ihr zunächst viel Kritik ein, nicht nur wegen des Bruchs mit der Tradition, sondern auch dafür, eine Kunstform zu verwenden, die unter der autoritären Salazar-Diktatur bis in die 1970er Jahre in Portugal als Propagandainstrument missbraucht wurde.

Nun, zwanzig Jahre und zehn Studioalben später, feiert Misia Welterfolge. Die Presse bezeichnet sie heute als "Pionierin", die allen Kritiken und Widerständen zum Trotz ihren eigenen Fado erfand und weiterentwickelte. Schon mit ihrem zweiten Studioalbum "Fado" erreichte sie 1993 internationale Bekanntheit, zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen folgten.

Trotz des Erfolgs ist Misias Kampf um Veränderung und Bewegung in der Tradition des Genres noch lange nicht vorbei. Während im klassischen Fado Frauen entweder die Rolle der inspirierenden Muse einnahmen oder nur die InterpretInnen von Text und Ton aus der Feder männlicher Künstler waren, stammen alle Texte auf dem neuen Album "Senhora de noite" von Schriftstellerinnen und Musikerinnen, wie Rosa Lobato de Faria, Hélia Correia oder Aldina Duarte. Die instrumentale Musik erschöpft sich weiterhin aus dem überlieferten Fado-Repertoire. Während die meisten Texte speziell für Misia geschrieben wurden, interpretiert sie auch Texte bekannter, teils schon verstorbener Musikerinnen, wie der Fado-Legende Amália Rodrigues ("Rapsodia amalia"). Den Liedtext zu "O Manto Da Rainha" schrieb Misia selbst.

Dass sie die Kunst des Fado versteht, beweist die in Porto geborene Tochter einer Tänzerin immer wieder von Neuem: "Senhora de noite" glüht förmlich vor "Saudade", dem Leitmotiv des Fado, das sich sinngemäß mit "Traurigkeit" oder "Wehmut" übersetzen lässt. Die Lieder handeln von "tiefer, blauer Nacht", von "Leidenschaft, die immer Ebbe war", oder von der Stadt Lissabon. Misias Stimme ist in ihrer Virtuosität so klar wie kraftvoll und vermittelt die schmerzlich-schöne, leidend wie lustvolle Sehnsucht nach Leben und Liebe, die es in einer solch intensiven Form nur im Fado gibt.

Im Booklet sind alle portugiesischen Originaltexte enthalten, besonders schön ist es, dass auch die deutschen Übersetzungen enthalten sind:

"P`ra que será que tu pensas
Que nos serve a existência
Senão para amar e ter dor

Was meinst du denn,
wofür wir leben,
wenn nicht, um zu lieben und zu leiden"


AVIVA-Tipp: "Senhora da noite" ist nicht nur ein hörenswertes Album voller wunderschöner, schwermütiger Fado-Musik, sondern es schafft darüber hinaus auch ein Forum für die Werke von Dichterinnen und Schriftstellerinnen, die damit in das lange Zeit von Männern dominierte Genre Einzug erhalten. Hut ab!

Misia
Senhora de noite

Label: Pinorrekk Records
VÖ: 20. April 2012
18,99 Euro

www.misia-online.com


Weiterhören auf AVIVA-Berlin

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Beitrag vom 16.04.2012

AVIVA-Redaktion