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Beitrag vom 22.05.2013
Zehn Frauenverbände fühlen den Spitzenkandidat_innen auf den Zahn
Lou Zucker
"Spitzenfrauen fragen Spitzenkandidaten": Im Vorfeld der Bundestagswahlen waren die Parteien am 17. Mai 2013 gefragt, zehn Verbandspräsidentinnen ihre Absichten zum Thema Frauenförderung darzulegen
Wann kommt die Quote?
40 Prozent Frauen in den DAX-Vorständen: ohne eine gesetzliche Frauenquote, so Annette Bruhns von ProQuote Medien, wird dieses Verhältnis bis zum Jahre 2100 auf sich warten lassen. Auch Ramona Pisal vom Deutschen Juristinnenbund (djb) ist überzeugt: "Von selbst wird sich nichts tun". Nur jede fünfte Aufsichtsratsposition sei im letzten Jahr mit einer Frau neu besetzt worden und von elf neu vergebenen Vorstandsposten seien zehn an einen Mann gegangen.
"Dagegen ist ja ein Untersuchungsausschuss harmlos!"
Dass eine gesetzliche Frauenquote her muss – darüber herrscht Konsens in dem Aktionsbündnis aus zehn Präsidentinnen deutscher Frauenverbände, dem auch Bruhns und Pisal angehören. In der Bundestagsaktion "Spitzenfrauen fragen Spitzenkandidaten" am 17. Mai 2013 in Berlin hatten Vertreterinnen aller Parteien dem Bündnis Rede und Antwort zum Thema Frauenförderung zu stehen. Die Spitzenkandidat_innen der Opposition - Peer Steinbrück (SPD), Katrin Göring-Eckardt (Die Grünen) und Sahra Wagenknecht (Die Linke) - waren anwesend. Angela Merkel (CDU) und Rainer Brüderle (FDP) ließen sich durch Ursula von der Leyen (Vize-Vorsitzende der CDU) und Heinrich Kolb (Vize-Chef der FDP-Bundestagsfraktion) vertreten.
"Dagegen ist ja ein Untersuchungsausschuss harmlos", war Steinbrücks Reaktion auf die kritischen Nachfragen der zehn Spitzenvertreterinnen aus Wirtschaft, Forschung, Medien, Medizin und dem ländlichen Raum. Sein überraschendes Versprechen: Die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote von 40 Prozent für Aufsichtsräte und Vorstände bis 2017. Auch das Thema Entgeltgleichheit wolle er, sofern er Kanzler werde, in den ersten 100 Regierungstagen auf den Weg bringen.
"Es wird eine Frau niemals irgendwohin gewählt, nur weil sie eine Frau ist."
Katrin Göring-Eckardt und Sahra Wagenknecht sprachen sich im Namen ihrer Parteien ebenfalls klar für die Quote aus. "Ich bin gerne Quotenfrau", stellte Göring-Eckardt fest und betonte, die Stigmatisierung des Wortes müsse aufgelöst werden. "Es wird eine Frau niemals irgendwohin gewählt, nur weil sie eine Frau ist. Und schon gar nicht bleibt sie nur deswegen in einer Spitzenposition" Die Grünen stellten sich eine Quote auf allen Hierarchieebenen vor, in der freien Wirtschaft ebenso wie im öffentlichen Dienst. Wagenknecht wies besonders auf das Thema Entgeltungleichheit hin. Grüne und Linke wollten mehr Möglichkeiten schaffen, sich juristisch zu wehren, wenn gleichwertige Arbeit ungleich bezahlt werde, beispielsweise durch die Möglichkeit der Verbandsklage.
Die CDU präsentierte sich weniger quotenfreundlich: bis 2020 solle die freiwillige Flexiquote weiterbestehen, erst danach denke mensch an eine starre Quote – allerdings nur von 30 Prozent und nur für Aufsichtsräte. Dafür hatte von der Leyen gleich mögliche Sanktionen parat: Werde die Quote nicht erfüllt, sei sie dafür, den Anspruch auf Entgelt für Aufsichtsratsmitglieder verwirken zu lassen. "Das ist eine Sprache, die man in diesen Konzernebenen gut versteht". Des weiteren betonte die Arbeitsministerin das Thema Transparenz. Nur wenn Frauen einen Überblick über die Entgeltungsstruktur eines Unternehmens hätten, könnten sie auch auf fundierter Grundlage verhandeln und für ihre Rechte streiten. Ihr praktischer Vorschlag: unternehmerisches Eigenscreening mithilfe eines Computerprogramms, wie beispielsweise das Programm Logit, welches sie in ihrem Ministerium bereits eingeführt habe.
Zu großer Eingriff in unternehmerische Freiheit
Die FDP hatte frauenpolitisch wenig anzubieten. Heinrich Kolb, der als Vertretung von Spitzenkandidat Rainer Brüderle anwesend war, sprach sich klar gegen eine gesetzliche Frauenquote aus. Die "unternehmerische Freiheit" zu schützen, habe für seine Partei in diesem Fall höhere Priorität. Außerdem war er der Ansicht, die Gleichstellung sei bereits auf einem guten Weg.
Das konnten die Verbandspräsidentinnen nicht bestätigen. "Als wir 2009 angefangen haben", so djb-Präsidentin Ramona Pisal, "war es eine einzige [Frau in den Vorständen von DAX-Unternehmen]. Dass es jetzt 15 sind, liegt am öffentlichen Druck." Nicht nur die geringen Frauenanteile in den Führungsetagen börsennotierter Unternehmen hatten die Mitglieder des Aktionsbündnisses zu kritisieren. Dr. Martine Herpers von Erfolgsfaktor FRAU forderte eine 50/50-Besetzung auch in anderen Gremien, beispielsweise in Technologiegremien. Dr. Regine Rapp-Engels vom Deutschen Ärztinnenbund (DÄB) sprach sich für eine Quote auch auf Berufsverbandsebene und für Krankenhäuser aus. Es könne außerdem nicht angehen, dass im Fach Medizin 70 Prozent der Studienanfänger_innen weiblich seien, aber nur vier Prozent der Professuren von Frauen bekleidet würden.
Annette Bruhns, Präsidentin von ProQuote Medien, wies auf den Mangel an Frauen in Führungspositionen deutscher Medien hin und rief ins Bewusstsein, wie sehr das Bild, das uns von der Welt vermittelt werde, dadurch von einem männlichen Blick geprägt sei. Bei FAZ, WAZ, Spiegel und der Süddeutschen Zeitung liege der Frauenanteil in Führungspositionen bei jeweils deutlich unter 20 Prozent, in den Chefredaktionen genannter Zeitungen sitze keine einzige Frau. Dennoch gab sich Bruhns optimistisch: die große mediale Präsenz auf der Veranstaltung zeige, dass das Thema auch für die Medien an Bedeutung gewinne. Sei erst eine Aufsichtsratsquote beschlossen, werde auch der Druck auf führende Zeitungen steigen, nachzuziehen.
"Wir werden den Druck aufrecht erhalten!"
Weniger optimistisch zeigte sich das Aktionsbündnis gegenüber den Versprechen der Politik. 40 Prozent für Aufsichtsräte und Vorstände bis 2017 – diesen Plan Steinbrücks bezeichnete Henrike von Platen, Präsidentin von Business and Professional Women (BPW) als "sehr ambitioniert". Von den momentanen 16,5 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten gehörten nur 7,5 Prozent zu den Anteilseigner_innen und nur auf diese habe die Politik Einfluss. Um bis 2017 auf 40 Prozent zu kommen, müssten Personen ersetzt werden. Ob die Parteien dies durchhielten bezweifelte sie. Was die Vorstände angehe, hielt Bruhns die Pläne der SPD für unrealistisch. Dort liege der Frauenanteil derzeit bei drei Prozent. Monika Schulz-Strelow, Präsidentin des Verbandes Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR) bilanzierte: "Wir haben viele schöne Versprechen bekommen, inklusive von der Regierungspartei CDU. Wir werden die Politik nach der Wahl an ihnen Messen."
"Spitzenfrauen fragen Spitzenkandidaten" war der Name der Veranstaltung – dass von fünf Parteien nur drei mit ihren jeweiligen Spitzenkandidat_innen vertreten waren, löste innerhalb des Aktionsbündnisses unterschiedliche Reaktionen aus. Während sich Annette Bruhns zufrieden zeigte, dass der Aktion überhaupt entsprechende Aufmerksamkeit zuteil wurde, kritisierte Brigitte Scherb vom Deutschen LandFrauenverband (dlv) diese Haltung. Sie war der Ansicht, es sei ein wiederholter Fehler von Frauen, eine Sache mit zu niedrigen Erwartungen anzugehen und sich dementsprechend mit unzulänglichen Resultaten zufrieden zu geben.
Die Aktion, welche auch ein Vorbild für die Landesebene darstellen könne, wurde dennoch von allen zehn Spitzenvertrerinnen als Erfolg verbucht. Die Quote, dessen war sich das Bündnis bewusst, sei sicherlich nur ein Instrument, für mehr Gleichstellung zu kämpfen. In Wahrheit, so von Platen, gelte es, eine ganze Kultur zu verändern und das werde lange dauern. Dennoch kündigte sie an: "Wir werden den Druck aufrechterhalten!". Denn – so ihr ermutigendes Schlusswort: "Frauen gemeinsam sind unschlagbar!"
Weitere Infos unter:
Business and Professional Women Germany
Deutscher Ärztinnenbund
deutscher ingenieurinnenbund
Deutscher Juristinnenbund
Deutscher LandFrauenverband
erfolgsfaktor FRAU
European Womens´Management
FidAR - Frauen in die Aufsichtsräte
ProQuote Medien
ProQuote Medizin
Tagesschau 12:00 Uhr, 17. Mai 2013
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