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AVIVA-BERLIN.de im Oktober 2024 - Beitrag vom 13.03.2013


Amadeu Antonio Stiftung informiert in neuen Broschüren über Neonazi-Strategien im Netz und liefert Widerstandsstrategien
Nele Herzog

Wer danach sucht, wird auch fündig: Viele Rechtsextreme stehen in Sozialen Netzwerken offen zur ihrer Gesinnung. Viel beunruhigender aber sind die noch zahlreicheren, versteckten Anspielungen ...




... auf braune Inhalte, die vor allem Jugendliche für sich gewinnen wollen.

In Webauftritten von Organisationen wie der NPD gilt es neuerdings, möglichst unauffällig und bürgerInnennah zu wirken. Mittlerweile werden die Profile und Seiten der ganz offen hasserfüllten Nazis zu schnell gesperrt, geblockt, verbannt, als dass diese ihre Propaganda in der Kürze der Präsenz für potentielle neue AnhängerInnen schmackhaft machen könnten. Codes wie die "88" (steht für den achten Buchstaben des Alphabetes, soll auf "Heil Hitler" verweisen) oder das doppelte "S" (als Anspielung auf die SS-Runen, beispielsweise innerhalb des Wortes "GrüSSe" verwendet) sind für NetzwerkbetreiberInnen und NutzerInnen inzwischen leicht zu verstehen, deren Bedeutung ist in der Öffentlichkeit durch engagierte Organisationen bereits ausführlich angeprangert worden. Kurz: Sie ziehen nicht mehr.

Rechte Tarnungsstrategien

Längst sind Soziale Netzwerke wie Facebook und YouTube unbemerkt zur neuen Basis für rechtspopulistische und rechtsextreme MitgliederInnenwerbung mutiert. Neonazis suchen sich ihre Nischen innerhalb der Freiheiten, die das Internet bietet und müssen nicht mehr nur mühsam auf Schulhöfen Rechtsrock-CDs verteilen, sondern können bequem von Zuhause aus ihre menschenfeindlichen Ideologien verbreiten. Dabei setzen die Braunen auf thematische Ansätze, die jungen, noch nicht in ihrer politischen Meinung gefestigten Menschen, zunächst interessant erscheinen könnten. Es wird behauptet, sich um Umweltschutzbelange zu sorgen, mit schrillen Stimmen nach Todesstrafen für KinderschänderInnen verlangt und die Schuld für Finanzkrise, Politikverdrossenheit und die Überalterung der deutschen Gesellschaft wahlweise bei fiktiven jüdischen Geheimorganisationen, der Demokratie und ihren BefürworterInnen oder den MigrantInnen gesucht. Um die Onlineauftritte aktuell und ansprechend aussehen zu lassen, klauen ihre BetreiberInnen fleißig Symbole und Slogans von Linksradikalen, NetzaktivistInnen und Grünen, um diese dreist und unkreativ ins Gegenteil zu verkehren und für die eigene Sache zu verwerten.

Erschreckender Erfolg

Dahinter steckt stets die alte, tumbe Leier, darauf ist Verlass. Den Holocaust leugnend, Fremdenhass schürend, nordische Mythologie verklärend und die Demokratie systematisch unterwandernd, frisst sich die braune Wurzel durch das Medium Internet, ohne dass die meisten NutzerInnen etwas davon mitbekommen. Das beste Beispiel für eine fatal-erfolgreiche, rechtspopulistische Strategie stellt bisher die Facebook-Seite "Keine Gnade für Kinderschänder" dar, welche Bezüge zu NPD und rechtsextremen MusikerInnen wie Sleipnir und Annett Müller nicht verheimlichte und in ihrer Hochphase für die Veranstaltung "Kinder sind Zukunft - stoppt Missbrauch an Kindern" 212.000 Zusagen bekam (53.000 NutzerInnen wollten vielleicht teilnehmen, weitere 732.000 waren eingeladen und hatten nicht reagiert). Nachdem die Seite 2011 von Facebook gelöscht worden war, sprossen sofort Dutzende neue stellvertretend an die Onlineoberfläche, "Todesstrafe für Kinderschänder" ist mittlerweile schon wieder bei etwa 5.000 Likes angekommen. Ein anderes alarmierendes Beispiel stellt die islamfeindliche Seite "Burka? NEIN! Sharia? NEIN! Minarett? NEIN! -Und dazu steh ich!!" dar, welche ebenfalls die 5.000 Likes Marke anpeilt. Das Profilbild verlangt frei heraus: "Schluß mit lustig – Multikulti Ade!", auf dem Profilbanner ist ein überstilisierter Comic-Wikinger im Begriff, mit seinem Hammer einen schlecht hineinmontierten Mohammed-Kopf zu zertrümmern. Es ist nicht anzunehmen, dass ausschließlich politisch rechts orientierte Menschen diese Seiten gefallen, sondern dass die Mehrheit von ihnen, in Unwissenheit über die wahren Hintergründe, vorschnell dazu hingerissen waren, eine Position in der Debatte um Integration und die Bestrafung von SexualstraftäterInnen einzunehmen. Diese Unüberlegtheit bietet einen perfekten Ansatzpunkt für rechte MitgliederInnenwerbung, was nach einer lückenlosen Aufklärung von InternetznutzerInnen jeden Alters über derartige Strategien im Netz verlangt.

Aufklärungsarbeit

Die Amadeu Antonio Stiftung setzt sich schon seit 1998 aktiv gegen Neonazis - auch gegen deren Netzpräsenz - ein, schuf gemeinsam mit der Zeit das Projekt "Netz gegen Nazis", um online zu informieren, Demokratie zu stärken und eine Diskussionsplattform zur Vernetzung zu bieten. Um auf die spezielle Situation in sozialen Netzwerken zu reagieren, gibt es nun außerdem das Mitmachblog "no-nazi.net". Die BetreiberInnen begegnen Jugendlichen in Netzwerken wie SchülerVZ, Jappy, wer-kennt-wen.de oder Twitter auf Augenhöhe und informieren gleichzeitig laufend über die Merkmale rechtsextremer, rassistischer, antisemitischer und antiziganistischer Inhalte im Onlineraum, wie mensch diese identifizieren kann und welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden können.

Die Broschüren "Liken. Teilen. Hetzen. Neonazi-Kampagnen in Sozialen Netzwerken" sowie "Zwischen Propaganda und Mimikry- Neonazi-Strategien in Sozialen Netzwerken" vereinen nun die Recherche-Arbeiten beider Projekte, werden in Print und Online für jedeN zur Verfügung gestellt. Dabei ist letztere eine eher offiziell aufbereitete Version für LeserInnen jeder Altersgruppe und erstere eine speziell auf Jugendliche abgestimmte Zusammenstellung der Informationen. Anetta Kahane, die Vorsitzende der Stiftung erklärt dazu:

"In den Sozialen Netzwerken verbringen Jugendliche heutzutage mehr Zeit als auf dem Schulhof. Sie sollten wissen, was sie tun können, wenn Menschenfeinde versuchen, sie zu manipulieren und auf ihre Seite zu ziehen."

Weitere Informationen finden Sie unter:

www.amadeu-antonio-stiftung.de

www.no-nazi.net

www.netz-gegen-nazis.de

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Beitrag vom 13.03.2013

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