#frauenzählen. Start für den neuen Genderreport der Buchbranche - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Women + Work Infos



AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 01.10.2018


#frauenzählen. Start für den neuen Genderreport der Buchbranche
AVIVA-Redaktion

Das Forschungsprojekt #frauenzählen in Kooperation mit dem Institut für Medienforschung der Universität Rostock dokumentiert in seiner Pilotstudie "Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb" die größten Ungleichgewichte. 38 Codiererinnen und Codierer unter der Leitung von Janet Clark, Präsidentin der Mörderischen Schwestern e.V., und Nina George, Mitglied des Präsidiums im PEN-Zentrum Deutschland, zählten 2036 Rezensionen in 69 Medien aus.




Öfter und länger: Männer schreiben am liebsten über Männer

Autoren und Kritiker dominieren den literarischen Rezensionsbetrieb:
Zwei Drittel aller Besprechungen würdigen die Werke von Autoren, Männer schreiben überwiegend über Männer und ihnen steht ein deutlich größerer Raum für Kritiken zur Verfügung, so drei Hauptergebnisse der Pilotstudie "Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb" des Buchbranchenprojekts #frauenzählen in Kooperation mit dem Institut für Medienforschung an der Universität Rostock. Die Studie wird am 10. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse 2018 vorgestellt werden, zu Gast auf dem Podium ist die Grimme-Preisträgerin Maren Kroymann.

Medien prägen Bilder der Gesellschaft, sie tragen dazu bei, Vorstellungen über Männer und Frauen zu verbreiten. Ein wichtiger Faktor ist die Literaturkritik: Sie hebt heraus, wessen Blick auf die Welt wesentlich sei. Um zu untersuchen, in welchem Umfang Autorinnen in der Literaturkritik dargestellt werden, erhob das Projekt #frauenzählen zusammen mit dem Institut für Medienforschung der Universität Rostock die Pilotstudie zur Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb.
Im Laufe des Monats März 2018 wurden dazu 2036 Buchbesprechungen in 69 deutschen Medien in den Bereichen Print, Hörfunk und TV statistisch erhoben und sozialwissenschaftlich ausgewertet.

Auf eine Autorin kommen zwei Autoren. In allen Medien (mit Ausnahme von Frauenzeitschriften) wird Autoren bei Besprechungen eine häufigere Aufmerksamkeit entgegengebracht: Zwei Drittel der rezensierten Bücher sind von Männern verfasst worden.

Kritiker schreiben vor allem über Männer. Und Kritikerinnen? Meist auch. Drei Viertel aller von Männern besprochenen Werke sind von Autoren verfasst. Kritikerinnen besprechen ausgewogener, doch auch überwiegend Männer.

Die größten Ungleichgewichte: Das Sachbuch und das Krimigenre. Im Bereich Sachbuch ist lediglich jedes fünfte durch einen Mann rezensierte Buch von einer Frau verfasst. In der Kriminalliteratur liegt der Anteil noch darüber. In diesem Genre rezensierten mit 82% Männer am liebsten Männer.

Mehr Raum für Männer, die über Männer schreiben. Die von Kritikern verfassten Besprechungen sind deutlich ausführlicher als die von Kritikerinnen.

TV als Domäne von Autoren – nur im Radio sind Autorinnen unüberhörbar. Für den TV-Bereich lässt sich eine eklatant deutlichere Sichtbarkeit von Autoren feststellen: Die durchschnittliche Sendezeit zu Werken von Männern übertrifft um knapp vierzig Prozent jene von Autorinnen. Im Radiobereich dagegen wurden Autorinnen zwar seltener, aber dafür etwas länger präsentiert.

"Aus den Studienergebnissen lässt sich ein struktureller Bias in den Medien ableiten, dem allerdings nicht nur Männer, sondern mitunter auch Frauen unterliegen", so Nina George, Koordinatorin des Projekts #frauenzählen: "Die Überrepräsentanz des männlichen Blicks auf die Welt ist kein unbekanntes Symptom. Die Ergebnisse decken sich mit jenen anderer Studien zur Sichtbarkeit von Frauen in Medien. So vertiefen sich überkommene Bilder: Die Frau, das andere, das zweitklassige Geschlecht. Hier müssen wir in fortlaufenden Analysen untersuchen, welche Strukturen sich wiederum hinter diesem Ergebnis verbergen: was haben zum Beispiel Veröffentlichungsraten, Verlagswahl, Themen oder sogar literarische Bilder von Frauen damit zu tun?"

Carlos Collado Seidel, Generalsekretär des PEN-Zentrums Deutschland konstatiert: "Autorinnen sind nicht nur im Rezensionsbetrieb unterrepräsentiert. Das betrifft auch Literaturpreise, Stipendien usw. Hier muss weiter nach den Ursachen geforscht werden. Gleichermaßen müssen sich aber auch die Verantwortlichen im Literaturbetrieb und in den Redaktionen in ihrem Selbstverständnis hinterfragen. Geschlechtergerechtigkeit ist eine Frage der Integrität unserer Gesellschaft".

Bei der Veranstaltung "Bilder bauen Welten: die Macht des (un)sichtbaren Narrativs" auf der Frankfurter Buchmesse im Jahr 2018 waren dabei: Maren Kroymann (Schauspielerin und Grimme-Preisträgerin),
Prof. Elizabeth Prommer (Direktorin des Instituts für Medienforschung an der Universität Rostock),
Nina George (Internationale Bestsellerautorin).
Moderation: Dr. Valeska Henze (Politologin, Ãœbersetzerin).

Das Forschungsteam und die AG Diversität:

Zoë Beck, Autorin, Übersetzerin, Verlegerin.
Janet Clark, Autorin, Präsidentin der Möderischen Schwestern e.V.
Prof. Dr. Carlos Collado Seidel, Generalsekretär PEN-Zentrum Deutschland,
Nina George, Bundesvorstandsmitglied VS, Womens Writers Committee-Beauftragte des PEN-Zentrums
Dr. Valeska Henze, Beauftragte der Bücherfrauen e.V. für frauenpolitische Fragen im Deutschen Kulturrat, Politiologin, Übersetzerin
Dr. Kirsten Reimers, Autorin, Lektorin

Rückfragen zur Methodik und Studienauswertung: Prof. Dr. Elizabeth Prommer, Direktorin des Instituts für Medienforschung an der Universität Rostock, elizabeth.prommer (at) uni-rostock.de

Was ist das Projekt #frauenzählen?

#frauenzählen ist ein langfristig angelegtes Forschungsprojekt im Literaturbetrieb. Es ist hervorgegangen aus der verbandsübergreifenden AG DIVERSITÄT und setzt sich zum Ziel, mit eigenen Studien sowie einer Sammlung weiterer Analysen, Essays und Blogbeiträgen einen umfassenden Datenreport zur Präsenz von Frauen im Literaturbereich zu generieren. Dazu gehört die Sichtbarkeit von Autorinnen in der Literaturkritik, aber auch die Untersuchung der Geschlechterverteilung bei der Verleihung von Literaturpreisen, in Verlagsprogrammen, in schulischen Lehrmaterialien, in der Veröffentlichungsrate insgesamt, in Jurybesetzungen oder bei der Vergabe von Stipendien. Die Analysen dienen der Feststellung möglicher struktureller Probleme, ihrer Ursachen und Auswirkungen, sowie der Erarbeitung konstruktiver Vorschläge zur Erhöhung der Geschlechtergerechtigkeit im Literaturbereich.

Die Pilotstudie "Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb" ist das erste Ergebnis des Forschungsprojekts #frauenzählen und wurde in Kooperation mit dem Institut für Medienforschung der Universität Rostock konzipiert und durchgeführt.

38 Codiererinnen und Codierer unter der Leitung von Janet Clark, Präsidentin der Mörderischen Schwestern e.V., und Nina George, Mitglied des Präsidiums im PEN-Zentrum Deutschland, zählten 2036 Rezensionen in 69 Medien aus.

Wer ist in der Arbeitsgruppe Diversität?

Die Mitglieder der AG DIVERSITÄT setzen sich zusammen aus ehrenamtlich forschenden Kulturschaffenden aus der Buchbranche (Historiker, Autorinnen, Übersetzerinnen, Ethnologen, Politologinnen, Lektorinnen, Germanistinnen, Verlegerinnen …) und Mitgliedern der Verbände PEN-Zentrum Deutschland, Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS), Bücherfrauen e.V., Mörderische Schwestern e.V., Das Syndikat – Autorengruppe Kriminalliteratur, den 42er Autoren, dem Bundeskongress Kinderbuch, und PAN – Phantastik-Autoren-Netzwerk.

Die AG DIVERSITÄT entstand auf Initiative von Nina George in der Folge der Ergebnisse des durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien 2016/17 einberufenen "Runden Tisches zu Frauen in Kultur und Medien".

Die vollständigen Studienergebnisse inklusive ausgewählter Diagramme stehen zum Download bereit auf: www.frauenzählen.de

Mehr Infos:

@frauenzaehlen

facebook.com/frauenzaehlen

Hintergrundinformationen zu den BücherFrauen e. V.

Das Branchen-Netzwerk BücherFrauen e. V. wurde 1990 nach dem Vorbild der englischen Women in Publishing (WiP) in München gegründet. Mittlerweile bündelt der Verein die Interessen von fast 1000 deutschen Verlagsfrauen, Buchhändlerinnen, Übersetzerinnen und Frauen aus anderen Arbeitsbereichen rund ums Buch. Zielsetzung der BücherFrauen e. V. ist es, Kontakte herzustellen, Informationen und Erfahrungen auszutauschen, Jobs und Aufträge zu vermitteln, aber auch frauenspezifische Interessen in der Buchbranche zu vertreten. Bundesweit sind die BücherFrauen in Regionalgruppen organisiert, die eigenständig Schwerpunkte bestimmen sowie Veranstaltungen wie beispielsweise Fachvorträge, literarische Ausflüge oder Stammtische organisieren. Darüber hinaus bringen Mentoring-Projekte weibliche Nachwuchskräfte mit Führungsfrauen zusammen. Mehr Informationen zum Verein sowie den deutschlandweiten und regionalen Angeboten und Veranstaltungen im Internet unter www.buecherfrauen.de.

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Das FAZ-Ökonomen-Ranking - Blind Spot Ökonominnen
Die "F.A.Z.-Rangliste der Ökonomen: Deutschlands einflussreichste Ökonomen 2018" fragt: "Wer hat Gewicht in Medien, Forschung und Politik?" Untersucht wurde, welche Ökonom*innen von August 2017 bis Juli 2018 zu welchen Themen mit fachlichen Einschätzungen in den Medien genannt wurden. In ihrem Kommentar fragt PD Dr. Elke Holst, Forschungsdirektorin und Leiterin der Forschungsgruppe Gender Studies am DIW Berlin: Wo sind die Frauen? (2018)

AVIVA-Berlin befragt Barbara Rohm vom Vorstand Pro Quote Regie zur Studie Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland
Es gibt eine Schieflage vor und hinter der Kamera. Das Netzwerk Pro Quote Regie fordert anlässlich der Ergebnisse der Studie eine Diversitätsoffensive in TV und Kino. Nur so kann die deutliche Unterrepräsentierung von Frauen und gegen Stereotypen in TV und Kino angegangen werden. (2017)

Frauen in Kultur und Medien. Ein Überblick über aktuelle Tendenzen, Entwicklungen und Lösungsvorschläge. Ein Beitrag von Dr. Valeska Henze, BücherFrauen e.V.
Kunst und Kultur wird die Freiheit zugesprochen, anders sein zu dürfen, auch Abweichungen von der gesellschaftlichen Norm sind erlaubt. Viele glauben vielleicht, dass sie auch bei der Geschlechtergerechtigkeit eine Vorreiterrolle einnehmen. Diese Annahme ist irrig. (2016)

Mehr zum Thema:

Die Studie "Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland" von Prof. Dr. Elizabeth Prommer, Dr. Christine Linke der Universität Rostock ist als Kurzbericht online unter: www.imf.uni-rostock.de

GENDER UND FILM - Rahmenbedingungen und Ursachen der Geschlechterverteilung von Filmschaffenden in Schlüsselpositionen in Deutschland der FFA Filmförderungsanstalt: www.ffa.de

Gender und Fernsehfilm www.ard.de




Quelle: Pressemitteilung BücherFrauen e. V., Berlin, 1. Oktober 2018


Women + Work > Infos

Beitrag vom 01.10.2018

AVIVA-Redaktion