Carrie - ein Film von Kimberly Peirce mit Chloë Grace Moretz und Julianne Moore. Ab 5. Dezember 2013 im Kino - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kultur



AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 04.12.2013


Carrie - ein Film von Kimberly Peirce mit Chloë Grace Moretz und Julianne Moore. Ab 5. Dezember 2013 im Kino
Britta Meyer

Niemand will sein wie Carrie White: in der Schule wird sie von ihren MitschülerInnen grausam gemobbt und zuhause predigt ihr eine wahnhaft religiöse Mutter Selbsthass und Körperfeindlichkeit.




Als sie mit dem Einsetzen ihrer Menstruation plötzlich lange unterdrückte telekinetische Fähigkeiten entwickelt und mensch sie auf dem Abschlussball der Highschool mit einem bösen Streich einmal zu oft öffentlich erniedrigt, kommt es zur Katastrophe...

Aus dem Urban Dictionary:

" ´taking Carrie to the prom´ - A more vivid way of telling someone that you´re menstruating"

Die Story von Stephen Kings Erstlingsroman ist ebenso bekannt, wie die durch Brian de Palma adaptierte Filmversion von 1976. Aber muss mensch ein Original neu verfilmen, das solche Spuren in der Popkultur hinterlassen hat? Zum Glück versucht Regisseurin Kimberly Peirce nicht einfach, die Vorlage zu kopieren, sondern beleuchtet stattdessen andere Details der Geschichte stärker und gibt den Charakteren mehr Raum für Nuancen - Fans des Originals können dabei viele kleine Referenzen an de Palma und an den Roman entdecken. Zwar scheint Chloë Grace Moretz über weite Strecken des Remakes eine Fehlbesetzung zu sein - sie ist zu konventionell attraktiv für die Rolle, ihre scheue und geduckte Körpersprache zu übertrieben gespielt. Allgemein sind die Figuren jedoch weniger holzschnittartig und glaubhafter in ihren Motivationen und Reaktionen, als noch bei de Palma.

Feminin kodierter Schrecken

Der weibliche Körper ist im Horrorfilmgenre eine allzu beliebte Projektionsfläche für alle Arten von Ängsten und "Carrie" vereint die klassischen Zutaten echten female body horrors: Adoleszenz, eine dominante und schreckliche Mutterfigur sowie weibliche Sexualität und Reproduktion als monströse Bedrohungen. Eine zutiefst misogyne Geschichte also? Nicht wirklich. Weder Carrie noch ihre Fähigkeiten werden als bösartig gezeichnet, die destruktive Kraft geht immer von ihrem familiären und sozialen Umfeld aus, wo ihr Körper verteufelt oder lächerlich gemacht wird und wo jenseits starrer Stereotypen keine weibliche Menschlichkeit existieren darf.

Angesichts der schrecklich echten und aktuellen Horrorgeschichten aus Steubenville, Maryville, Bartow und so vielen anderen "ganz normalen" Orten ist hier das neu eingefügte moderne Detail des gezielten Cyber-Bullying besonders verstörend: wo Carries Mobbing früher schon unerträglich war, erhalten die täglichen gedankenlosen Demütigungen jetzt über Handykameras und Social Media noch eine zusätzliche Dimension der Grausamkeit. Der Film verdient daher gleich mehrere Triggerwarnungen – auch systematische, körperliche und emotionale Kindesmisshandlung (abstoßend, gewalttätig und großartig gespielt: Julianne Moore als Carries Mutter) sowie selbstverletzendes Verhalten werden bedrückend realistisch dargestellt.

Prom Night

De Palma hatte die fatalen Momente der Ballnacht noch mit Hilfe von Split-Screen, Sound- und Lichteffekten als leicht verzerrte und traumartig unwirkliche Sequenzen inszeniert, Peirce lässt jetzt die geballte Wucht moderner Filmmöglichkeiten auf ihr Publikum los, inklusive einstürzender Mauern, aufreißender Straßen, in Zeitlupe splitterndem Glas und reichlich Splatter. Wo Sissy Spacek durch ihre bloße Präsenz als reglose Alptraumgestalt inmitten von Chaos und Zerstörung im Gedächtnis blieb, kostet Moretz´ Carrie ihre Rache genüsslich aus - ihr sadistisches Grinsen ist auf seine Weise genauso grausig, wie früher Spaceks schockstarr eingefrorenes Gesicht.

AVIVA-Tipp: Wenn ein zuckersüßes Aschenputtelszenario auf brutale Highschool-Bullies trifft, dann wird Blut fließen und die Stadt brennen. Handfester Horror für dunkle Winterabende, der sich langsam hochschraubt und in gründlichem Desaster endet.

Zur Regisseurin: Kimberly Peirce, geboren 1967 in Harrisburg, Pennsylvania, schloss an der University of Chicago ein Studium der Englischen und Japanischen Literatur ab, bevor sie an der Columbia University Film lernte. Ihr erster Kinofilm, "Boys Don´t Cry" (1999) über das Leben und die Ermordung des jungen Transsexuellen Brandon Teena gewann einen Oscar, zwei Golden Globes, zwei Satellite Awards und den GLAAD Media Award for Outstanding Film. "Carrie" ist ihr dritter Spielfilm.

Zu den Hauptdarstellerinnen:

Chloë Grace Moretz
, geboren 1997 in Atlanta, spielte schon als Kind in mehreren Werbespots mit, bevor sie 2004 in der TV-Serie "The Guradian" eine Rolle erhielt und 2005 in ihrem ersten Spielfim "Heart of the Beholder" und noch im selben Jahr im Horrorstreifen "The Amityville Horror" zu sehen war. Seitdem spielte sie unter anderem in Tim Burtons´s "Dark Shadows" (2012) und erhielt für ihre Arbeit in "Let Me In" (2010) und "Kick Ass" (2010) mehrere Auszeichnungen.

Julianne Moore wurde 1960 als Julie Anne Smith in Fayetteville geboren. Sie studierte Theaterwissenschaften am College of Fine Arts der Boston University und spielte danach auf Theaterbühnen und von 1985 bis 1988 in der Serie "As the World Turns". 1990 erschien sie in ihrem ersten Film, "Tales from the Darkside" Seitdem spielte sie unter anderem in "The Big Lebowski" (1998), "Magnolia" (1999), "The Hours" (2002) und "A Single Man" (2009). Unter anderem gewann sie bereits den Daytime Emmy Award, den Coppa Volpi des Internationalen Film Festivals von Venedig, den Silbernen Bären der Internationale Filmfestspiele Berlin und einen Golden Globe.


Carrie
USA, 2013
Verleih: Sony
Regie: Kimberly Peirce
DarstellerInnen: Chloë Grace Moretz, Julianne Moore, Judy Greer, Ansel Elgort, Gabriella Wilde, Portia Doubleday, u.a.
Produktion: Kevin Misher
Drehbuch: Roberto Aguirre-Sacasa
Kamera: Steve Yedlin
Kostüme: Luis Sequeira
Schnitt: Nancy Richardson, Lee Percy
FSK: ab 16 Jahren
Kinostart: 5. Dezember 2013
www.carrie-film.de



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Beitrag vom 04.12.2013

Britta Meyer