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Beitrag vom 23.03.2011
Frühjahrsputz, rette sich wer kann
Isabell Serauky
Die April-Kolumne von Isabell Serauky. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint und die Stimmung in Berlin knistert voller Vorfreude – das Frühjahr ist in greifbarer Nähe! Wie alles im Leben hat ...
... aber auch das Gute beklagenswerte Schattenseiten. Denn mit dem Frühlingsrauschen geht der unbändige Zwang des Umkrempelns, Ausmistens und blitzeblank Putzens einher.
Angsteinflößende Dinge beginnen ja meist ganz harmlos.
Ich sitze super entspannt und ahnungslos am Frühstückstisch. Es ist Sonntag. Der Kaffee erfüllt seine verlässlich belebende Wirkung und die Sonntagszeitung perfektioniert das allgemeine Wohlbehagen. Ein Moment des stillen Glücks. Bis, ja bis ich versuche, einen Blick aus meinem Fenster in Richtung Sonne zu werfen. Dass sie scheint, ist nur eine Ahnung, denn sehen kann ich es nicht.
Und das genau ist der Augenblick, an dem die Stimmung kippt. Die wohlige Wochenendlethargie wandelt sich in blinden Aktionismus der übelsten Sorte. Denn nach Wochen und Monaten von Schnee und Regen ist ein klarer Durchblick natürlich reine Illusion. Dieser konnte ich mich bis zur Begegnung mit den ersten Sonnenstrahlen auch ganz wunderbar hingeben, nur jetzt kitzeln eben jene das Ego.
Flugs wird das sonntägliche Programm über den Haufen geworfen. Die Kaffeetasse durch Glasreiniger ersetzt und die Tagespresse durch einen griffigen Lappen. Wäre doch gelacht, wenn ich nicht in Windeseile die Bude auf Vordermann bringen kann! Und in der Tat, nach knapp zwei Stunden kann ich erkennen, dass die Bäume vor meinem Fenster doch tatsächlich schon erste Knospen tragen! Ich fühle mich ganz wunderbar. Endlich mal eine Arbeit, bei der der Erfolg so unmittelbar sichtbar ist.
Es gibt dabei nur ein Problem. Nun fällt massenweise Licht in meine Zimmer. Geradezu gnadenlos. So wirken sogar die liebevoll auf den verstaubten Glastisch gekritzelten kleinen Botschaften unsympathisch. Wollmäuse grienen hämisch aus fast jeder Ecke und auf den Dielen kann ich meine ewig gleichen Laufrouten auf deprimierende Weise exakt nachverfolgen.
Zugegeben, mein Elan bröckelt etwas angesichts dieser Mammutaufgabe, aber aufgeben geht nun wirklich nicht.
Jedem Staubkorn, jeder Spinngewebe geht es nun an den Kragen und ich wedele, wienere und schrubbe nach Leibeskräften. Nach weiteren drei Stunden lasse ich mich, der völligen Erschöpfung nahe, auf mein Sofa plumpsen. Den Sonntag hab ich damit fast vollständig dem Putzen geopfert und der Sonnenhöchststand des heutigen Tages ist bereits Geschichte. Was bleibt, ist etwas Abendsonne. Um wenigstens diese noch zu erhaschen, begebe ich mich auf die Suche nach einem sonntäglichen Fummel in meinen Kleiderschrank.
Und das war der zweite große Fehler dieses Sonntags: Denn was ist die Frühjahrskur für die heimischen vier Wände gegen die saisonale Inventur im weiblichen Kleiderschrank? Voller Wagemut zögere ich keine Sekunde, und gehe auch diese Lebensaufgabe unverzüglich an. Alles wird bergeweise aufs Bett gewuchtet und begutachtet, sortiert und wieder ordentlich gefaltet. Die Vorfreude auf einen perfekten Schrank schwindet jedoch, nachdem erst ein Viertel der Klamotten retourniert ist. Doch ich habe mich bereits ausweglos in eine Sackgasse manövriert. Wenn ich irgendwann auch nur ein Auge zubekommen will, müssen all die Hemden, Röcke, Hosen, Pullis und, und, und wieder zurück.
Wie in Trance erfülle ich meine Pflicht an Rock und Pulli und verfluche dabei jeden einzelnen Lustkauf. Gegen Mitternacht hat dann auch das letzte Teil sein angestammtes Plätzchen wieder gefunden. Freude will allerdings bei meiner kompletten mentalen und körperlichen Erschöpfung nicht mehr aufkommen. Ich bin nur dankbar, dass der Frühling nur einmal im Jahr ins Land einfällt. Häufigere Begegnungen würde ich jedenfalls nicht überleben.
Und Sie kann ich nur warnen: Hüten Sie sich davor, einen Blick aus Ihrem Fenster zu werfen!
Sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.
Die Autorin Isabell Serauky ist Rechtsanwältin und arbeitet in einer Kanzlei im Berliner Prenzlauer Berg, www.jurati.de
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