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Beitrag vom 22.03.2015
Eine neue Freundin. Ein Film von Francois Ozon mit Anais Demoustier nach einer Kurzgeschichte der Krimiautorin Ruth Rendell. Kinostart: 26.03.2015. Verlosung
Claire Horst
Schicke Villen, teure Handtaschen, gepflegte Menschen in glänzenden Sportwagen: Dieser Regisseur gibt sich nicht mit dem gemeinen...AVIVA verlost 3x2 Kinofreikarten
... Volk ab. All das Geglitzer dient aber niemals dazu, klaffende Konflikte zuzudecken.
Im Gegenteil: Die Abgründe, vor denen seine Figuren stehen, sind vollkommen unabhängig von Wohlstand und sozialen Markern. Sie haben zwar kaum materielle Sorgen. Von der Abneigung gegen alles, was ihnen fremd erscheint, befreit sie das jedoch nicht – und genau deshalb ist der Film ein Statement im richtigen Augenblick. Seit 2013 protestiert das Bürgertum in Frankreich gegen die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe, wächst der konservative Widerstand gegen die Anerkennung aller Formen von Familie und Partnerschaft.
Und auch wenn die "neue Freundin" zugleich ein alter Freund der Protagonistin Claire (Anais Demoustier) ist, geht es nicht in erster Linie um Cross Dressing, um Transvestismus und erst recht nicht um psychologische Erklärungsversuche für Abweichungen vom als "normal" angesehenen Verhalten. Denn das bedarf überhaupt keiner Erklärung – weder für die Zuschauerin noch für die Figur David/Virginia (Romain Duris).
Wir betrachten das Geschehen aus den Augen der Protagonistin Claire. Und sie ist es, die eine Wandlung durchmacht, nicht David, der eben nicht nur David ist, sondern auch Virginia.
Claire ist völlig verzweifelt, als ihre beste Freundin Laura stirbt. Mit sieben Jahren haben sie sich kennengelernt, haben Blutsschwesternschaft geschlossen, haben alle Geheimnisse miteinander geteilt. Dass Claire sich um Lauras Mann David und das Baby kümmern wird, ist eine Selbstverständlichkeit.
Doch bei einem unangemeldeten Besuch fällt sie aus allen Wolken: Die Frau, die Baby Lucie die Flasche gibt, ist niemand anders als David – in der Kleidung seiner verstorbenen Frau. Claire reagiert, von Anais Demoustier sehr überzeugend dargestellt, verstört, mit Abscheu sogar. Davids Verhalten erscheint ihr "pervers", es muss aufhören, findet sie. Und auch David möchte nicht, dass jemand davon erfährt, dass er Frauenkleidung trägt. Denn er hat Angst, die Schwiegereltern könnten ihm das Kind entziehen.
Die überkommenen Erwartungen an angemessenes Verhalten stellt der Film fast unerträglich erdrückend dar. Dabei umschifft er fast sämtliche Klischees, nur das eine oder andere affektierte Gestikulieren unterläuft der Hauptfigur. Wie vielseitig Begehren sein kann, wie viele unterschiedliche Möglichkeiten es gibt, die eigene Identität auszufüllen und die eigene Sexualität zu leben, wird in vielen überraschenden Wendungen sichtbar.
Und vielfältig ist eben nicht nur David/Virginia, sondern auch Claire entdeckt neue Seiten an sich, entdeckt, dass auch ihre Welt größer sein kann, als sie bisher glaubte. Ganz zentral dabei ist, dass David mit großer Selbstverständlichkeit als liebevoller Vater, Virginia als liebevolle Mutter gezeigt wird. Denn gerade das ist eine gelungene Antwort auf die homo- und transphoben Proteste der jüngsten Vergangenheit.
Dabei ist die Figur der Claire ein überzeugendes Bild dafür, dass Einstellungen eben doch wandlungsfähig sind. Viel mehr als David entwickelt sie sich im Verlauf des Films. Von einer zutiefst konservativen, auf "Normalität" eingeschworenen Frau entwickelt sie sich zu einer weltoffenen Persönlichkeit, die eigene Überzeugungen über den Haufen wirft.
AVIVA-Tipp: Der Plot von "Eine neue Freundin" beruht auf einer Kurzgeschichte der Krimiautorin Ruth Rendell. Die filmische Umsetzung ist anfangs kaum zu ertragen, so unsympathisch sind die Vorurteile der Figuren. Dass Ozon ihnen allen ein Dazulernen, den ZuschauerInnen immer wieder ein Unterlaufen der Erwartungen gönnt, versöhnt damit ebenso wie das optimistische Ende des Films.
Eine neue FreundinOriginaltitel: Une nouvelle amie
Frankreich 2014
Regie und Drehbuch: Francois Ozon
DarstellerInnen: Anais Demoustier, Romain Duris, u.a.
Verleih: Thimfilm
Lauflänge: 105 Minuten
Filmstart: 26.03.2015
Der Film im Netz: www.eineneuefreundin.weltkino.deDer Regisseur im Netz: Francois Ozon www.francois-ozon.comWeiterlesen auf AVIVA-Berlin:Francois Ozon – Das SchmuckstückFrancois Ozon – Swimming PoolFrancois Ozon – In ihrem HausFrancois Ozon – Die Zeit, die bleibt