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Beitrag vom 19.01.2017
Katrin Meyer - Macht und Gewalt im Widerstreit. Politisches Denken nach Hannah Arendt. Verlosung
Hannah Hanemann
Gewalt ist das Gegenteil von Macht – mit dieser Festlegung hat die jüdische Philosophin Hannah Arendt die sozialphilosophische und politische Debatte entscheidend verändert. Die Autorin, Lehrbeauftragte für Philosophie und …AVIVA verlost 2 Bücher
... Gender Studies an verschiedenen Schweizer Universitäten analysiert Arendts Machttheorie und stellt deren Bedeutung in der Gegenwart vor.
Macht wird im philosophischen sowie im alltäglichen Sprachgebrauch auf unterschiedliche Weisen definiert, jedoch meistens mit Gewalt oder zumindest Zwang gleichgesetzt.
Die Philosophin Hannah Arendt revolutionierte den philosophischen Diskurs des 20. Jahrhunderts, indem sie einen positiven Machtbegriff einführte, der sich klar von dem der Gewalt unterscheidet. Für sie sind beide Begriffe unvereinbar und gegenteilig: "Gewalt kann Macht nur zerstören, sie kann sich nicht an ihre Stelle setzen." Gewalt ist nach Arendt ein Mangel an Macht, nicht ihre Steigerung. Macht entstünde nicht durch die Unterdrückung von GegnerInnen, sondern durch die Erlangung von Zustimmung, nämlich dann, wenn Menschen einvernehmlich zusammen handeln. Sie ist somit ein kollektiver Prozess normativer Art, der nur von mehreren, nie von Einzelnen realisiert werden kann.
Diese zentrale These Arendts bildet den Grundpfeiler für ihre politische Vision der Möglichkeit von gewaltfreier, positiver Macht, die aus Einvernehmen und gegenseitiger Ermächtigung entsteht und die keine Macht über jemanden oder etwas ist, sondern eine Handlungsmacht. Für deren Entstehung ist es notwendig, dass alle Menschen gleichwertig und als frei behandelt werden und das Recht auf Partizipation innerhalb der Gesellschaft haben.
Arendts Theorie feministisch rezipiert
An diesem Punkt knüpft Katrin Meyer an, wenn sie im Rahmen ihres Buches, neben einer eingehenden Analyse des Machtbegriffs Hannah Arendts, auch Bezüge zum heutigen Zeitgeschehen zieht, etwa zur Flüchtlingskrise oder zu Fragen des Feminismus. Letzterem hat sie das letzte Unterkapitel ihres Buches gewidmet in dem sie analysiert, wie Arendts Machttheorie in eine feministische Debatte eingebettet werden und dieser nützen könnte.
Obwohl Hannah Arendt sich selbst nie als Feministin bezeichnete und ihre Beziehung zu dem Thema eher unterkühlt bis ignorant war, lassen sich ihre Theorien einer gewaltlosen Handlungsmacht, die durch freie und gleichberechtigte BürgerInnen geschaffen und aufrecht gehalten wird, durchaus mit denen des Feminismus vereinbaren.
Meyer kritisiert allerdings, dass Arendt eine klare Trennung zwischen Politischem und Privatem zog, wobei Fragen der Geschlechterrollen für sie in den privaten Bereich fielen und deshalb aus ihren politischen Überlegungen ausgeschlossen waren. In der aktuellen Debatte ist der Blick auf die Rolle der Frauen in der Gesellschaft jedoch durchaus ein politischer, da geschlechtsspezifische Rollenzuschreibungen im öffentlichen Raum gestärkt und propagiert werden. Privates und Politisches bedingen und beeinflussen sich gegenseitig und sind darum in Bezug auf Gendertheorien kaum zu trennen.
Nichtsdestotrotz stuft Meyer Arendts Theorien als produktiv für feministische Machtanalysen ein und verdeutlicht anhand verschiedener Ansätze, wie Arendt im feministischen Kontext gelesen und rezipiert werden könnte.
Ein Buch für (Fach)Wissensdurstige
Meyer arbeitet in den ersten zwei Hauptkapitel auf theoretischer Ebene Arendts Machtbegriff ab, analysiert ihn und präsentiert mögliche Einwände und Ergänzungen. Das ist interessant, aber auf Grund seiner Komplexität nicht immer leicht zu lesen. Generell ist das Buch, obwohl nur ein schmaler Band, inhaltlich sehr dicht und verlangt der LeserIn einiges an Konzentration ab. Das letzte der drei Hauptkapitel ist etwas zugänglicher, da Arendts Machtverständnis hier aus dem rein theoretisch-philosophischen Kontext geholt und auf seine Relevanz für aktuelle (politische) Fragen untersucht wird.
Das gleichermaßen informative wie analytische Philosophie-Sachbuch erläutert Hannah Arendts Theorie nicht nur, sondern eröffnet der Leserin zusätzlich neue Perspektiven auf ihre Aktualität und Anwendbarkeit.
AVIVA-Tipp: Katrin Meyers Abhandlung "Macht und Gewalt im Widerstreit. Politisches Denken nach Hannah Arendt" liefert eine klare und detaillierte Untersuchung von Arendts Verständnis von Macht und Gewalt und diskutiert dessen Bedeutung für eine politische Theorie demokratischer Praxis Heute.
Zur Autorin: Katrin Meyer, geboren 1962, ist Privatdozentin für Philosophie an der Universität Basel und Lehrbeauftragte für Philosophie und Gender Studies an verschiedenen Schweizer Universitäten. Sie promovierte über Friedrich Nietzsche und habilitierte sich mit einer Studie über Michel Foucault und Hannah Arendt. Ihre aktuellen Forschungsgebiete sind Theorien der Macht und Gewalt, (Post)Demokratie, Kritik der Sicherheit und feministische Theorien der Intersektionalität.
Mehr Infos zu Katrin Meyer finden Sie unter:
genderstudies.unibas.ch
Ãœber Hannah Arendt:
Die Publizistin und politische Theoretikerin Hannah Arendt wurde 1906 in Linden bei Hannover geboren. Als Jüdin von den Nazis verfolgt, musste sie Deutschland 1933 verlassen. Über Paris emigrierte sie nach Amerika, wurde von den Nazis ausgebürgert und war ab 1937 staatenlos, bis sie 1951 die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt. Ihre wichtigsten Werke sind: "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft", "Menschen in finsteren Zeiten", "Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen.", "Vita Activa" und "Rahel Varnhagen".
Hannah Arendt starb 1975 in New York.
Mehr Infos zu Hannah Arendt:
Hannah Arendts Beiträge im Archiv des "New Yorker" unter:
www.newyorker.com
archives.newyorker.com
Ein Interview mit Hannah Arendt aus den 1960er Jahren:
www.youtube.com
Macht und Gewalt im Widerstreit
Politisches Denken nach Hannah Arendt
Schwabe Verlag, erschienen 2016
201 Seiten. Broschiert.
ISBN 978-3-7965-3556-7
17,50 Euro
www.schwabe.ch
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Hannah Arendt - Ich selbst, auch ich tanze. Die Gedichte
Dass Hanna Arendt eine große Literaturliebhaberin war, zeigt sich schon an ihren vielen Freundschaften zu Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Sei es die innige und bis an ihr Lebensende währende Freundschaft mit Mary McCarthy, die herzlichen Begegnungen mit Uwe Johnson, der sie incognito in seine "Jahrestage" einschmuggelte, oder mit dem österreichischen Autor Hermann Broch. (2016)
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Hannah Arendt - Die verborgene Tradition. Essays
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