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Beitrag vom 07.04.2016
Hannah Arendt - Ich selbst, auch ich tanze. Die Gedichte
Bärbel Gerdes
Dass Hanna Arendt eine große Literaturliebhaberin war, zeigt sich schon an ihren vielen Freundschaften zu Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Sei es die innige und bis an ihr Lebensende währende Freundschaft mit Mary McCarthy, die...
... herzlichen Begegnungen mit Uwe Johnson, der sie incognito in seine "Jahrestage" einschmuggelte, oder mit dem österreichischen Autor Hermann Broch.
Stets stand die Philosophin in engem, auch brieflichen Kontakt mit ihnen. Nebenbei: das Lesen dieser Korrespondenzen ist ein großer Genuss!
Auch in ihrem publizierten Werk spiegelt sich diese Liebe wider: die Dissertation der 1906 in Hannover Geborenen handelte von Rahel Varnhagen, die in ihrem berühmten Salon unter anderen auch viele Dichter empfing. In dem Band "Menschen in finsteren Zeiten" setzt Arendt so unterschiedlichen Autor_innen wie Tania Blixen, Bertolt Brecht, Lessing und ihrem Freund W.H. Auden ein Denk-Mal.
Weniger bekannt ist, dass Hannah Arendt, diese brillante Denkerin, auch selbst Gedichte schrieb. Zwar tauchten einige schon in ihrem "Denktagebuch" auf, in dem sie ihre Denkexperimente und –ergebnisse festhielt und das der Piper-Verlag in einer hervorragenden Ausgabe herausgegeben hat, erstmals aber erscheinen alle Gedichte Hannah Arendts in einem Band.
Die von einem Essay von Irmela von der Lühe begleitete Sammlung enthält 71 Gedichte, die Arendt zu unterschiedlichen Zeiten verfasst hat. Wir lernen hier eine andere, eine persönlichere Frau kennen, die sich in den Gedichten wenig mit politischen Fragestellungen auseinandersetzt. Im Vordergrund stehen kleine Stücke, Gelegenheitslyrik, ein Geburtstagsgedicht, Gedichte im Stile Rilkes. Vierzig Jahre überspannen diese Gedichte, von denen etwa ein Drittel aus den Jahren zwischen 1921 und 1926 stammen, also aus der Zeit, in der sie in Marburg, Freiburg und Heidelberg Philosophie studierte und sich Martin Heidegger annäherte. Die Gedichte spiegeln diese Beziehung.
Kämpferischer geht es in einem Gedicht zu, das sie 1942 schrieb: "Recht und Freiheit/Brüder zagt nicht/Vor uns scheint das Morgenrot./Recht und Freiheit/Brüder Wagt es/Morgen schlagen wir den Teufel tot".
Der Titel dieser Sammlung entstammt einem frühen Gedicht. "Ich selbst/Auch ich tanze,/befreit von der Schwere/Ins Dunkle ins Leere", heißt es da.
Auch verstorbenen Freunden widmet sie Gedichte, so Walter Benjamin oder dem Zionisten Kurt Blumenfeld, jenem Freund, der sich von ihr abwandte, nachdem sie in ihrem Prozessbericht Adolf Eichmann, den Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, der für die Organisation der Vertreibung und Deportation der Juden in Deutschland verantwortlich war, als "Hanswurst" bezeichnete und von der "Banalität des Bösen" schrieb. Blumenfeld starb, ohne sich mit Arendt zu versöhnen.
Ob diese Gedichte tatsächlich zur Publikation vorgesehen waren, bleibt dahingestellt. Bei vielen stellt sich schon die Frage, ob sie auf ein öffentliches Interesse stoßen würden, wenn nicht Hannah Arendt sie verfasst hätte.
Dennoch rundet dieser schmale Band ihr Å’uvre ab.
AVIVA-Tipp: In den Gedichten zeigt sich eine weitere Facette von Hannah Arendt – die brillante Denkerin offenbart sich als gefühlvolle Dichterin.
Zur Autorin: Hannah Arendt, 1906 in Hannover geboren, studierte Philosophie, Theologie und Griechisch unter anderem bei Heidegger und Jaspers. 1933 emigrierte sie nach Paris, 1941 nach New York. Sie arbeitete als freie Autorin ab 1963 Professorin für Politische Theorie in Chicago, ab 1967 an der New School for Social Research in New York. Bekannt wurde sie unter anderem durch ihre Werke "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" und "Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen."
Hannah Arendt starb 1975 in New York.
Irmela von der Lühe, 1947 in Berlin geboren, studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie und war Universitätsprofessorin am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der Freien Universität Berlin. Von der Lühe schrieb eine viel beachtete Biographie über Erika Mann und gibt gemeinsam mit Uwe Naumann das Gesamtwerk Erika Manns heraus.
Hannah Arendt
Ich selbst, auch ich tanze
Die Gedichte
Mit einem Essay von Irmela von der Lühe
Piper-Verlag, erschienen am 9.11.2015
160 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-492-05716-5
20.00 Euro
www.piper.de
Mehr Infos zu Hannah Arendt:
Hannah Arendts Beiträge im Archiv des "New Yorker" unter:
www.newyorker.com
archives.newyorker.com
Interviews aus den 1960er Jahren:
www.youtube.com
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