Lore Krüger - Ein Koffer voller Bilder. Fotografien 1934 – 1944. Katalog und Ausstellung im C/O Berlin bis 10. April 2015 - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kunst + Kultur Kultur live



AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 04.02.2015


Lore Krüger - Ein Koffer voller Bilder. Fotografien 1934 – 1944. Katalog und Ausstellung im C/O Berlin bis 10. April 2015
Helga Egetenmeier

Ihr Leben lang eine politisch engagierte Frau und in ihren jungen Jahren eine Pionierin der Bildenden Künste, war die jüdische Fotografin aus Magdeburg im New Yorker Exil Mitherausgeberin der...




... antifaschistischen Zeitschrift "The German American".

In New York entstanden ihre letzten fotografischen Sozialstudien, bevor sie in der DDR als Ãœbersetzerin, Mutter, und bis ins hohe Alter aktive Zeitzeugin ihr Zuhause fand.



Fotografieren und Exil

Im zehnten Lebensjahr bekam Lore von ihrem Vater, Ernst Heinemann, eine kleine Boxkamera geschenkt, "...die von nun an meine unzertrennliche Begleiterin wurde", notierte sie dazu in ihrer Autobiografie. Vor dem zunehmenden Antisemitismus floh ihre Familie Anfang der Dreißiger Jahre von Magdeburg nach Mallorca. Als Lore sich 1934 dafür entschied, Fotografin zu werden, ging sie für ihre Ausbildung erst nach Barcelona und ein Jahr später weiter nach Paris, um sich von der Bauhausschülerin, Malerin und Fotografin Florence Henri unterrichten zu lassen.

In Paris gehörte sie zu den KünstlerInnen, die die fotografische Bildsprache von einem reproduzierenden zu einem produzierenden Medium erweitern wollten. Nachdem sie mit Montage, Fotogramm und Mehrfachbelichtung experimentiert hatte, suchte sie mit ihrer Kamera das reale Leben auf der Straße. Gleichzeitig studierte sie Marxismus an der Freien Deutschen Hochschule bei Laszlo Radvanyi, dem Mann von Anna Seghers.

Um ihren kargen Lebensunterhalt in der Pariser Emigration zu sichern, zu dem ihre Schwester einen Teil als Schneiderin beisteuerte, fing sie an, als Fotografin zu arbeiten. Ende der 30er Jahre bekam sie von einer US-Amerikanischen Fotoagentur den Auftrag, "...das jährliche Pilgertreffen der Zigeuner, wie man damals sagte, in Les Saintes Mairies de la Mer..." zu fotografieren - Arbeiten dieser Serie sind auch in der C/O-Berlin-Ausstellung zu sehen.

Nach einer beschwerlichen Odyssee auf der Suche nach einem sicheren Exil landete sie schließlich 1941 in New York. Über den Vater ihrer Freundin Hilde Kirchheimer, Kurt Rosenfeld, kam sie zu der Gruppe, die zusammen mit Gerhart Eisler ab Mai 1942 die antifaschistische Exilzeitschrift "The German American" herausgab. Ihr Mann Ernst Krüger, ein kommunistischer Spanienkämpfer, den sie in Paris kennengelernt hatte, schrieb ebenfalls für die Zeitschrift. Sie übersetzte ins Englische und steuerte Fotografien bei, wie das Portrait von Kurt Rosenfeld, das 1943 seinen Nachruf begleitete.



"Ein Koffer voller Bilder" - eine Pionierin der Bildenden Künste

Ein Lore-Portrait von Florence Henri aus dem Jahr 1936 ziert das Titelbild des Ausstellungskatalogs zu der weltweit ersten Werkschau ihrer Fotografien. Die mit Hilfe ihrer Tochter Susan und ihres Sohnes Ernst-Peter zustande gekommene Ausstellung ist seit dem 24. Januar 2015 im C/O Berlin zu sehen. Um die einhundert Schwarz-Weiß Originalabzüge aus unterschiedlichen Schaffensbereichen, sowie weitere Exponate, wie eine Ausgabe des "The German American" und ihre Ausreise-Papiere, zeigen zusammen ihr bewegtes Leben.



Charakteristisch für ihre Portraits und Straßenbilder sind, genau wie für ihre Laboraufnahmen, klare Linien, ein deutlicher Blick und eine ausgeprägte Motivwahl. Der Pariser Bauarbeiter, der lesend auf seinen Steinen liegt, die mit Wäsche behängte Hinterhofszene New Yorker Familien und ernste Gesichtszüge bei ihren Porträtierten, zeigen ihr tiefes Interesse am Dokumentieren des bedeutsamen Alltäglichen.

"Quer durch die Welt - Das Lebensbild einer verfolgten Jüdin"

So der Titel ihrer Autobiografie, die Lore, 1914 in Magdeburg geboren und 2009 in Berlin gestorben, auf Bitten ihrer Familie für ihre Nachkommen schrieb und die von ihren Kindern nach ihrem Tod veröffentlicht wurde. Diese Lebensgeschichte reicht leider nur bis zum Umzug ihrer kleinen Familie nach Berlin und der fast zeitgleichen Geburt ihres Sohnes im Januar 1947.

Als sie in ihrem 19. Lebensjahr den zunehmenden Antisemitismus immer deutlicher zu spüren bekam, beschloss der Familienrat die als Kind oft etwas kränkliche Lore als Au-Pair nach London zu schicken. Da sie nach einem Jahr als Haushaltshilfe jedoch eine Ausbildung zur Fotografin anstrebte, wurde ihre Aufenthaltsgenehmigung 1934 in England nicht verlängert.

Früh beteiligte sie sich als junge Frau aktiv an politischen Aktionen gegen die NationalsozialistInnen und unterstützte Hilfsaktionen für die kommunistischen SpanienkämpferInnen. "Zweimal in der Woche fütterten Gisela und ich einen Antifaschisten bei uns zu Hause mit durch." beschreibt Lore die harte Zeit in Paris, in der sie und ihre Schwester selbst kaum genug zum Leben hatten.

1940 wurde sie in das Internierungslager Gurs an den Pyrenäen deportiert. Freigelassen floh sie mit ihrer Schwester und Ernst Krüger nach Marseille, dort gelangten sie gerade noch an ein Visum, fanden ein Schiff für Mexiko und kamen letztendlich über das britische Internierungslager in Trinidad nach New York. Dort heiratete sie 1942 Ernst Krüger und ihre Tochter Susan wurde geboren. Nach dem Krieg kam die kleine Familie über die östliche Route nach Berlin und Lore arbeitete jahrzehntelang als Übersetzerin im Aufbau-Verlag. Ihre politische Verantwortung sah sie ihr Leben lang darin, über die Zeit des Nationalsozialismus aufzuklären und für ein persönliches politisches Bewusstsein einzutreten.



AVIVA-Tipp: Das Leben der Lore Krüger gilt es durch ihre beeindruckenden Fotografien und der von ihren Kindern posthum veröffentlichten Autobiografie zu entdecken und sie damit als eindringliche, liebevolle und kämpferische Zeitzeugin zu würdigen und zu bewahren. Die Ausstellung im C/O Berlin im Amerika Haus und der von der C/O Berlin Foundation herausgegebene Bildband setzen dem Werk und Leben der deutsch-jüdischen Fotografin Lore Krüger ein Denkmal.

Lore Krüger - Ein Koffer voller Bilder. Fotografien 1934 - 1944
Ausstellung vom 24. Januar bis 10. April 2015

Veranstaltungsort: C/O Berlin im Amerika Haus
Hardenbergstraße 22-24
10623 Berlin
Öffnungszeiten: täglich von 11 - 20 Uhr
www.co-berlin.org

Lore Krüger
Ein Koffer voller Bilder
Fotografien 1934 - 1944

Hrsg. C/O Berlin Foundation
mit Texten von Katharina Sykora, Cornelia Bästlein, Irja Krätke und Felix Hoffmann
Edition Braus, erschienen Januar 2015
Hardcover mit Leineneinband, 90 Abbildungen, 168 Seiten. Deutsch / Englisch
ISBN-13: 978-3862281046
29,95 Euro
www.editionbraus.de

Lore Krüger
Quer durch die Welt - Das Lebensbild einer verfolgten Jüdin

von Lore Krüger, 11. März 1914 - 3. März 2009
Schkeuditzer Buchverlag, erschienen August 2012
Taschenbuch, 155 Seiten
ISBN-13: 978-3935530965
14,00 Euro
www.gnnverlag.de


Weitere Informationen:

www.denag.de Interview mit Lore Krüger (pdf), zu ihrem Exil in den USA und der Zeitschrift "The German American" (Junge Welt, Juli 2005)

www.drafd.de Nachruf DRAFD e.V. (Verband Deutscher in der Résistance, in den Streitkräften der Anti-Hitlerkoalition und der Bewegung "Freies Deutschland" e.V.)

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Copyright Fotos und Text: Helga Egetenmeier, AVIVA-Berlin


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Beitrag vom 04.02.2015

Helga Egetenmeier