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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 16.06.2016


Sonderheft des Philosophie Magazins im Juni 2016. Hannah Arendt. Die Freiheit des Denkens
Laura Seibert

146 Seiten widmen sich der jüdischen Journalistin und Professorin der New School for Social Research, ihrer Biographie sowie ihrem theoretischen Werk. Dabei stehen Flucht, Judentum und Menschenrechte im Fokus.




Hannah Arendt (1906 – 1975) floh 1933 als Jüdin vor den Nazis aus Deutschland. 1940 wurde sie im südfranzösischen Gurs interniert, 1941 konnte sie nach New York fliehen. Von den Nazis 1937 ausgebürgert, war sie staatenlos, bis sie 1951 die amerikanische Staatsbürgerinnenschaft erhielt. Bereits Ende der 20er Jahre hatte sie sich in ihrem Habilitationsprojekt "Das Problem der deutsch-jüdischen Assimilation, exemplifiziert an dem Leben der Rahel Varnhagen" mit der Rolle einer jüdischen Intellektuellen in Deutschland auseinandergesetzt. Die Reflektion der Ausgrenzung und der Zugehörigkeit auf politischer Ebene wurde zu einem wichtigen Thema ihres Werkes.

Die Auseinandersetzung mit der politischen Theoretikerin ist in diesen Tagen hochaktuell. Mit dem Anspruch "das Recht, auf Rechte zu haben", begründete sie das Recht auf Staatszugehörigkeit als Bedingung für Menschenrechte überhaupt. Die Themen, die derzeit die Weltöffentlichkeit beschäftigen, wie Flucht, Staatenlosigkeit und Ausgrenzung, hat sie alle reflektiert und neue, wichtige Thesen in diese Debatte eingebracht. Ihr Einfluss reicht weit. Seyla Benhabib, Professorin in Yale, widmete sich in ihrer Monographie "Hannah Arendt. Die melancholische Denkerin der Moderne" dem Gesamtwerk der Theoretikerin. Susan Neiman, Rahel Jaeggi, Eva von Redecker, Tatjana Noemi Tömmel, Stefania Maffeis – viele (Wahl-)Berliner Philosophinnen arbeiteten und arbeiten in den vergangenen Jahren zu Hannah Arendt. Unter vielen anderen.

Diese Faszination, welche zum Teil aus der unglaublichen Bandbreite Arendts Schaffens abzuleiten ist, trifft im Philosophie Magazin auf Fragen des aktuellen politischen Geschehens. So finden sich Beiträge, Gespräche und Biographisches in dem Sonderheft, welches in Form eines Mosaiks Puzzleteile zum Eindenken und Weiterlesen in das Werk jener Frau bietet, die keine Philosophin war und doch maßgeblich die Theorien über Totalitarismus, Pariatum, das Böse und Weltbeziehungen geprägt hat – ebenso hat sie wie kaum eine andere den Wert der Freundschaft anerkannt. Dabei sorgte sie sehr häufig für Kontroversen. Ablehnung erfuhr sie für ihre ungewöhnlichen Thesen, wie sie in "Eichmann in Jerusalem" zum Tragen kamen. Das umstrittenste Werk aus Arendts Feder fehlt auch in der vorliegenden Sonderausgabe nicht: In einem spannenden Gespräch vertritt Susan Neiman die These, dass "Eichmann in Jerusalem" der philosophische Entwurf einer modernen Theodizee sei.

Das Philosophie Magazin widmet sich, im Anschluss an eine biographische Chronologie, in sechs Rubriken Arendts Werk und Leben:

  • Denk-Beziehungen
  • Flucht, Judentum, Menschenrechte
  • Totalitarismus
  • Vita Activa
  • Das Böse
  • Politik, Macht, Öffentlichkeit

    Mit Beiträgen u.a. von: Catherine Newmark, Martin Legros, Susan Neiman, Leon Botstein, Stefania Maffeis, Seyla Benhabib, Antonia Grunenberg, Enzo Traverso, Bérénice Levet, Rahel Jaeggi, Bettina Stangneth, Roger Berkowitz, Daniel Cohn-Bendit, Gesine Schwan und Volker Gerhardt.

    AVIVA-Tipp: Das gut recherchierte Magazin verschafft einen facettenreichen Einblick in Arendts Leben und ihr Werk, durch die Auswahl diverser Formate – Interviews, Gespräche, Essays – liest es sich sehr abwechslungsreich. Anspruchsvoll, für Expert_innen und Einsteiger_innen gleichermaßen empfehlenswert.

    Hannah Arendt. Die Freiheit des Denkens
    Philosophie Magazin
    Sonderausgabe 06, erschienen im Juni 2016
    Philomagazin Verlag, 146 Seiten
    11 Euro
    Im Netz unter: philomag.de/hannah-arendt-die-freiheit-des-denkens


    Mehr Infos zu Hannah Arendt:

    Hannah Arendts Beiträge im Archiv des "New Yorker" unter:

    www.newyorker.com

    archives.newyorker.com

    Interviews aus den 1960er Jahren:

    www.youtube.com

    Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

    Hannah Arendt - Ich selbst, auch ich tanze. Die Gedichte
    Dass Hanna Arendt eine große Literaturliebhaberin war, zeigt sich schon an ihren vielen Freundschaften zu Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Sei es die innige und bis an ihr Lebensende währende Freundschaft mit Mary McCarthy, die herzlichen Begegnungen mit Uwe Johnson, der sie incognito in seine "Jahrestage" einschmuggelte, oder mit dem österreichischen Autor Hermann Broch. (2016)

    Hannah Arendt - Wahrheit gibt es nur zu zweien. Briefe an die Freunde. Hrsg. von Ingeborg Nordmann
    Freundschaften waren Hannah Arendt Zeit ihres Lebens wichtig. Sie ermöglichten das Heimisch-Sein in der Emigration und das Willkommen-Sein in Deutschland. Dieser Briefband zeugt davon. 1945 beschreibt Hannah Arendt in einem Brief sehr eindringlich, wie wichtig Freundschaften in der Emigration sind. (2014)

    Hannah Arendt
    Der Film von Margarethe von Trotta. Ab 10.10.2013 auf DVD und Blu-Ray Unter der Regie von Margarethe von Trotta und mit exzellenten DarstellerInnen wie Barbara Sukowa und Axel Milberg in den Hauptrollen entstand das filmische Portrait der wegen ihrer These der "Banalität des Bösen" umstrittenen Denkerin Arendt. (2013)

    Gefährdete Freiheit. Über Hannah Arendt und Simone de Beauvoir von Barbara Holland-Cunz (2012)

    Hannah Arendt und Gershom Scholem - Der Briefwechsel
    Sie hätten kaum unterschiedlicher sein können, die Heidegger-Schülerin Hannah Arendt und der Kabbala-Gelehrte Gershom Scholem. Und doch verband sie eine Freundschaft über mehr als zwanzig Jahre. (2010)

    Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde
    Erstmals seit 1833 wieder veröffentlicht – das Ich in einer fremdbestimmten Welt. Das schriftliche Vermächtnis - Rahel, "die erste Jüdin der deutschen Literatur" erschienen im Matthes & Seitz Verlag. (2010)

    Hannah Arendt - Das private Adressbuch 1951-1975
    "Mir ist, als müsste ich mich selbst suchen gehen" Dieses Zitat Hannah Arendts steht als eine Art Leitmotiv auf dem Cover des, von Christine Fischer-Defoy herausgegebenen und kommentierten, Adressbuches. (2007)

    Hannah Arendt - Leidenschaften, Menschen und Bücher
    Ausgehend vom "Denktagebuch" (1950 - 1975) erschließt Prof. Barbara Hahn die Gedankenwelt einer großen Philosophin. (2006)

    Hannah Arendt - Von Wahrheit und Politik.Hörbuch
    Die politische Denkerin Hannah Arendt führt uns in ihr Gedankengebäude ein. Charmant und mit rauchiger Stimme erklärt sie "Freiheit", "Politik" und vieles mehr. Eine Einladung zum Selberdenken. (2006)

    Hannah Arendt - Die verborgene Tradition. Essays
    Eine faszinierende philosophische Forschungsreise, die zum Nachdenken auffordert (2002)


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    Beitrag vom 16.06.2016

    AVIVA-Redaktion